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"Erneuerbare Energien sind Opfer ihres Erfolgs"

Weil immer mehr grüner Strom produziert wird, sinkt der Strompreis an der Strombörse – und die Abgabe für erneuerbare Energien, die EEG-Umlage, steigt. Dieser paradoxe Mechanismus muss abgeschafft werden, fordert Hans-Josef Fell, Energie-Experte der Grünen.

Hans-Josef Fell im Gespräch mit Matthias von Hellfeld | 16.10.2013
    Bettina Klein: Das war ein ziemliches Aufregerthema gestern: Die Strompreise steigen weiter und offenbar durch die EEG-Umlage, die nämlich zur Förderung erneuerbarer Energien. Sie steigen und steigen weiter und der Unmut in Teilen der Bevölkerung ist durchaus groß. Mein Kollege Matthias von Hellfeld hat gestern Abend darüber mit dem Energieexperten der Grünen gesprochen, mit Hans-Josef Fell. Seine Bitte war: Erklären Sie diesen Widerspruch, die Umlage macht den Strom teurer, obwohl er eigentlich am Markt billiger geworden ist.

    Hans-Josef Fell: Ja. Eigentlich sind die erneuerbaren Energien genau die Lösung aus der Preisspirale der konventionellen Energieversorgung nach oben. Die Ressourcen, Erdöl, Erdgas, Kohle, aber auch Uran, werden immer teurer, die Schadenskosten werden immer größer, und die Technologien, die ohne diese Ressourcen auskommen, erneuerbare Energien sind ja brennstoffkostenfrei, sie führen uns perspektivisch da raus und es ist absurd, in einer Gesellschaft mit einer Gesetzgebung so zu organisieren, dass darüber der Verbraucher belastet statt entlastet wird.

    Matthias von Hellfeld: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz garantiert ja den Stromerzeugern Festpreise, die weit über dem eigentlichen Marktpreis liegen. Was ist die Absicht einer solchen gesetzlichen Regelung gewesen?

    Fell: Den Stromerzeugern werden Festpreise angeboten, natürlich deswegen, weil sie in der Notwendigkeit sind, Investitionen in erneuerbare Energien auch refinanzieren zu müssen. Deswegen ist es notwendig, diese Sicherheit über Festpreise, über langjährige Garantie zu geben; sonst gäbe es keine Investitionen in erneuerbare Energien, weil sie sich sonst ja in einem Strommarkt, der nicht die wahren Kosten zeigt, nicht etablieren könnten.

    von Hellfeld: Würden Sie in Zukunft daran festhalten wollen?

    Fell: Ja, es ist zwingend erforderlich, denn die übergeordneten Notwendigkeiten wie Klimaschutz, wie das Herauskommen aus den immer knapper werdenden fossilen Rohstoffen ist sehr, sehr notwendig. Wir sehen, wie die Konflikte in der Welt immer größer werden um die knapper werdenden Rohstoffe. Wir sehen, wie die Preise für Erdöl, für Erdgas immer weiter nach oben gehen. Nur erneuerbare Energien können uns da herausbringen und deswegen ist es wichtig, dies weiter so zu organisieren.

    von Hellfeld: Es gibt für die sogenannten energieintensiven Unternehmen Rabatte, es gibt Ausnahmen, es gibt teilweise komplette Befreiungen von der Umlage, und das wird alles auf die restlichen, also vor allem auf die privaten Verbraucher umgelegt. Ist das tragbar auch für die Zukunft? Das wird ja irgendwann ins Unendliche gehen.

    Fell: Ja, natürlich kann man das nicht machen, wenn es Kosten zu verteilen gibt, dass man dann einen großen Teil derjenigen, die diese Kosten mittragen müssten, davon entlastet. Es ist zwar richtig, dass man energieintensive Betriebe entlastet, wenn sie in eine wirkliche Schwierigkeit des internationalen Wettbewerbs kommen. Das haben wir unter Rot-Grün ja auch schon begonnen. Aber dass das nun uferlos ausgeweitet wird auf immer mehr Unternehmenszweige, die gar nicht im internationalen Wettbewerb stehen, das passt nicht dazu. Das ist aber nur eines der Kriterien, die hier sind. Es gab 2009 eine Novelle im Erneuerbaren-Energien-Gesetz, wo wir Grünen dagegen waren, denn da wurde der Umlagemechanismus verändert. Damals wurde dann festgelegt, der gesamte EEG-Strom soll an die Börse kommen. Jetzt kommt sehr viel EEG-Strom an die Börse, er ist sehr billig, senkt den Börsenstrompreis, und dadurch wird die Differenz größer und somit sind die erneuerbaren Energien ein Opfer ihres Erfolges. Es ist zwingend erforderlich, genau an dieser Stelle die Korrekturen im Erneuerbaren-Energien-Gesetz nun anzugehen.

    von Hellfeld: Muss nicht das Gesetz insgesamt renoviert werden, nicht nur an dieser Stelle?

    Fell: Nein. Wir haben viel zu viele, die natürlich auch mit der Interessenslage des Bestandsschutzes der alten, konventionellen Energien in dieser Diskussion mitdiskutieren. Sie haben eigentlich nur ein Interesse daran, dass nicht mehr die Bürger so viel Strom erzeugen sollen, sondern dass sie weiterhin aus Kohle und vielleicht sogar Kernkraftwerken, aber auch Gas- und anderen fossilen Erzeugungsanlagen kommen. Dies kann aber gesamtgesellschaftlich nicht im Interesse sein, dass wir die Interessen wegen der Großkonzerne, die das Klima dann massiv anheizen, unterstützen, sondern dass wir Bürgerenergien bekommen, und dafür braucht es weiter die Unterstützung mit den Kernelementen, die im Erneuerbaren-Energien-Gesetz erfolgreich waren. Das war die feste Einspeisevergütung, der privilegierte Netzzugang und die langjährige Vergütung und die technologiespezifischen Vergütungssätze. Das ist ganz wichtig.

    von Hellfeld: Im Moment werden ja Sondierungsgespräche zwischen Schwarz und Grün geführt. Da gibt es ja normalerweise jedenfalls keine Denkverbote in solchen Verhandlungen oder Sondierungsgesprächen. Was raten Sie einer kommenden Regierung, wie das jetzt weitergehen soll?

    Fell: Nun, ich habe ja schon gesagt, wir müssen den Umlagemechanismus so verändern, dass die vielen Stromverbraucher auch in den Genuss der sinkenden Wirkung der erneuerbaren Energien kommen und nicht weiterhin immer wieder diese Stromerhöhungen bekommen. Dazu ist es aber nicht nur im Erneuerbare-Energien-Gesetz notwendig, sondern es gibt einen Paragraf 13 im Energie-Wirtschaftsgesetz, wonach der Wirtschaftsminister auch eingreifen kann, wenn Energiekonzerne überhöhte Gewinne machen, und genau das tun sie, denn sie können ja auch an der Börse niedrige Strompreise beschaffen und könnten diese niedrigen Kosten an die Verbraucher weitergeben. Genau das tun sie aber nicht. Sie haben in den letzten Jahren mit der Begründung der Steigerung der EEG-Umlage noch stärker den Strompreis erhöht, als selbst diese dies erfordert hätte, und damit ihre Gewinne erhöht. Hier gehört natürlich Einhalt geboten und das kann man sogar gesetzgeberisch. Eigentlich wäre zum jetzigen Zeitpunkt eine Strompreissenkung verkraftbar, auch für die Konzerne, und das sollten sie an die Verbraucher weitergeben.

    Klein: …, findet der Energieexperte der Bündnis-Grünen, Hans-Josef Fell. Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk war er gestern Abend. Die Fragen stellte Matthias von Hellfeld.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.