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"Erneuerbare Energien tragen dazu bei, regionale Wertschöpfung anzustoßen"

Seit dem 1. Januar ist die Erneuerbare-Energien-Umlage gestiegen - die Kilowattstunde wird um etwa zwölf Prozent teurer. Martin Pehnt vom IFEU-Institut in Heidelberg mahnt, man dürfe darüber nicht vergessen, dass Ökostrom auch kostensenkende Effekte habe.

07.01.2013
    Ursula Mense: Noch nie sind in Deutschland so viele Solaranlagen neu installiert worden wie im vergangenen Jahr, und das, obwohl der Ökostrom schon 2012 mit weniger Geld gefördert wurde als vorher. Eigentlich eine positive Entwicklung, schließlich wollen wir mehr regenerativ erzeugte Energie. Der Boom hat aber einen Preis, denn er treibt die verbliebenen Förderzahlungen weiter an, die mit 20 Milliarden Euro nun einen neuen Höchstwert erreicht haben. Bahnt sich da ein Konflikt an zwischen Verbrauchern, die profitieren, und denen, die nur zahlen? Darüber habe ich kurz vor der Sendung mit Martin Pehnt vom IFEU-Institut in Heidelberg gesprochen und ihn gefragt, ob Verbraucher ohne Solaranlage die Verlierer sind.

    Martin Pehnt: Das würde ich auf keinen Fall so sehen. Auf der einen Seite haben wir mit diesen Zahlungen, mit dieser Erneuerbaren-Energie-Umlage eine Prämie, die uns ja gewissermaßen den Umbau des Energiesystems insgesamt in Richtung eines nachhaltigen Energiesystems ermöglicht. Wir dürfen nicht vergessen: Wir haben schon wahnsinnig viel erreicht. Wir sind in diesem Jahr jetzt bei einem Viertel der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien angelangt. Wir haben es auch geschafft, die erneuerbaren Energien deutlich günstiger zu machen. Photovoltaik kostet heute nur noch ein Drittel dessen, was wir vor fünf Jahren dafür bezahlt haben. Und ich glaube, das brauchen wir alles, um zu einem Energiesystem zu kommen, das nicht mehr von Kernenergie und nicht mehr von Kohle abhängt. Das ist das eine.
    Und das zweite, was mir aber auch wichtig ist: Es ist gewissermaßen eine Asymmetrie auf der Stromrechnung. Die Kosten werden da sehr genau dokumentiert, aber der Nutzen der erneuerbaren Energien, der taucht auf der Stromrechnung nicht auf, der ist versteckt im Strompreis mit drin. Und das dürfen wir nicht vergessen, dass erneuerbare Energien auch eine ganze Reihe von Kosten senkenden Effekten haben.

    Mense: Das müssten wir vielleicht noch ein bisschen aufdröseln. Fakt ist ja, dass die Umlage ab 1. Januar von 3,5 Cent pro Kilowattstunde auf 5,3 Cent erhöht wurde. Das heißt, zwölf Prozent zahlen wir mehr für Strom in diesem Jahr. Das ist ja eine ganze Menge. Trotzdem: Finden Sie das richtig?

    Pehnt: Ja das finde ich insofern richtig, als wir beachten müssen: zum einen tragen erneuerbare Energien dazu bei, dass der Börsenpreis gesenkt wird. Das ist etwas, das finden Sie auf der Stromrechnung nirgendwo. Allein das hat eine Größenordnung von ungefähr einem Cent pro Kilowattstunde. Erneuerbare Energien tragen dazu bei, regionale Wertschöpfung anzustoßen, Arbeitsplätze zu schaffen; auch das finden Sie auf der Stromrechnung nicht. Sie tragen dazu bei, Klimagase einzusparen; die vermiedenen Klimaschäden, die finden Sie auf keiner Stromrechnung. Und schließlich – und das ist vielleicht auch eine Frage oder eine Bitte an den Gesetzgeber – auch die Subventionen für Kohlekraft und für Kernenergie finden Sie nicht auf der Stromrechnung. Und wenn man das alles zusammenzählt, dann wäre sozusagen eine konventionelle Energieumlage, wenn man sie so definieren würde, sogar doppelt so hoch, die man für normale Energieträger zahlen müsste, also für Kohle und Kernenergie. Die wäre doppelt so hoch wie eine Erneuerbare-Energien-Umlage.

    Mense: Dennoch war das ja ein Grund auch für Umweltminister Altmaier, den Solar-Boom zunächst mal ausbremsen zu wollen. Jetzt werden seit Anfang des Jahres sogar nur noch 17 Cent pro Kilowatt für die Dachanlagen bezahlt. Bei den Solarparks ist die Förderung noch geringer. Wenn sich nun auch die Ökostrom-Erzeuger dadurch nicht abbringen lassen, Solaranlagen zu bauen, und ja auch viele Verbraucher nicht, scheint das ja doch der richtige Weg zu sein. Schließlich wollen wir ja mehr Ökostrom. Trotzdem gibt es die Bestrebungen, das auszubremsen. Das erscheint auf den ersten Blick ja auch ziemlich absurd?

    Pehnt: Ja, das ist richtig. Auf der einen Seite haben wir das Fernziel, im Jahr 2020 mindestens 35 Prozent unseres Stroms aus erneuerbaren Energien zu bekommen, und das ist schon ein Wort. Dafür brauchen wir alle erneuerbaren Energieträger. Das ist machbar, aber es ist ehrgeizig. Die Diskussion entzündet sich, glaube ich, auch eher daran, wie der Mix der erneuerbaren auszusehen hat, also wie viel Photovoltaik haben wir, wie viel Windenergie, wie viel Erdwärme, wie viel Biomasse, Wasserkraft, und da, denke ich, müssen wir gerade bei der Windenergie auch darauf achten, dass sie in geeignetem Maße, also in ausreichender Menge mit in diesen Mix hineinfließt. Das ist dann auch eine Sache der Bundesländer, die gefragt sind, die vorhandenen bürokratischen Hürden, die es gibt, abzubauen. Also ich glaube, es ist nicht die Frage der Richtung, wir brauchen viele erneuerbare Energien in einem sehr stark steigendem Maße. Aber die Frage, die wir durchaus stellen müssen, ist die: Wie viel von welchen erneuerbaren Energieträgern wollen wir in diesem Mix drin haben?

    Mense: Noch mal zurück zu den Solaranlagen. Könnten denn die Besitzer solcher Solaranlagen, also sowohl die Privatleute als auch andere Unternehmen, etwas tun, um die Situation zu entschärfen?

    Pehnt: Na ja, zum einen ist ja schon viel passiert. Strom aus Solarzellen ist heute günstiger als Haushaltsstrom, und das ist auch schon ein ganz interessanter Effekt, der da zum tragen kommt. Jemand, der heute eine Solaranlage in seinem Haus hat, auf seinem Dach hat, und der Mittags wäscht, der trägt dazu bei, dass dieser Sonnenstrom eben nicht nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz vergütet werden muss, sondern dass er selber genutzt wird.

    Mense: Das ist natürlich ein bisschen unrealistisch?

    Pehnt: Das ist unrealistisch, aber insgesamt, glaube ich, müssen wir schon dahin kommen, dass unser Energiesystem intelligenter wird, dass wir auch unsere Lasten nicht mehr starr durchfahren - also die Zeiten, wo Nachtspeicherheizungen eingeführt wurden, um den Kernenergiestrom aus der Nacht zu verwenden, die sind vorbei -, sondern wir müssen hinkommen zu einem intelligenteren System. Aber das ist nichts, was jetzt bedeutet, dass man auf Komfort verzichten muss, sondern es bedeutet einfach, dass wir intelligentere Technologien, Steuerungen, auch Speicher brauchen, die das Ganze ermöglichen.

    Mense: Martin Pehnt vom IFEU-Institut über den Ökostrom-Boom trotz geringerer Zuschüsse und höherer Strompreise.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.