Freitag, 19. April 2024

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Erneut Diskussion um "therapeutische Klonen"

Simon: Aus einem geklonten Embryo, der nicht älter ist als vierzehn Tage sollen Stammzellen gewonnen werden, die zur Behandlung von Diabetes eingesetzt werden sollen. Der Embryo wird etwa die Größe eines Stecknadelkopfes haben, wenn er anschließend vernichtet wird. Das ist der Versuch, den Forscher an der Universität in Newcastle in England durchführen wollen und für den die britischen Behörden in der letzten Woche grünes Licht erteilt haben. Seither ist überall in der Welt die Diskussion um das so genannte ”therapeutische Klonen" wiederaufgeflackert. Nach Großbritannien und Südkorea wollen auch Schweden und Japan die Forschung an geklonten Stammzellen erlauben. In Deutschland gilt ein Klonverbot. Das wird von einigen Wissenschaftlern aber auch von manchen Forschungspolitikern beklagt. Am Telefon ist Spiros Simitis, der Vorsitzende des Ethikrates, der sich in dieser Woche mit dem therapeutischen Klonen befassen wird. Guten Tag Herr Simitis.

Moderation: Doris Simon | 16.08.2004
    Simitis: Guten Tag.

    Simon: Herr Simitis, welche Auswirkungen für die Diskussion auch vom Ethikrat erwarten sie von der britischen Genehmigung?

    Simitis: Ich glaube, dass die britische Genehmigung in doppelter Hinsicht eine große Rolle spielt. Zunächst einmal ganz allgemein, weil sie ein weiterer Schritt hin auf das therapeutische Klonen mit Sicherheit ist, gleichviel was man davon hält und zum Zweiten ist es so, Sie dürfen nicht vergessen, dass diese Entscheidung gefällt wird in einem Land, das zugleich Mitglied der Europäischen Union ist und in der Europäischen Union gibt es ohnehin Konflikte über die Forschungsförderung und damit auch Konflikte über den Umgang mit den Embryonen und diese Konflikte werden dadurch noch einmal verschärft.

    Simon: Es gibt seit jeher das Argument derjenigen, die für das therapeutische Klonen sind, die sagen, wir geraten ins Hintertreffen in der Forschung und auch im Ethikrat gibt es Mitglieder, die hinter dieser Forderung stehen. Wird dieses Argument jetzt mehr Gewicht bekommen?

    Simitis: Ich glaube das nicht so ganz aus einem einfachen Grund. Beim therapeutischen Klonen gibt es - ich sage es noch einmal - gleich welche Position man einnimmt, muss man die unterschiedlichen Argumente bedenken, zwei Gegenargumente vor allem. Das eine Gegenargument, das ist das Prinzipiellere und das hat etwas damit zu tun, dass sie notwendigerweise Embryonen schaffen für einen ganz bestimmten Zweck und diese dann auch anschließend vernichten. Das zweite Argument aber auf das es mir jetzt im Augenblick besonders ankommt ist die Meinung, dass wir unter wissenschaftlichen Aspekten noch lange nicht den Punkt erreicht haben, der es erlauben würde, das therapeutische Klonen zu rechtfertigen. Vielmehr müssen wir uns erst mal Gedanken darüber machen: Haben wir alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft, konkret Tierversuche zum Beispiel? Gibt es besondere Gefahren, die wir bedenken müssen? Erst dann kann man dazu übergehen.

    Simon: Herr Simitis, wenn Sie ”wissenschaftlich" sagen, dann sprechen Sie wohl den Punkt an, dass bis jetzt jeder Beweis wirklich letztlich fehlt, dass Stammzellenforschung via therapeutisches Klonen auch wirklich weiter hilft im Kampf gegen Parkinson oder Alzheimer.

    Simitis: So ist es. Und man muss in dieser Diskussion auch immer im Kopf haben, dass sie berechtigterweise in mancher Beziehung Hoffnungen weckt. Sie haben selbst Parkinson eben genannt, Alzheimer kommt zum Beispiel dazu und noch andere Krankheiten mehr. Sie haben dieses Übergewicht wenn Sie so wollen der Hoffnung, die manchmal die Reflektionen stutzt.

    Simon: Sie sprachen eingangs aber auch davon, dass es ja nicht um - ich sage mal Südkorea wie am Anfang geht -, sondern die Erlaubnis in Großbritannien betrifft ein Land, was ganz nahe bei uns ist und auch über die EU uns nahe ist. Denken Sie, dass diese Haltung, die derzeit in Deutschland noch vorwiegt, therapeutisches Klonen Nein, dass die trotzdem aufrecht erhalten werden kann, wenn vielleicht demnächst auch noch Schweden und noch andere nachziehen.

    Simitis: Es ist sehr schwierig zu sagen, weil ich der Meinung bin, dass zum Beispiel die Stellungnahme des Nationalen Ethikrates - wie sie auch immer ausfällt - auch und vor allem den Zweck hat, den Bundestag daran zu erinnern, dass darüber einmal wieder debattiert werden muss. Zum anderen ist es so, dass innerhalb der europäischen Union die Diskussion wieder weiter aufflammen wird und kein Mitgliedsland innerhalb der Union kann gleichgültig sein gegenüber dieser Diskussion, weil seine eigene Forschung davon betroffen wird.

    Simon: Die Meinungen, darüber haben wir vorhin kurz gesprochen, im deutschen Ethikrat gehen ja über das therapeutische Klonen sehr auseinander. Sehen Sie überhaupt eine Möglichkeit eine einheitlichen Empfehlung, eine Stellungnahme, wie sie ja vom Nationalen Ethikrat erwartet wird hinzubekommen?

    Simitis: Ich kann jetzt im Augenblick nichts sagen, außer der Tatsache, dass der Nationale Ethikrat unverändert einhellig der Meinung ist, dass das reproduktive Klonen verboten werden muss und zwar eindeutig verboten werden muss. Beim therapeutischen Klonen sind wir mitten in der Diskussion und da kann ich auch wiederum nur sagen, es gibt sehr differenzierte Meinungen dazu. Mit anderen Worten, es ist nicht so, dass es - wenn Sie so wollen - ein Für und Wider nur gibt, sondern selbst dort, wo sich ein Für bei einzelnen Mitgliedern abzeichnet, wird dieses Für sehr unterschiedlich begründet mit sehr unterschiedlichen Einschränkungen und sehr unterschiedlichen Argumenten.

    Simon: Also verstehe ich Sie richtig, es wird in irgendeiner Form ein Papier geben, aber einheitlich wird es nicht sein?

    Simitis: So sieht es im Augenblick aus.

    Simon: Sie sprachen eine Diskussion an, die auch mal wieder in der Bundesrepublik geführt würde. Haben Sie als Vorsitzender des Nationalen Ethikrates das Gefühl, dass wir in Deutschland etwas Angst haben vor dieser Auseinandersetzung?

    Simitis: Ich finde, dass es sich dabei um eine Frage handelt, die vom Parlament besprochen und entschieden werden muss in vielerlei Hinsicht. Ich meine, dass selbst Kommissionen wie der Nationale Ethikrat keine Substitution des Parlaments sind, sondern nur eine Hilfe für die parlamentarische Auseinandersetzung und es kann nicht sein, dass wir uns nicht ständig vor Augen halten, dass Diskussion in diesem Bereich niemals, wenn Sie so wollen, abschließend in dem Sinne sind, dass wir einmal etwas gesagt haben und immer dabei bleiben, weil - Sie sehen es jetzt am Beispiel des therapeutischen Klonens - Forschung auch und vor allem im Ausland dazu zwingt, sich immer wieder neue Fragen zu stellen. Dafür ist auch das Parlament da und dem kann das Parlament auch nicht entgehen.

    Simon: Der Vorsitzendes des Nationalen Ethikrates war das, Spiros Simitis. Vielen Dank für das Gespräch Herr Simitis.