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Erneut Streit um Minarettbau in der Schweiz

2009 entschieden die Schweizer in einem Referendum, den Bau von Minaretten zu verbieten. Muslimische Organisationen protestierten. Eine Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte scheiterte. Jetzt droht erneut eine Auseinandersetzung.

Von Kirstin Hausen | 23.01.2012
    Ein Wohnviertel von Langenthal im Kanton Bern. Verkehrsberuhigte Straßen, Einfamilienhäuser, bepflanzte Vorgärten. Mittendrin eine Moschee, die gar nicht als solche zu erkennen ist. Grauer Flachbau, davor Parkplätze, ein Fahrradständer. Nur das Klingelschild weist auf die "Islamische Glaubensgemeinschaft Langenthal" hin. Geleitet wird sie von Mutalip Karaademi.

    "Wir sind voll integriert, wir lieben das Land mehr als unsere Heimat. Wir sind normale Menschen wie jeder. Wir respektieren jede Religion, auch unsere und sind auch stolz auf unsere Religion."

    Fast 130 Mitglieder hat die Gemeinschaft, die meisten stammen aus Albanien. Ihr Wunsch: ein Minarett. Vor rund drei Jahren haben sie dafür eine Baugenehmigung beantragt. Auf das Flachdach ihrer Moschee wollen sie es setzen, doch das geht jetzt nicht mehr. Die Schweizer haben per Volksentscheid im November 2009 ein Bauverbot für Minarette in ihre Verfassung einfügen lassen. Gegen die Empfehlung ihrer Regierung, gegen die Erwartungen der Medien.

    Für viele Kommentatoren und Politiker eine unangenehme Überraschung, aber das ist den meisten Schweizern egal. Sie pochen auf der Souveränität des Volkes und haben sich, was internationale Kritik betrifft, ein dickes Fell zugelegt.

    Die Muslime sollten sich besser anpassen statt Minarette zu fordern, meint dieser Mann; und eine junge Frau findet, Minarette gehörten einfach nicht in die Schweiz.

    Die meisten muslimischen Gemeinschaften in der Schweiz haben sich in der Tat/tatsächlich angepasst und Baugesuche für Minarette ohne großes Aufheben zurückgezogen. Um des lieben Friedens willen.

    "Das Ja zum Minarettverbot ist jetzt eine Weile her und die Gemüter haben sich einigermaßen beruhigt. Außer in Langenthal."

    In Langenthal halten die Muslime an ihrem Plan, ein Minarett zu bauen, fest. Schließlich sei ihr Gesuch vor dem Volksentscheid bei der Gemeinde eingegangen. Inzwischen sprechen sie von einem "minarettähnlichen Turm", aber das macht es für Stadtrat Patrick Freudiger auch nicht besser.

    "Die Leute hier haben überhaupt kein Verständnis dafür, obwohl die muslimische Gemeinschaft eigentlich beliebt ist. Probleme haben wir hier bisher nicht gehabt, aber wir haben erwartet, dass die Muslime ihr Minarett-Baugesuch zurückziehen. Das haben sie aber nicht getan und so herrscht jetzt großes Unverständnis."

    Die islamische Gemeinschaft von Langenthal ist ebenso stur wie die schweizerischen Minarettgegner.

    "Warum sollen wir verzichten? Es gibt keinen Grund."

    Mutalip Karaademi kann auch schon einen Sieg davontragen. Die Baudirektion des Kantons Bern hat das Minarett erlaubt, weil das Baugesuch noch vor dem Volksentscheid eingereicht worden war und von diesem deshalb nicht beeinflusst werden dürfe. Doch das Langenthaler Aktionskomitees "Stopp Minarett" hat dagegen vor dem Verwaltungsgericht geklagt. Jetzt muss neu entschieden werden. Und sollte das Urteil gegen den Minarettbau ausfallen, wollen die Muslime aus Langenthal vors Bundesgericht ziehen und sogar bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Der hat zwei Beschwerden gegen das in der Schweizer Verfassung verankerte Bauverbot bereits abgewiesen, weil die Kläger nicht unmittelbar betroffen waren. Das könnten die Richter im Falle der Glaubensgemeinschaft Langenthal anders sehen. Und dann wäre das schweizerische Minarett-Verbot plötzlich wieder zurück in den Schlagzeilen. Den nationalen und internationalen.