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Ernte in schwindelnder Höhe

Wer die grünen harzigen Zapfen der Douglasie sammeln will, der muss hochsteigen - bis in den Wipfel des schlanken immergrünen Nadelbaums in 40 Meter Höhe.

Von Jutta Przygoda |
    Baumpfleger ist sein eigentlicher Beruf, doch zurzeit ist Rüdiger Koberstein unter die Sammler gegangen. Der 47-Jährige hat sich auf das Klettern in Bäume spezialisiert und sieht aus wie ein Bergsteiger. Roter Helm auf dem Kopf und ein Dutzend Karabinerhaken und Seile baumeln am Bauchgurt. Er koordiniert die Arbeit von insgesamt zwölf Zapfenpflückern.

    Mithilfe einer Zwille werden Seile in die Kronen der Douglasien geschossen. An ihnen hangeln sich die Zapfenpflücker wie mit einer Art Flaschenzug in die Höhe. Während die meisten seiner Kollegen diese Seiltechnik anwenden, bevorzugt Rüdiger Koberstein Steigeisen. Dabei krallt sich ein Dorn, der an seinen Füßen befestigt ist, in die Rinde. Dem Baum macht das aufgrund seiner dicken Borke nichts aus. Wie fühlt er sich, wenn er oben in 40 Metern Höhe ankommt?

    "Angst hab ich keine, ich habe Respekt vor der Höhe. Das ist ein Riesenunterschied für mich. Angst lähmt, und Respekt macht wach."

    Und Baumkletterer müssen hoch konzentriert sein. Ein Unfall ist Koberstein und seinen Kollegen noch nie passiert, aber ganz oben wird der Stamm dünn und schwankt. Vor dem Sammeln testet er bei jedem Baum, ob die Qualität der Samen gut ist und die Zapfen reif sind. Darin liegt für den Zapfensammler das eigentliche Risiko.

    "Ich kann mich sichern. Ich kann mich festbinden. Ich weiß, ich falle nicht runter, aber diesen kleinen blöden Zapfen in der Hand zu haben und man versucht ihn aufzuschneiden der Länge nach, da habe ich die meiste Angst mir in den Finger zu schneiden, weil dies tut immer so weh."

    Deshalb ist immer Verbandszeug am Mann und auch Babyöl haben die Zapfenpflücker im Gepäck. Denn die Zweige und Zapfen sondern Baumharz ab, das kräftig an Armen und Händen klebt.

    "Das heißt also zwischen durch immer wieder ölen, das ist die einzige Möglichkeit, dass das Harz sich auflöst."

    Koberstein streift mit den Händen über die Zweige, bis er genügend Zapfen gepflückt hat. Mindestens 30 Kilo pro Baum müssen es laut Forstvermehrungsgesetz sein, sonst ist die Menge für eine zur Ernte zugelassenen Douglasie nicht ausreichend. Dann warnt er kurz: Der Sack mit den gesammelten Zapfen saust aus der Krone hinunter auf den Waldboden. Zwei bis vier Bäume beernten die Pflücker pro Tag. Das sind rund 100 Kilogramm Zapfen. Mehr ist aufgrund der extremen körperlichen Anstrengung und Konzentration nicht möglich. Anschließend werden die Zapfen bei der Saatgut-Beratungsstelle im niedersächsischen Forstamt Oerrel getrocknet und nach Standort sortiert. Aus einer Tonne Douglasienzapfen werden circa zehn kilogramm Saatgut gewonnen. Das reicht für 400.000 neue Pflänzchen. Die Forstbaumschulen in ganz Deutschland warten dringend auf die neue Ernte, sagt Betriebswirt Henry Haase.

    "Weil die Douglasien nur im Abstand mehrerer Jahre wirklich Samen tragen. Es ist so gut wie nichts mehr in den Saatgutlagern und entsprechend haben die Baumschulen Probleme, entsprechende Douglasienpflanzen anzuziehen."

    Dabei ist die Nachfrage groß, denn die Douglasie ist der Klimabaum der Zukunft in Mischwäldern.

    "Er hat eine sehr hohe Trockenheitsresistenz dadurch, dass er tiefer wurzelt als die Fichte, die Nadeln der Douglasie weniger verdunsten als die Fichtennadeln und wir die Hoffnung haben, dass er damit den Klimaveränderungen, die uns ins Haus stehen, besser angepasst ist, als die einheimische Fichte."

    Förster wie Bernd Westphalen bauen die aus Nordamerika stammende Douglasie gern in ihren Wäldern an, denn sie liefert sehr gutes Holz. Wetterfeste Gartenmöbel oder Dielen werden daraus gemacht. Aber auch Masten für Segelschiffe, erzählt der Förster aus dem Rosengarten südlich von Hamburg stolz.

    "Wir haben also schon aus dem Revier mehrere Masten für Schiffe verkauft, zum Beispiel für die 'Thor Heyerdahl' die liegt in Kiel, für die 'Anni von Hamburg' und für die 'Vanadis', das ist die älteste Segeljacht der Welt, hat vor zwei Jahren 2007 zwei Masten aus dem Rosengarten bekommen."

    Doch bis ein Schiffsmast aus den neuen Douglasiensamen gewachsen ist, braucht es ein ganzes Menschenleben. Daran denken die Sammler zurzeit nicht. Sie müssen sich sputen, denn wenn es warm bleibt und die Zapfen platzen, kann die Ernte schnell zu Ende sein.