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Ernüchterung nach dem EU-Gipfel

Auch drei Tage nach dem als "historisch" gefeierten EU-Gipfel will auf den Märkten keine Euphorie aufkommen. Im Gegenteil: Die Ratingaganturen haben ihre Drohungen über eine Herabstufung der Eurozone bekräftigt.

Von Brigitte Scholtes |
    Der Wochenanfang hat Ernüchterung mit sich gebracht. Die Finanzmärkte sind zwar immer noch erleichtert über die Beschlüsse des EU-Gipfels. Sie erkennen an, dass endlich die langfristigen Probleme angepackt worden sind. Aber was passiert bis dahin? Das fragen sich die Marktteilnehmer inzwischen wieder.

    Zwar verlief eine mit Spannung erwartete Auktion italienischer Staatsanleihen glimpflich: Sieben Milliarden Euro liehen Investoren dem hoch verschuldeten Land für ein Jahr und verlangen dafür 5,952 Prozent an Zinsen, bei der letzten Auktion waren es noch mehr als sechs Prozent gewesen.

    Doch die Märkte fürchten schon das nächste Jahr, in dem Italien 300 Milliarden Euro refinanzieren muss. Zwar stelle die Europäische Zentralbank schon reichlich Liquidität zur Verfügung, aber das reiche nicht, meint Kapitalmarktexperte Robert Halver von der Baader Bank:

    "Das Geld kommt nicht dort an, wo es hinmuss, nach Italien und Spanien. Das heißt, die EZB muss ganz klar machen den Banken: Italien und Spanien werden niemals einbrechen, ihr könnt bedenkenlos Italien und Spanien kaufen, weil wir die zwei Länder stützen werden. Im Gegenzug wird man den Ländern eben abverlangen, dass sie Hausaufgaben machen. Das wäre der richtige Weg. Nur: Das muss man auch explizit und klar sagen."

    Doch Volkswirte warnen, ein unbegrenzter Aufkauf von Anleihen der Krisenländer werde letztlich zu Fehlanreizen führen. So sagte Hans-Werner Sinn, Chefvolkswirt des Münchner ifo-Instituts, gestern in der ARD:

    "Wer trägt die Lasten? Jetzt versuchen die Eigentümer dieser Staatspapiere jemanden zu finden, dem sie die praktisch verkaufen können. Die suchen einen Dummen, um es mal ganz deutlich zu sagen. Und der Dumme sind wir als Steuerzahler oder als Rentner. Denn es wird hier eine Institution in Europa geschaffen, die jetzt als Käufer für diese Staatspapiere auftreten soll. Dann wären die Finanzmärkte beruhigt, das ist wohl richtig. Aber ich glaube, die Steuerzahler Europas haben jeden Anlass, beunruhigt zu sein über diese Entwicklung."

    Auch die amerikanische Ratingagentur Moody's zeigt sich unzufrieden mit den Ergebnissen des Gipfels. Viele Beschlüsse seien nicht neu, die Gefährdung der Eurozone bestehe weiter. Die Eurozone und die gesamte EU seien weiter anfällig für externe Schocks, deshalb werde man die Ratings aller EU-Staaten im ersten Quartal des nächsten Jahres genau prüfen.

    Standard & Poor's hatte eine Herabstufung von 15 Euro-Staaten schon in der vergangenen Woche angedroht. Auch wegen der Rating-Agenturen müsse die EZB eingreifen, meint Kapitalmarktexperte Halver:

    "Wenn die S&P- und die Moody's-Rating-Agenturen sehen, dass Italien die Kurve nicht bekommt, haben sie ein wunderbares Argument, die Länder herabzustufen. Dann bekommen sie noch weniger Geld. Würde die EZB aber stützen, können Rating-Agenturen machen, was sie wollten, sie würden sich die Zähne ausbeißen. Ich bin ja per se kein stabilitätsloser Gesell, aber die EZB muss ran."

    Dies werde Inflation nach sich ziehen, weiß auch Halver. Doch die müsse man in Kauf nehmen, meint er:

    "Ich bin auch der festen Überzeugung, dass mittlerweile auch in Berlin oder bei der EZB hier in Frankfurt jeder weiß, dass die Staatsverschuldung Größenordnungen angenommen hat, die wir nur noch über die Inflation wegbekommen. Alles andere ist mathematisch nicht machbar."