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Erschütterung aus Menschenhand

In Basel bebte vor einiger Zeit die Erde, weil Wasser zur geothermischen Energiegewinnung in heißes Granitgestein gepresst wurde. Das Problem tritt aber nicht nur bei geothermischen Bohrungen auf, sondern auch, wenn flüssige Abfälle in den Untergrund verpresst werden. Aber auch bei der Förderung von Öl und Gas.

Von Dagmar Röhrlich |
    Am 9. August 1967 bebte bei Denver die Erde mit einer Magnitude von 5,3. Vor allem im Norden der Stadt entstanden schwere Gebäudeschäden. Als Geowissenschaftler das Ereignis näher untersuchten, kamen sie zu einem ungewöhnlichen Schluss: Ursache war anscheinend das Verpressen von Hunderten Millionen Litern flüssigen Abfalls in den Untergrund. Solche vom Menschen ausgelösten Erdbeben beschäftigen auch Cliff Frohlich vom geophysikalischen Institut der University of Texas in Austin. Allerdings sind die Ereignisse, die er untersucht, sehr viel schwächer, erreichen nur eine Stärke von 3,3. Und ihr Auslöser ist nicht die Abfallbeseitigung, sondern die Gasförderung:

    "In Texas wird Erdgas durch das sogenannte Fracking aus Ölschiefern gewonnen, also indem eine Mischung aus Wasser, Sand und chemischen Additiven in den Untergrund gepresst wird. Am bekanntesten dafür sind die Barnett-Schiefer in der Nähe von Dallas und Fortworth. Seitdem diese Gasförderung dort läuft, spüren die Menschen immer wieder kleine Erdbeben."

    Da in Texas jedoch nur rund ein halbes Dutzend seismischer Stationen arbeitet, werden lediglich größere Beben standardmäßig erfasst und ausgewertet: Kleinere bleiben oft unbemerkt. Erst durch ein geophysikalisches Großprojekt wurden sie erfasst:

    "Seit fünf Jahren zieht im Rahmen der Earthscope-Initiative zur Erkundung des tiefen Untergrunds ein Netzwerk mobiler seismischer Stationen durch die USA. In Texas wurde zwischen 2009 und 2011 gemessen. Das war für mich die perfekte Gelegenheit, nach den kleinen Erdbeben zu suchen, die normalerweise nicht aufgezeichnet und auch nicht wahrgenommen werden."

    Dazu hat Cliff Frohlich die Daten der 25 Stationen ausgewertet, die über dem Gasfördergebiet der Barnett Schiefer aufgebaut worden waren - ein Areal von der Fläche Englands. Das Ergebnis:

    "Ich habe 68 Beben entdeckt, achtmal mehr, als zuvor durch die Routineauswertung des Geologischen Dienstes der Vereinigten Staaten für diesen Zeitraum bekannt waren. Es waren allesamt kleine Ereignisse mit Magnituden zwischen 1,5 und 3. Und 23 dieser Beben konnte ich eindeutig lokalisieren. Sie ereigneten sich innerhalb eines Radius von etwa 3,5 Kilometern um sogenannte Injektionsbohrungen herum, also Bohrlöcher, in die die Fluide für das Fracking verpresst werden."

    Allerdings gibt es in den Barnett Schiefern Tausende von Injektionsbohrungen, und bei den meisten passiert nichts. Die Erdbeben ereigneten sich nur bei denjenigen, in die besonders große Mengen an Fluiden verpresst werden. Und selbst in dieser Gruppe war nur ein Bruchteil der Bohrungen betroffen:

    "Bleibt die Frage, warum das so ist. Meiner Meinung nach spielt eine Rolle, ob sich im näheren Umfeld der Injektionsbohrungen tektonische Störungen befinden, und zwar solche, an denen sich im Lauf der Zeit bereits hohe Spannungen aufgebaut haben: Die verpressten Flüssigkeiten breiten sich im Untergrund aus und wenn sie an diese Störungen geraten, kann sich der tektonische Stress in einem kleinen Beben lösen."

    Wie stark diese Beben werden können, hängt dann von den geologischen Eigenschaften des Untergrunds ab. Wahrscheinlich können die Erdbeben, die der Mensch auslöst, nicht größer werden als die natürlichen in der Region, vermutet Cliff Frohlich:

    "Wenn in einem Gebiet die größten natürlichen Erdbeben bei Magnitude 3,5 liegt, werden auch die menschengemachten in diesem Bereich liegen. Für die Barnett Schiefer wären danach Beben der Stärke 3,5 oder 4 möglich. Wo es schon größere Beben gegeben hat, sind jedoch wohl auch größere induzierte Beben möglich."

    In Texas verstehen viele Menschen nicht, warum sich Cliff Frohlich um die kleinen Erdbeben kümmert, die keinen Schaden anrichten. Das Beispiel Denver zeigt jedoch, dass es sinnvoll ist, die Erdbebengeschichte eines potenziellen Standorts für eine Injektionsbohrung zu prüfen - und ihn mit geophysikalischen Methoden auf verborgene Störungen hin zu untersuchen.