Mulisch: Guten Tag.
Engels: Wie haben Sie auf die Nachricht des Anschlages reagiert, Herr Mulisch?
Mulisch: Fünf Minuten danach rief meine Tochter mich an und erzählte mir, dass er erschossen wurde. Da kamen Tränen in meine Augen.
Engels: Was bedeutet der Mordanschlag auf Pim Fortuyn für die politische Kultur Ihres Landes?
Mulisch: Holland ist jetzt ohne Zweifel ein ganz anderes Land als vorgestern, denn jeder steht noch irgendwie unter Schock. Ich hätte ihn nie gewählt, aber der Mann wird im Ausland und hier als eine Art Faschist dargestellt, wie Haider, nicht wie Le Pen oder Schönhuber, aber wie Haider. Und auch das ist er nicht, denn was ihm völlig fehlte ist Bösartigkeit und der Faschist ist ja das Bösartige an sich. Und das war er überhaupt nicht. Er strahlte irgendwie die Unschuld aus wie ein Junge von acht Jahren und das hat jeder gefühlt, vor allem in dem Moment, als es ihn nicht mehr gab. Hinzu kommt, dass er wusste oder fühlte, dass das geschehen würde. In einem Interview hatte er mal gesagt, dass seine Mutter ihn beschworen hatte, nicht in die Politik zu gehen, denn dann würde er eine Art Kennedy werden, das hat er vor einem halben Jahr gesagt und hat hinzugefügt: ich bin froh, dass meine Mutter nicht mehr lebt.
Engels: Sie haben uns den Menschen Pim Fortuyn beschrieben. Nun gilt oder galt er ja als Galionsfigur der extremen Rechten in den Niederlanden. Erklären Sie uns, wie diese Widersprüchlichkeit, als die sie uns erscheint, zusammenpasst.
Mulisch: Extrem rechts war er nicht. Natürlich war er kein Linker, das ist schon wahr. Wir haben auch mal so eine Partei gehabt wie Eure NPD, so eine protofaschistische Bewegung. Mit dieser Art Leute hatte er überhaupt nichts zu tun. Er hatte eine Mission, fand er selber schon als er 20 Jahre alt war. Was er gesagt hat, war nicht seine Wirkung sondern dass er es sagte und wie er es sagte. Zum Beispiel hat er gesagt, der Islam ist eine zurückgebliebene Religion und so und da fragte man ihn: sprechen Sie manchmal mit Muslimen und dann sagte er: ich gehe sogar mit ihnen ins Bett. So hat er sich geäußert und sagte von sich Sachen, die kein Politiker in der ganzen Welt sich trauen würde zu sagen: dass er homosexuell war und dass er lieber in einen Darkroom ginge als in eine Kirche und solche Sachen. Und wenn man sich das in den Niederlanden mit ihren alten calvinistischen Traditionen vorstellt, dann war das revolutionär. Aber man hat ihn eben deshalb geliebt. Er hat mal gesagt: ich sage, was ich denke und ich tue, was ich sage.
Engels: Aber für die Begrenzung der Zuwanderung hat er sich ja auch ausgesprochen.
Mulisch: Hat er gemacht, hat er dann später wieder zurückgenommen. Er hat immer gesagt: wer drinnen ist, kann drin bleiben, aber wir sollten jetzt mal vorsichtiger werden damit, neue Leute reinzulassen. Das hat er widerrufen. Er war also nicht ganz gerade, das ist schon wahr. Aber auch das hat man von ihm akzeptiert.
Engels: Nun kam ja dieser Anschlag völlig überraschend. Sehen Sie denn unabhängig davon Anzeichen dafür, dass sich das politische Klima in den Niederlanden in den vergangenen Jahren verschärft, verhärtet hat?
Mulisch: Absolut. Wir haben ja auch die Zrebrenica-Sache gehabt vor ein paar Wochen und dann die ganze Sache in Israel, was wir mit dem Anschlag in Amerika am 11. September zu tun hatten - das alles hat hier eine neue Atmosphäre geschaffen und jetzt müssen wir sehen, wie es weitergeht. Gottseidank scheint der Täter ein weißer Holländer zu sein, denn wenn das einer aus Marokko oder ein Türke gewesen wäre, dann wäre hier die Hölle los, das wäre dann Bürgerkrieg. Aber gottseidank ist das nicht der Fall. Wir haben hier eine ganz schwarzen Dame aus Südamerika, die ist so schwarz wie Pech und hilft uns zwei mal die Woche, das Haus sauber zu halten, und als ich die vor zehn Minuten fragte: wie hast du reagiert, als dieser Bericht kam? fing sie an zu weinen. Gerade diese Leute hätten den Rassismus in ihm erkannt aber das war er also nicht.
Engels: Vielen Dank. Wir sprachen mit Harry Mulisch, er ist niederländischer Erfolgsautor, auch in Deutschland sehr bekannt. Die Reaktion auf die Ermordung von Pim Fortuyn. Ich bedanke mich nach Amsterdam.
Engels: Wie haben Sie auf die Nachricht des Anschlages reagiert, Herr Mulisch?
Mulisch: Fünf Minuten danach rief meine Tochter mich an und erzählte mir, dass er erschossen wurde. Da kamen Tränen in meine Augen.
Engels: Was bedeutet der Mordanschlag auf Pim Fortuyn für die politische Kultur Ihres Landes?
Mulisch: Holland ist jetzt ohne Zweifel ein ganz anderes Land als vorgestern, denn jeder steht noch irgendwie unter Schock. Ich hätte ihn nie gewählt, aber der Mann wird im Ausland und hier als eine Art Faschist dargestellt, wie Haider, nicht wie Le Pen oder Schönhuber, aber wie Haider. Und auch das ist er nicht, denn was ihm völlig fehlte ist Bösartigkeit und der Faschist ist ja das Bösartige an sich. Und das war er überhaupt nicht. Er strahlte irgendwie die Unschuld aus wie ein Junge von acht Jahren und das hat jeder gefühlt, vor allem in dem Moment, als es ihn nicht mehr gab. Hinzu kommt, dass er wusste oder fühlte, dass das geschehen würde. In einem Interview hatte er mal gesagt, dass seine Mutter ihn beschworen hatte, nicht in die Politik zu gehen, denn dann würde er eine Art Kennedy werden, das hat er vor einem halben Jahr gesagt und hat hinzugefügt: ich bin froh, dass meine Mutter nicht mehr lebt.
Engels: Sie haben uns den Menschen Pim Fortuyn beschrieben. Nun gilt oder galt er ja als Galionsfigur der extremen Rechten in den Niederlanden. Erklären Sie uns, wie diese Widersprüchlichkeit, als die sie uns erscheint, zusammenpasst.
Mulisch: Extrem rechts war er nicht. Natürlich war er kein Linker, das ist schon wahr. Wir haben auch mal so eine Partei gehabt wie Eure NPD, so eine protofaschistische Bewegung. Mit dieser Art Leute hatte er überhaupt nichts zu tun. Er hatte eine Mission, fand er selber schon als er 20 Jahre alt war. Was er gesagt hat, war nicht seine Wirkung sondern dass er es sagte und wie er es sagte. Zum Beispiel hat er gesagt, der Islam ist eine zurückgebliebene Religion und so und da fragte man ihn: sprechen Sie manchmal mit Muslimen und dann sagte er: ich gehe sogar mit ihnen ins Bett. So hat er sich geäußert und sagte von sich Sachen, die kein Politiker in der ganzen Welt sich trauen würde zu sagen: dass er homosexuell war und dass er lieber in einen Darkroom ginge als in eine Kirche und solche Sachen. Und wenn man sich das in den Niederlanden mit ihren alten calvinistischen Traditionen vorstellt, dann war das revolutionär. Aber man hat ihn eben deshalb geliebt. Er hat mal gesagt: ich sage, was ich denke und ich tue, was ich sage.
Engels: Aber für die Begrenzung der Zuwanderung hat er sich ja auch ausgesprochen.
Mulisch: Hat er gemacht, hat er dann später wieder zurückgenommen. Er hat immer gesagt: wer drinnen ist, kann drin bleiben, aber wir sollten jetzt mal vorsichtiger werden damit, neue Leute reinzulassen. Das hat er widerrufen. Er war also nicht ganz gerade, das ist schon wahr. Aber auch das hat man von ihm akzeptiert.
Engels: Nun kam ja dieser Anschlag völlig überraschend. Sehen Sie denn unabhängig davon Anzeichen dafür, dass sich das politische Klima in den Niederlanden in den vergangenen Jahren verschärft, verhärtet hat?
Mulisch: Absolut. Wir haben ja auch die Zrebrenica-Sache gehabt vor ein paar Wochen und dann die ganze Sache in Israel, was wir mit dem Anschlag in Amerika am 11. September zu tun hatten - das alles hat hier eine neue Atmosphäre geschaffen und jetzt müssen wir sehen, wie es weitergeht. Gottseidank scheint der Täter ein weißer Holländer zu sein, denn wenn das einer aus Marokko oder ein Türke gewesen wäre, dann wäre hier die Hölle los, das wäre dann Bürgerkrieg. Aber gottseidank ist das nicht der Fall. Wir haben hier eine ganz schwarzen Dame aus Südamerika, die ist so schwarz wie Pech und hilft uns zwei mal die Woche, das Haus sauber zu halten, und als ich die vor zehn Minuten fragte: wie hast du reagiert, als dieser Bericht kam? fing sie an zu weinen. Gerade diese Leute hätten den Rassismus in ihm erkannt aber das war er also nicht.
Engels: Vielen Dank. Wir sprachen mit Harry Mulisch, er ist niederländischer Erfolgsautor, auch in Deutschland sehr bekannt. Die Reaktion auf die Ermordung von Pim Fortuyn. Ich bedanke mich nach Amsterdam.