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Erst feste Strukturen, dann intellektueller Anspruch

Hochschulabsolventen fehle immer mehr der Wunsch nach unternehmerischer Selbstständigkeit, sagt Stefan Lake vom Beratungsunternehmen Universum Communication. Die wichtigsten Karriereziele seien Work-Life-Balance, Jobsicherheit, und an dritter Stelle stehe der Wunsch, Führungskraft zu werden.

Stefan Lake im Gespräch mit Kate Maleike | 08.08.2013
    Kate Maleike: Welche Karriereziele haben eigentlich junge Leute, die gerade in Deutschland studieren? Das wollte das internationale Beratungsunternehmen Universum Communications herausfinden und hat über 22.000 Studierende an 135 Hochschulen im Bundesgebiet befragt. Heraus kam: Selbstständigkeit oder Unabhängigkeit stehen bei den Zielen nicht mehr ganz so weit oben wie vielleicht früher noch. Stefan Lake ist verantwortlich für den deutschen Markt bei Universum. Guten Tag, Herr Lake!

    Stefan Lake: Schönen guten Tag!

    Maleike: Warum ist das denn so? Selbstständigkeit und Unabhängigkeit sind offenbar nicht mehr so angesagt.

    Lake: Das ist richtig, das ist ein Trend, den haben wir festgestellt, das hat sich abgezeichnet ab 2010. Nach der wirklich angespannten Wirtschaftslage haben wir festgestellt, dass die Generation Y beziehungsweise die Generation Y [englische Aussprache] Reaktionen gezeigt hat auf diese angespannten Jahre. Zum einen ist die Jobsicherheit gestiegen, also die Stabilität, die Sicherheit im Job, als aber auch dieser sogenannte Entrepreneur-Spirit ist auch signifikant zurückgegangen. Es ist weniger Bereitschaft zu erkennen, ein Risiko einzugehen, beziehungsweise auch unternehmerisch und selbstständig tätig zu sein. Das haben wir in unseren Erhebungen festgestellt, das ist nicht nur in Deutschland der Fall, sondern auch in vielen anderen Volkswirtschaften.

    Maleike: Selbstständigkeit soll es nicht unbedingt sein, vor allen Dingen bei IT-Studierenden und bei Ingenieuren haben Sie das festgestellt. Das ist besonders erstaunlich, denn gerade die IT-Studierenden haben ja gegründet.

    Lake: Ganz genau, gerade die IT-Studierenden sollten gründen, aber es ist ein gesteigertes Sicherheitsbedürfnis da, und weniger Bereitschaft, ein Risiko einzugehen. Das ist ganz klar zu erkennen in den Erhebungen, das hat sich leider verfestigt.

    Maleike: Wenn Sie jetzt die wichtigsten Karriereziele, die Sie in der Umfrage herausgefunden haben, formulieren müssten, was wären da die ersten drei?

    Lake: Wenn wir über alle Subgruppen hinwegschauen, würde ich sagen, zu allererst die Work-Life-Balance, die Jobsicherheit, und an dritter Stelle würde ich sagen, dass wir to-be-a-leader, also eine Führungskraft zu werden, das ist bei den Herren höher im Kurs, als das bei den Damen der Fall ist.

    Maleike: Ein Karriereziel, intellektuell herausgefordert zu sein und unternehmerisch oder kreativ innovativ zu sein, ist offenbar auch nicht mehr so stark gefragt, wenn man ihre Umfrage näher liest. Sie haben das erste mal ja 2008 gefragt. Wie erklären Sie sich das, dass man heutzutage als Hochschulabsolvent nicht mehr intellektuell herausgefordert sein will?

    Lake: Intellektuell – das ist ein sehr, sehr spannender Trend, den Sie ansprechen. Wir haben festgestellt, wenn wir mit Studierenden sprechen in unseren Erhebungen, als aber auch qualitativ, dass die junge Generation es sehr zu schätzen weiß, zuerst in festen Strukturen zu arbeiten und sich in diesen Strukturen zurechtzufinden, dann später in der Transformation des Young Professionals gerne dann wieder den intellektuellen Anspruch suchen, zu Anfang jedoch feste Strukturen sollten vorhanden sein und sollten dementsprechend auch erst einmal kennengelernt werden.

    Maleike: Machen Sie sich da auch einen Reim mit drauf, dass das mit dem Bachelor-Master-System zusammenhängt, sich viele Studierende durch den Bachelor nicht wirklich gut vorbereitet fühlen für die Arbeitswelt?

    Lake: Ja, einmal das, es ist ein richtiger Punkt, den Sie ansprechen, des Weiteren ist es so, dass Sie häufig auch von Studierenden zurückgespielt bekommen, dass es dieses Korsett ist, was einem aufgelegt wird mit Bologna. Man muss sich recht früh mit Wunscharbeitgebern, aber natürlich auch mit dem Studienschwerpunkt auseinandersetzen. Das ist in den klassischen Diplomstudiengängen nicht der Fall gewesen, da hat man während des Grundstudiums noch eine gewisse Orientierungszeit gehabt, das fällt durch Bologna weg, und die Vorbereitung, einfach die Praxiszeit ist meines Erachtens nach zu gering, nicht einheitlich geregelt, das kreiert auch eine gewisse Unsicherheit.

    Maleike: Kommen wir noch mal auf den Ball, den Sie gerne ja auch an die Hochschulen zurückgeben wollen. Wenn denn das Thema Gründen, Unternehmer Sein bei den Studierenden in Deutschland nachlässt – 20 Prozent können sich nach Ihrer Umfrage überhaupt noch vorstellen, ein eigenes Unternehmen zu gründen, das ist ziemlich wenig. Was müssen die Hochschulen tun, damit sich das verändert?

    Lake: Ich habe in Schweden beispielsweise als Beispiel festgestellt, dass häufig Start-ups und Gründer von Start-up-Unternehmen eingeladen wurden zu Vorlesungen, haben dort referiert, und das nimmt eine gewisse Hemmschwelle, das macht das Ganze greifbar für die Studierenden, also die Universitäten stehen in der Pflicht meines Erachtens nach, dort zu motivieren, dort eine Brücke zu schlagen und es auch praxisnah zu präsentieren, was es heißt, einfach mal auch zu motivieren und Strukturen mit an die Hand zu geben, das ist sehr, sehr wichtig, dass eine gewisse Infrastruktur seitens der Universität, seitens der Wissenschaft kreiert wird.

    Maleike: Stefan Lake war das vom Beratungsunternehmen Universum Communications, das über 20.000 Studierende in Deutschland zu Karrierezielen befragt hat. Und das Ganze gibt es auch noch mal im Internet.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.