Peters: Schönen guten Morgen!
Müller: Herr Peters, ist Konfrontation die angemessene Strategie?
Peters: Ach wissen Sie, wir wollen die Konfrontation doch nicht. Eigentlich war das eine ganz leichte, einfache Sache. Die wirtschaftliche Lage ist gut, ist ausgezeichnet, wir haben eine ganz normale Forderung gestellt. An sich hätte man relativ schnell zurandekommen können. Was jetzt passiert ist: Die Arbeitgeber haben einen Konflikt heraufbeschworen, indem sie zwei Dinge in die Tarifrunde hineingezerrt haben und damit das ganze kompliziert haben und wenn Sie so wollen den Konflikt richtig heraufbeschworen haben. Sie wollen erstens eine ertragsabhängige Bezahlung. Damit würde man das gesamte System, was wir bisher haben, auf den Kopf stellen. Zweitens wollen sie darüber hinaus das ganze auch noch auf die betriebliche Ebene zerren, das heißt weg von den Tarifparteien. Beides sind Dinge, die mit der IG Metall nicht gehen. Das wußten die vorher, und weil sie es wußten unterstelle ich, sie sind auf einen Konflikt erpicht.
Müller: Was spricht denn, Herr Peters, gegen eine ertragsabhängige Bezahlung? Das trägt doch dann dem Potential des Unternehmens und den Gewinnen, möglicherweise Verlusten des Unternehmens Rechnung.
Peters: Sehen Sie, die Arbeitnehmer haben bereits das Arbeitsplatzrisiko. Wenn es dem Laden nicht gut geht, dann kann es passieren, daß es weniger Arbeiter gibt bis hin, daß jemand sogar entlassen wird. Jetzt sollen wir auch noch obendrein ein Lohnrisiko einbauen. Das können unsere Leute gar nicht verkraften. Der kann ja nicht zur Bank hingehen und sagen, jetzt müssen sie die Zinsen nachlassen, weil es meinem Unternehmen schlechter geht und der Unternehmer mir weniger bezahlt. Unsere Leute müssen kalkulieren können mit dem Einkommen was sie haben. Wenn es dort irgendwelche Dinge gibt, auf die man Rücksicht nehmen muß, dann muß man das an einer anderen Stelle machen, aber nicht beim Lohn. Hinzu kommt: Jetzt muß ich einmal polemisch werden. Soll denn tatsächlich das Mißmanagement, was der eine oder andere sich leistet, dann aus der Tasche der Leute bezahlt werden? Das ist doch irre, kommt doch gar nicht in Frage.
Müller: Grundsätzlich sind die Unternehmer aber bereit, die Löhne um zwei Prozent zu erhöhen. Was spricht denn dagegen, wenn dann noch eine ertragsabhängige Bezahlung hinzukommt?
Peters: Halt, halt! Das haben wir immer gesagt. On top kann alles bezahlt werden. Wir wollen, daß der Tarifvertrag, so wie das bisher ist, Mindestbedingungen regelt, und dort, wo es den Unternehmen gut geht, bei den Daimlers oder sonstwo, soll on top etwas drauf. Das können die auf der betrieblichen Ebene regeln. Wir wollen aber, daß der Tarifvertrag Mindestbedingungen einhält, weil wir kein zusätzliches Konkurrenzinstrument schaffen wollen, wo die Belegschaften gegeneinander ausgespielt werden. Das ist es, was hier Gesamtmetall verändern will, und da sagen wir nein. Das wußten die aber vorher!
Müller: Sie fordern 6,5 Prozent mehr Lohn. Das ist immer eine Forderung, die sicherlich im Rahmen eines Kompromisses dann nach unten korrigiert wird. Dennoch ist die Zahl relativ hoch. Besteht denn nicht die Gefahr, daß die Arbeitskosten für die Unternehmen dann zu hoch werden und dies wiederum zu Arbeitsplatzverlusten führt?
Peters: Sehen Sie, das ist zu hoch. Es gibt nicht eine einzige Phase der Entwicklung, wo wir in irgendeiner Form gesagt bekommen, diese Forderung ist vernünftig, sondern immer wurde gesagt, zu hoch, zu hoch, zu hoch. - Lassen Sie uns doch mal ein paar Fakten zur Kenntnis nehmen. Wir haben in den letzten fünf Jahren eine Gewinnentwicklung von über 200 Prozent und wir haben, wenn Sie so wollen, eine Reallohnentwicklung von minus sieben Prozent. Hier muß man mal die Kirche im Dorf lassen. Wenn wir jetzt hier mit 6,5 Prozent antreten, dann gibt es Unternehmen, denen es so gut geht, daß die Belegschaften 10, 12, 14 Prozent fordern wollten. Wir haben gesagt, das geht nicht. Man muß alle mitnehmen. Wir wollen den Flächentarifvertrag ja nicht zerstören. Wenn es dann so ist, daß es den anderen so gut geht, dann soll auf das Tarifergebnis das on top gemacht werden.
Müller: Was hat für Sie, Herr Peters, Priorität: neue Arbeitsplätze oder mehr Geld in den Taschen der Beschäftigten?
Peters: Das ist doch überhaupt kein Widerspruch. Entschuldigen Sie mal, Autos kaufen keine Autos. Wenn wir die Autoindustrie, die produzierende Industrie, die Dienstleistungen bezahlen wollen, die in dieser Gesellschaft angeboten werden, dann muß jemand auch zufälligerweise Geld im Portemonnaie haben. Wenn der das nicht bezahlen kann, bedeutet das, daß die Wirtschaft stagniert, daß die Wirtschaft möglicherweise rückläufig ist. Also wir wollen schon etwas für Beschäftigung tun, indem wir die Massenkaufkraft stärken und damit die Wirtschaft wieder floriert.
Müller: Die Produkte müssen wettbewerbsfähig bleiben, gerade auch im europäischen, im internationalen Rahmen.
Peters: Entschuldigen Sie, nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis, daß wir Exportweltmeister sind. Wenn das so ist, daß wir nicht international wettbewerbsfähig wären, weil wir zu hohe Löhne haben, könnten wir ja gar nichts ins Ausland verkaufen. Das ist doch absolut dummes Zeug. Ein zweites Argument. Wenn das so wäre, dann hätten ja alle Länder mit niedrigem Lohn überhaupt keine Arbeitslosigkeit. Portugal, Spanien und so weiter, dort haben wir die höchste Arbeitslosigkeit, während dort, wo wir die höchsten Löhne haben, noch relativ die geringste Arbeitslosigkeit herrscht. Man muß schon einmal die Fakten gelten lassen, die in der Sozialwissenschaft ja zusammengetragen sind.
Müller: Sie haben eben, Herr Peters, schon einmal ganz kurz das Stichwort betriebliche Ebene genannt. Das hängt ja auch zusammen mit einer Flexibilisierung der Flächentarifverträge. Das wird immer wieder von den Arbeitgebern gefordert. Wie flexibel sind Sie denn in diesem Bereich?
Peters: Wissen Sie, wer weiß denn eigentlich schon, daß unsere Tarifverträge alleine heute schon 25 bis 30 Öffnungsklauseln haben, die immer von den Arbeitgebern begründet wurden, man braucht das, die Unternehmer müssen flexibel sein. Ich gucke mir die Wirklichkeit an. Die meisten Unternehmer wissen das erstens überhaupt nicht. Gebraucht werden die zweitens wenn denn überhaupt von einer so erschreckend kleinen Minderheit, daß man genauso gut hätte sagen können, okay, auf Antrag machen wir eine Ausnahme. - Wir wollen die Durchlöcherung des Tarifvertrages genau verhindern, weil es eben nicht so sein kann, daß ein Tarifvertrag nichts mehr regelt, sondern als zusätzliches Konkurrenzunternehmen zwischen den Arbeitnehmern gilt. Das werden wir nicht mitmachen.
Müller: Und die IG Metall damit Macht verlieren würde?
Peters: Das hat gar nichts mit Macht zu tun. Wir hätten genauso die Macht, so oder so, denn regeln tun wir das ja immer noch. Nein, es dreht sich darum: Wir werden Betriebsräte nicht unzulässigerweise noch unter Druck setzen lassen, erpressbar machen jetzt plötzlich auch noch über Lohn und Gehalt, die können sich ja gar nicht wehren. Was wir zusammen, IG Metall mit allen Betriebsräten, in dem ein oder anderen Fall nicht schaffen, das wird doch ein einzelner Betriebsrat überhaupt nicht mehr regeln können. Die Machtverhältnisse verschieben sich doch, und das ist offensichtlich auch gewollt. Wir werden aber eine solche Machtverschiebung zu Ungunsten, zu Lasten der Betriebsräte nicht sehenden Auges billigen.
Müller: Jürgen Peters war das, der Vize-Metall-Chef. Vielen Dank! - Mitgehört auf der anderen Leitung hat nun der Hauptgeschäftsführer der Metall-Arbeitgeber beim Arbeitgeberverband Gesamtmetall, Thomas Vayna. Guten Morgen!
Vayna: Guten Morgen!
Müller: Herr Vayna, Herr Peters hat argumentiert, 200 Prozent Steigerung der Gewinne in den letzten Jahren, Realeinkommensverlust für die Arbeitnehmer von bis zu minus sieben Prozent. Da sollten doch die Arbeitgeber inzwischen etwas drauflegen oder?
Vayna: Das haben wir auch getan, Herr Müller. Wir haben ein vernünftiges und anständiges Angebot unterbreitet. Wir haben gesagt, zwei Prozent mehr Lohn für alle und über diese zwei Prozent hinaus noch einmal 0,5 Prozent, und zwar differenziert nach der betrieblichen Situation.
Müller: Das hat Herr Peters eben bestritten, daß dies so klar ist, zwei Prozent fest und darauf noch diesen Ertragssockel.
Vayna: Das ist aber so, und dieser ertragsabhängige Sockel ist ja eigentlich dafür gedacht, daß die Unternehmen, denen es trotz der allgemein recht anständigen wirtschaftlichen Situation des vergangenen Jahres noch nicht gut geht, ohne Probleme diesen Flächentarifvertrag mittragen können.
Müller: Der Vorwurf der Metaller ist ja auch, daß die Arbeitgeber in den letzten Jahren zu wenig getan haben, neue Stellen zu schaffen.
Vayna: Das kann ich nicht bestätigen. Wir haben eine vernünftige Lohnpolitik gemacht in den Jahren 1997 und 1998. Im Jahr 1997 haben wir den Beschäftigungsabbau gestoppt und im Jahre 1998 haben wir knapp 70 000 neue Arbeitsplätze per saldo geschaffen, das heißt echte neue Arbeitsplätze. Das ist Beschäftigungsaufbau abzüglich Beschäftigungsabbau.
Müller: Wie ist es denn, Herr Vayna, zu erklären, daß es zum Teil jedenfalls solche enormen Gewinnzunahmen gegeben hat, ohne daß die Arbeitnehmer davon profitiert haben?
Vayna: Das mit den Gewinnzunahmen hat etwas mit Mathematik zu tun, aber ich will einmal versuchen, es anders deutlich zu machen. 1993 - das ist das Jahr, von dem die Gewerkschaften immer wieder ausgehen - befanden sich die Gewinne wirklich im tiefsten Keller. Nun sind sie mühsam bis zum Erdgeschoß hochgekommen. Das ist schon eine lange Strecke, aber sie sind noch nicht dort, wo sie sein sollten. Auf der anderen Seite muß man sehen, daß die Einkommenssituation der Arbeitnehmer im Jahr 1993 sehr günstig war. Von dieser Ausgangssituation sind wir ein bißchen nach unten gegangen. Das ist aber schon zu Ende gegangen im vergangenen Jahr. Wir hatten schon 1998 Reallohnzuwächse in der Metallindustrie, und wir würden auch 1999 aufgrund unseres Lösungsvorschlages ganz klar Zuwächse haben. Wie Sie ja wissen, Herr Müller, beträgt die Inflationsrate zur Zeit nur ein halbes Prozent. Von Steuern und Abgaben droht jetzt keine Progression. Wir können also davon ausgehen, daß der Durchschnittsarbeitnehmer aufgrund unseres Lösungsvorschlages ungefähr zwei Prozent mehr echten Kaufkraftzuwachs bekommen würde.
Müller: Sind die Unternehmen gegebenenfalls bereit, im Falle eines moderaten Lohnabschlusses, wie auch immer der konkret aussehen mag, neue Stellen zu schaffen? Gibt es dort Garantien?
Vayna: Nein, Garantien kann es natürlich nicht geben im Tarifvertrag. Sie müssen bedenken, wir haben 7 000 Unternehmen mit ganz unterschiedlicher ökonomischer Lage. Teilweise haben wir nach wie vor gute Entwicklungen bei Auftragseingang und Produktion. Anderswo sieht es ganz schlecht aus. Die Unternehmen werden alle diese Umfelddaten wie etwa Kostensituation, Preissituation und so weiter zusammennehmen und daraus die Personalplanung ableiten. Auf der Verbandsebene können wir dazu keine klaren Aussagen machen. Wir können nur sagen, daß nach aller Erfahrung eine vernünftige Tarifpolitik Beschäftigung sichert und Beschäftigung schafft.
Müller: Wir haben eben bereits mit Herrn Peters über die Flächentarifverträge gesprochen, speziell über die Flexibilisierung. Da fordern die Arbeitgeber immer mehr. Dabei sagen die Gewerkschaften, wir haben bereits sehr, sehr viele Öffnungsklauseln. Reicht das nicht?
Vayna: Wir haben in der Tat eine Menge von Freiheiten bei der Gestaltung der Arbeitszeit. Wo die Gewerkschaft sich aber sehr sperrt ist das, was wir in dieser Tarifrunde vorschlagen, nämlich auch beim Geld etwas zu flexibilisieren. Nun hat Herr Peters den Eindruck erweckt, wir wollten die monatlichen Verdienste der armen Arbeitnehmer auch noch zur Disposition stellen. Das ist nicht der Fall! Wir haben über einen Punkt gesprochen, der ganz klar eingegrenzt ist: das ist das Weihnachtsgeld. Das Weihnachtsgeld, das war unser Vorschlag, sollte, wenn der Betriebsrat das so will und nur für diesen Fall, vom Ertrag des Unternehmens abhängig gemacht werden. Dann könnten die Arbeitnehmer einfach partizipieren. Dann können sie teilhaben an den angeblich durchgängig hohen Gewinnen. Komischerweise sperrt sich die IG Metall dagegen, daß dies stattfinden kann.
Müller: Thomas Vayna war das, der Hauptgeschäftsführer der Metall-Arbeitgeber Gesamtmetall. Vielen Dank für das Gespräch.
Müller: Herr Peters, ist Konfrontation die angemessene Strategie?
Peters: Ach wissen Sie, wir wollen die Konfrontation doch nicht. Eigentlich war das eine ganz leichte, einfache Sache. Die wirtschaftliche Lage ist gut, ist ausgezeichnet, wir haben eine ganz normale Forderung gestellt. An sich hätte man relativ schnell zurandekommen können. Was jetzt passiert ist: Die Arbeitgeber haben einen Konflikt heraufbeschworen, indem sie zwei Dinge in die Tarifrunde hineingezerrt haben und damit das ganze kompliziert haben und wenn Sie so wollen den Konflikt richtig heraufbeschworen haben. Sie wollen erstens eine ertragsabhängige Bezahlung. Damit würde man das gesamte System, was wir bisher haben, auf den Kopf stellen. Zweitens wollen sie darüber hinaus das ganze auch noch auf die betriebliche Ebene zerren, das heißt weg von den Tarifparteien. Beides sind Dinge, die mit der IG Metall nicht gehen. Das wußten die vorher, und weil sie es wußten unterstelle ich, sie sind auf einen Konflikt erpicht.
Müller: Was spricht denn, Herr Peters, gegen eine ertragsabhängige Bezahlung? Das trägt doch dann dem Potential des Unternehmens und den Gewinnen, möglicherweise Verlusten des Unternehmens Rechnung.
Peters: Sehen Sie, die Arbeitnehmer haben bereits das Arbeitsplatzrisiko. Wenn es dem Laden nicht gut geht, dann kann es passieren, daß es weniger Arbeiter gibt bis hin, daß jemand sogar entlassen wird. Jetzt sollen wir auch noch obendrein ein Lohnrisiko einbauen. Das können unsere Leute gar nicht verkraften. Der kann ja nicht zur Bank hingehen und sagen, jetzt müssen sie die Zinsen nachlassen, weil es meinem Unternehmen schlechter geht und der Unternehmer mir weniger bezahlt. Unsere Leute müssen kalkulieren können mit dem Einkommen was sie haben. Wenn es dort irgendwelche Dinge gibt, auf die man Rücksicht nehmen muß, dann muß man das an einer anderen Stelle machen, aber nicht beim Lohn. Hinzu kommt: Jetzt muß ich einmal polemisch werden. Soll denn tatsächlich das Mißmanagement, was der eine oder andere sich leistet, dann aus der Tasche der Leute bezahlt werden? Das ist doch irre, kommt doch gar nicht in Frage.
Müller: Grundsätzlich sind die Unternehmer aber bereit, die Löhne um zwei Prozent zu erhöhen. Was spricht denn dagegen, wenn dann noch eine ertragsabhängige Bezahlung hinzukommt?
Peters: Halt, halt! Das haben wir immer gesagt. On top kann alles bezahlt werden. Wir wollen, daß der Tarifvertrag, so wie das bisher ist, Mindestbedingungen regelt, und dort, wo es den Unternehmen gut geht, bei den Daimlers oder sonstwo, soll on top etwas drauf. Das können die auf der betrieblichen Ebene regeln. Wir wollen aber, daß der Tarifvertrag Mindestbedingungen einhält, weil wir kein zusätzliches Konkurrenzinstrument schaffen wollen, wo die Belegschaften gegeneinander ausgespielt werden. Das ist es, was hier Gesamtmetall verändern will, und da sagen wir nein. Das wußten die aber vorher!
Müller: Sie fordern 6,5 Prozent mehr Lohn. Das ist immer eine Forderung, die sicherlich im Rahmen eines Kompromisses dann nach unten korrigiert wird. Dennoch ist die Zahl relativ hoch. Besteht denn nicht die Gefahr, daß die Arbeitskosten für die Unternehmen dann zu hoch werden und dies wiederum zu Arbeitsplatzverlusten führt?
Peters: Sehen Sie, das ist zu hoch. Es gibt nicht eine einzige Phase der Entwicklung, wo wir in irgendeiner Form gesagt bekommen, diese Forderung ist vernünftig, sondern immer wurde gesagt, zu hoch, zu hoch, zu hoch. - Lassen Sie uns doch mal ein paar Fakten zur Kenntnis nehmen. Wir haben in den letzten fünf Jahren eine Gewinnentwicklung von über 200 Prozent und wir haben, wenn Sie so wollen, eine Reallohnentwicklung von minus sieben Prozent. Hier muß man mal die Kirche im Dorf lassen. Wenn wir jetzt hier mit 6,5 Prozent antreten, dann gibt es Unternehmen, denen es so gut geht, daß die Belegschaften 10, 12, 14 Prozent fordern wollten. Wir haben gesagt, das geht nicht. Man muß alle mitnehmen. Wir wollen den Flächentarifvertrag ja nicht zerstören. Wenn es dann so ist, daß es den anderen so gut geht, dann soll auf das Tarifergebnis das on top gemacht werden.
Müller: Was hat für Sie, Herr Peters, Priorität: neue Arbeitsplätze oder mehr Geld in den Taschen der Beschäftigten?
Peters: Das ist doch überhaupt kein Widerspruch. Entschuldigen Sie mal, Autos kaufen keine Autos. Wenn wir die Autoindustrie, die produzierende Industrie, die Dienstleistungen bezahlen wollen, die in dieser Gesellschaft angeboten werden, dann muß jemand auch zufälligerweise Geld im Portemonnaie haben. Wenn der das nicht bezahlen kann, bedeutet das, daß die Wirtschaft stagniert, daß die Wirtschaft möglicherweise rückläufig ist. Also wir wollen schon etwas für Beschäftigung tun, indem wir die Massenkaufkraft stärken und damit die Wirtschaft wieder floriert.
Müller: Die Produkte müssen wettbewerbsfähig bleiben, gerade auch im europäischen, im internationalen Rahmen.
Peters: Entschuldigen Sie, nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis, daß wir Exportweltmeister sind. Wenn das so ist, daß wir nicht international wettbewerbsfähig wären, weil wir zu hohe Löhne haben, könnten wir ja gar nichts ins Ausland verkaufen. Das ist doch absolut dummes Zeug. Ein zweites Argument. Wenn das so wäre, dann hätten ja alle Länder mit niedrigem Lohn überhaupt keine Arbeitslosigkeit. Portugal, Spanien und so weiter, dort haben wir die höchste Arbeitslosigkeit, während dort, wo wir die höchsten Löhne haben, noch relativ die geringste Arbeitslosigkeit herrscht. Man muß schon einmal die Fakten gelten lassen, die in der Sozialwissenschaft ja zusammengetragen sind.
Müller: Sie haben eben, Herr Peters, schon einmal ganz kurz das Stichwort betriebliche Ebene genannt. Das hängt ja auch zusammen mit einer Flexibilisierung der Flächentarifverträge. Das wird immer wieder von den Arbeitgebern gefordert. Wie flexibel sind Sie denn in diesem Bereich?
Peters: Wissen Sie, wer weiß denn eigentlich schon, daß unsere Tarifverträge alleine heute schon 25 bis 30 Öffnungsklauseln haben, die immer von den Arbeitgebern begründet wurden, man braucht das, die Unternehmer müssen flexibel sein. Ich gucke mir die Wirklichkeit an. Die meisten Unternehmer wissen das erstens überhaupt nicht. Gebraucht werden die zweitens wenn denn überhaupt von einer so erschreckend kleinen Minderheit, daß man genauso gut hätte sagen können, okay, auf Antrag machen wir eine Ausnahme. - Wir wollen die Durchlöcherung des Tarifvertrages genau verhindern, weil es eben nicht so sein kann, daß ein Tarifvertrag nichts mehr regelt, sondern als zusätzliches Konkurrenzunternehmen zwischen den Arbeitnehmern gilt. Das werden wir nicht mitmachen.
Müller: Und die IG Metall damit Macht verlieren würde?
Peters: Das hat gar nichts mit Macht zu tun. Wir hätten genauso die Macht, so oder so, denn regeln tun wir das ja immer noch. Nein, es dreht sich darum: Wir werden Betriebsräte nicht unzulässigerweise noch unter Druck setzen lassen, erpressbar machen jetzt plötzlich auch noch über Lohn und Gehalt, die können sich ja gar nicht wehren. Was wir zusammen, IG Metall mit allen Betriebsräten, in dem ein oder anderen Fall nicht schaffen, das wird doch ein einzelner Betriebsrat überhaupt nicht mehr regeln können. Die Machtverhältnisse verschieben sich doch, und das ist offensichtlich auch gewollt. Wir werden aber eine solche Machtverschiebung zu Ungunsten, zu Lasten der Betriebsräte nicht sehenden Auges billigen.
Müller: Jürgen Peters war das, der Vize-Metall-Chef. Vielen Dank! - Mitgehört auf der anderen Leitung hat nun der Hauptgeschäftsführer der Metall-Arbeitgeber beim Arbeitgeberverband Gesamtmetall, Thomas Vayna. Guten Morgen!
Vayna: Guten Morgen!
Müller: Herr Vayna, Herr Peters hat argumentiert, 200 Prozent Steigerung der Gewinne in den letzten Jahren, Realeinkommensverlust für die Arbeitnehmer von bis zu minus sieben Prozent. Da sollten doch die Arbeitgeber inzwischen etwas drauflegen oder?
Vayna: Das haben wir auch getan, Herr Müller. Wir haben ein vernünftiges und anständiges Angebot unterbreitet. Wir haben gesagt, zwei Prozent mehr Lohn für alle und über diese zwei Prozent hinaus noch einmal 0,5 Prozent, und zwar differenziert nach der betrieblichen Situation.
Müller: Das hat Herr Peters eben bestritten, daß dies so klar ist, zwei Prozent fest und darauf noch diesen Ertragssockel.
Vayna: Das ist aber so, und dieser ertragsabhängige Sockel ist ja eigentlich dafür gedacht, daß die Unternehmen, denen es trotz der allgemein recht anständigen wirtschaftlichen Situation des vergangenen Jahres noch nicht gut geht, ohne Probleme diesen Flächentarifvertrag mittragen können.
Müller: Der Vorwurf der Metaller ist ja auch, daß die Arbeitgeber in den letzten Jahren zu wenig getan haben, neue Stellen zu schaffen.
Vayna: Das kann ich nicht bestätigen. Wir haben eine vernünftige Lohnpolitik gemacht in den Jahren 1997 und 1998. Im Jahr 1997 haben wir den Beschäftigungsabbau gestoppt und im Jahre 1998 haben wir knapp 70 000 neue Arbeitsplätze per saldo geschaffen, das heißt echte neue Arbeitsplätze. Das ist Beschäftigungsaufbau abzüglich Beschäftigungsabbau.
Müller: Wie ist es denn, Herr Vayna, zu erklären, daß es zum Teil jedenfalls solche enormen Gewinnzunahmen gegeben hat, ohne daß die Arbeitnehmer davon profitiert haben?
Vayna: Das mit den Gewinnzunahmen hat etwas mit Mathematik zu tun, aber ich will einmal versuchen, es anders deutlich zu machen. 1993 - das ist das Jahr, von dem die Gewerkschaften immer wieder ausgehen - befanden sich die Gewinne wirklich im tiefsten Keller. Nun sind sie mühsam bis zum Erdgeschoß hochgekommen. Das ist schon eine lange Strecke, aber sie sind noch nicht dort, wo sie sein sollten. Auf der anderen Seite muß man sehen, daß die Einkommenssituation der Arbeitnehmer im Jahr 1993 sehr günstig war. Von dieser Ausgangssituation sind wir ein bißchen nach unten gegangen. Das ist aber schon zu Ende gegangen im vergangenen Jahr. Wir hatten schon 1998 Reallohnzuwächse in der Metallindustrie, und wir würden auch 1999 aufgrund unseres Lösungsvorschlages ganz klar Zuwächse haben. Wie Sie ja wissen, Herr Müller, beträgt die Inflationsrate zur Zeit nur ein halbes Prozent. Von Steuern und Abgaben droht jetzt keine Progression. Wir können also davon ausgehen, daß der Durchschnittsarbeitnehmer aufgrund unseres Lösungsvorschlages ungefähr zwei Prozent mehr echten Kaufkraftzuwachs bekommen würde.
Müller: Sind die Unternehmen gegebenenfalls bereit, im Falle eines moderaten Lohnabschlusses, wie auch immer der konkret aussehen mag, neue Stellen zu schaffen? Gibt es dort Garantien?
Vayna: Nein, Garantien kann es natürlich nicht geben im Tarifvertrag. Sie müssen bedenken, wir haben 7 000 Unternehmen mit ganz unterschiedlicher ökonomischer Lage. Teilweise haben wir nach wie vor gute Entwicklungen bei Auftragseingang und Produktion. Anderswo sieht es ganz schlecht aus. Die Unternehmen werden alle diese Umfelddaten wie etwa Kostensituation, Preissituation und so weiter zusammennehmen und daraus die Personalplanung ableiten. Auf der Verbandsebene können wir dazu keine klaren Aussagen machen. Wir können nur sagen, daß nach aller Erfahrung eine vernünftige Tarifpolitik Beschäftigung sichert und Beschäftigung schafft.
Müller: Wir haben eben bereits mit Herrn Peters über die Flächentarifverträge gesprochen, speziell über die Flexibilisierung. Da fordern die Arbeitgeber immer mehr. Dabei sagen die Gewerkschaften, wir haben bereits sehr, sehr viele Öffnungsklauseln. Reicht das nicht?
Vayna: Wir haben in der Tat eine Menge von Freiheiten bei der Gestaltung der Arbeitszeit. Wo die Gewerkschaft sich aber sehr sperrt ist das, was wir in dieser Tarifrunde vorschlagen, nämlich auch beim Geld etwas zu flexibilisieren. Nun hat Herr Peters den Eindruck erweckt, wir wollten die monatlichen Verdienste der armen Arbeitnehmer auch noch zur Disposition stellen. Das ist nicht der Fall! Wir haben über einen Punkt gesprochen, der ganz klar eingegrenzt ist: das ist das Weihnachtsgeld. Das Weihnachtsgeld, das war unser Vorschlag, sollte, wenn der Betriebsrat das so will und nur für diesen Fall, vom Ertrag des Unternehmens abhängig gemacht werden. Dann könnten die Arbeitnehmer einfach partizipieren. Dann können sie teilhaben an den angeblich durchgängig hohen Gewinnen. Komischerweise sperrt sich die IG Metall dagegen, daß dies stattfinden kann.
Müller: Thomas Vayna war das, der Hauptgeschäftsführer der Metall-Arbeitgeber Gesamtmetall. Vielen Dank für das Gespräch.