Dienstag, 23. April 2024

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Erweiterte DNA-Analyse
"Diskriminierung passiert außerhalb der Ermittlungen"

Laut einem Gesetzentwurf kann bei polizeilichen DNA-Analysen künftig auch die Hautfarbe eines Täters ermittelt werden. Kritiker befürchten Racial Profiling. Die Methode diskriminiere erst mal niemanden, sagte Strafrechtsanwalt Michael Rosenthal im Dlf. Diskriminierung erfolge in der Öffentlichkeit.

Michael Rosenthal im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 02.08.2019
Sicherung der möglichen Tatwaffe an einem Tatort (gestellte Szene)
"Die Polizei weiß sehr gut, dass das nicht zuverlässig ist", sagte der Strafrechtler Michael Rosenthal im Dlf über eine mögliche Erweiterung von DNA-Analysen. (imagebroker / Jochen Tack)
Dirk-Oliver Heckmann: Kaum ist die neue Justizministerin Christine Lambrecht im Amt, schon bringt sie einen Gesetzentwurf auf den Weg, der der Polizei neue Befugnisse bescheren soll. Durften die Beamten auf der Suche nach flüchtigen Tatverdächtigen bei DNA-Analysen nur das Geschlecht feststellen, so geht der Entwurf der Ministerin darüber hinaus: In Zukunft sollen sie auch das Alter, die Haut-, Augen- und die Haarfarbe feststellen dürfen. Lambrecht baut damit auf die Vorarbeiten ihrer Vorgängerin Katharina Barley auf. Union und SPD, die hatten sich im Koalitionsvertrag bereits auf die Änderung verständigt, die allerdings auch Fragen aufwirft. Zugeschaltet ist uns Rechtsanwalt Michael Rosenthal, er ist Mitglied des Strafrechtsausschusses des Deutschen Anwaltsvereins. Schönen guten Tag, Herr Rosenthal!
Michael Rosenthal: Guten Morgen!
Heckmann: Die Ermittlungsbehörden dürfen in Zukunft also DNA-Material auch auf Alter, Haut- und Haarfarbe hin untersuchen, wenn sie einen Tatverdächtigen suchen. Ist das eine richtige Entscheidung?
Rosenthal: Darf ich erst mal ausweichen bitte, weil das sagen Sie so, den Gesetzentwurf kennen wir gar nicht, der ist noch nicht rumgegeistert, der kommt wohl erst noch. Und der zweite Punkt ist, das mit dem Alter leuchtet mir gar nicht ein, das halte ich für Science-Fiction. Da würde mich auch interessieren, wo das herkommt.
Spricht nichts dagegen, Ermittlungsemthoden zu verbessern
Heckmann: Also dem Hauptstadtstudio liegt der Entwurf vor, und das scheint so den Realitäten zu entsprechen.
Rosenthal: Na gut. Dann gehe ich einfach mal davon aus. Also, im Prinzip ist es sicherlich so, dass überhaupt nichts dagegen spricht, Ermittlungsmethoden zu verbessern. Alles, was hilft, Straftäter zu finden – und am besten auch den richtigen –, ist erst mal gut. Damit muss man nicht ein Problem haben.
Heckmann: Wirklich alles?
Rosenthal: Na ja, das sage ich jetzt im Bezug auf diese Maßnahme hier, die da geplant ist. Probleme stellen sich an anderen Stellen, nämlich: Wie geht es später weiter? Wir haben ja als Rechtsanwälte oder als Verteidiger ziemlich traurige Erfahrungen mit neuen Ermittlungsmethoden, denken Sie nur an die Telefonüberwachung, die ursprünglich mal für ganz seltene Ausnahmefälle gedacht war. Und heute ist es im Betäubungsmittelbereich fast die Regel, dass Telefone abgehört werden und dann ganz viele. Da haben wir unsere Sorgen, wie sich das wohl ausweiten würde. Wenn das jetzt vielleicht auf schlimme Straftaten beschränkt ist – ich weiß es nicht, ich kenne den Entwurf nicht, ob so eine Einschränkung überhaupt drin ist –, dann würde das bestimmt irgendwann auch wieder auf Alltagskriminalität, nicht gerade Alltagskriminalität, aber auf die mittlere Kriminalität ausgeweitet werden. Davor haben wir Sorgen.
Heckmann: Soweit also das Problem einer möglichen Ausweitung. Aber vielleicht bleiben wir bei dem, was bisher geplant ist. Ich verstehe Sie richtig, Sie sagen, wenn die Polizei weiß, der Täter einer Vergewaltigung beispielsweise ist weiß oder hat eine schwarze oder eine andere Hautfarbe, dann ist das für die Ermittler von einer hohen Bedeutung, denn dann könnten möglicherweise Täter gefunden werden, die sonst womöglich nicht gefunden würden.
Rosenthal: Sie sprechen mehrere Themen an. Erstens, die Polizei weiß es nicht, sie können nur Wahrscheinlichkeiten ermitteln und damit den Kreis der Verdächtigen etwas einengen. Das ist nicht wesentlich anders, als wenn Sie das Opfer fragen, und das Opfer sagt Ihnen, der war groß, blond und hatte blaue Augen. Es gibt Wahrscheinlichkeiten, dass diese Beschreibung zutrifft, aber so Opfer sind ja oft verschreckt. Und es gibt Wahrscheinlichkeiten, dass die Analyse das richtig eingrenzt, aber es ist eben nicht zuverlässig, aber das wissen die Ermittlungsbehörden natürlich auch. Der zweite Punkt ist, es wird ja öfter mal darauf hingewiesen, dass das in Nachbarländern schon zulässig sei. Stimmt, aber es ist kein einziger Fall bekannt geworden bisher, in dem das wirklich geholfen hätte. Von daher kann man ein bisschen die Augenbrauen heben.
Heckmann: Das heißt, Sie denken, dass das möglicherweise gar nichts bringen wird in der Praxis?
Rosenthal: Wir wissen bis jetzt, es gibt keine Erfahrungen damit. Und es gibt, ich stecke ja da nicht wirklich drin im polizeilichen Alltag, es gibt Verdachtsmomente. So hat doch zum Beispiel, ich meine, es war die Linke, eine Anfrage gestellt im Bundestag, ob etwa bei diesem schrecklichen Fall in Freiburg es geholfen hätte, wenn man diese Methode schon gehabt hätte. Und gerade Baden-Württemberg hat ja einen solchen Gesetzesvorschlag dann auch bald eingebracht. Und das Merkwürdige ist, dass die Antwort der Bundesregierung sagt, das ist Ländersache, da haben wir gar nichts mit zu tun, das können wir überhaupt nicht beantworten – was natürlich Blödsinn ist, das wäre ja eine wissenschaftliche Frage, ob das geholfen hätte oder nicht. Also, es scheint tatsächlich so zu sein, dass es auch in Freiburg nicht geholfen hätte. Es gibt ja dort auch eine Gruppe von Wissenschaftlern, die sich dauernd damit befasst und auch zu dem Ergebnis gekommen ist, diese Ermittlungsmethode hätte in Freiburg nichts, aber auch gar nichts gebracht.
"Natürlich geht es um höchst persönliche Daten"
Heckmann: Sie sind da skeptisch, was den Punkt angeht. Der FDP-Rechtspolitiker Thomae, der hat gesprochen von einem schwerwiegenden Eingriff in Persönlichkeitsrechte, der verhältnismäßig sein müsse. In welchen Fällen wäre er verhältnismäßig und in welchen Fällen nicht aus Ihrer Sicht?
Rosenthal: Schon wieder so eine schwierige Frage. Ja, natürlich geht es um höchst persönliche Daten, die nach der Datenschutzgrundverordnung unter einem ganz besonderen Schutz stehen. Da ist zunächst mal ein grundsätzliches Verbot der Verarbeitung, aber dann kommt irgendwo eine Ausnahme in Absatz zwei, dass bei überwiegendem oder sehr hohem öffentlichen Interesse das dann doch geht. Von daher hat der gute Mann recht, es steht unter dem Regime der Verhältnismäßigkeit. Nur wie tief, bitteschön, ist der Eingriff denn? Ich habe vorhin schon Augenzeuge gesagt. Wenn es auf diese Untersuchungspunkte beschränkt bleibt, das ist nicht viel mehr, als das, was ein Augenzeuge Ihnen auch erzählen könnte. Das ist das äußere Erscheinungsbild, das tragen Sie zu Markt, wenn Sie auf die Straße gehen. Da tue ich mich schwer mit der Vorstellung, das sei ein Eingriff in die Persönlichkeit – oder ein schwerwiegender jedenfalls.
Heckmann: Gut, so viel zu diesem Punkt. Die Grünen gehen noch weiter und lehnen das Vorhaben ab, mit der Begründung, dass diese Ausweitung der DNA-Analyse Diskriminierungen fördere, Stichwort Racial Profiling. Ist da was dran?
Rosenthal: Da ist sicherlich etwas dran, das haben Sie ja bei diesem Vorfall in Frankfurt gesehen, wie schnell die soziale Medienwelt voll war mit bescheuerten Vermutungen.
Heckmann: Sie meinen jetzt den Mord im Frankfurter Hauptbahnhof an dem Achtjährigen.
Rosenthal: Ja, voll mit völlig bescheuerten Vermutungen, die auch der gesunde Menschenverstand schon von sich weist. Nur bin ich nicht ganz sicher, ob man eine Ermittlungsmethode deswegen aufgeben sollte, weil eine große Zahl von Menschen ziemlich blöd ist. Das scheint mir kein stichhaltiger Einwand zu sein.
"Die Polizei weiß sehr gut, dass das nicht zuverlässig ist"
Heckmann: Ziemlich blöd ist, sagen Sie, aber den Grünen geht es ja offenbar darum, dass ganze Gruppen von der Bevölkerung, also Menschen mit nicht weißer Hautfarbe, diskriminiert werden könnten in der Folge einer solchen Analyse.
Rosenthal: Sie werden ja in der Folge einer solchen Analyse erst mal nicht diskriminiert, die Diskriminierung passiert ja außerhalb der Ermittlungsmethoden. Die Polizei weiß sehr gut, dass das nicht zuverlässig ist, die Polizei erinnert sich sehr gut an das Phantom von Heilbronn. Sie wissen, als man da diese Dame aus dem Zigeunermilieu gesucht hat wegen zahlloser, überhaupt nicht zusammenhängender Straftaten. Natürlich gibt es Fehlprognosen und Fehlanalysen, aber das führt nicht zu Diskriminierung durch die Behörden. Das führt zu Diskriminierung in der öffentlichen Wahrnehmung. Allein, das halte ich für kein überzeugendes Argument.
Heckmann: Eine Frage noch, Herr Rosenthal: In manchen Fällen setzt die Polizei bei der Suche nach Tätern ja auch auf Reihenuntersuchungen. Wie problematisch ist diese Gesetzesnovelle mit Bezug darauf?
Rosenthal: Das ist das Schlimmste, schön, dass Sie das ansprechen. Wenn Sie das jetzt kombinieren, dann kriegen Sie möglicherweise dramatische innerfamiliäre Probleme. Sie engen das ein auf eine Familie, einen Clan oder einen Herkunftsbereich, machen eine freiwillige Untersuchung, und dann kann es natürlich zu dramatischen Belastungen von Familienangehörigen kommen durch freiwillige Reihenuntersuchungen, an die der, der sich hat untersuchen lassen, gar nicht gedacht hat. Das ist noch nicht durchdacht, da wird sicherlich im Gesetzgebungsverfahren einiges dazu gesagt werden.
Heckmann: Das Thema wird uns also erhalten bleiben. Herr Rosenthal, ich danke Ihnen!
Rosenthal: Schönen Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.