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Erzählband "Schräge Typen"
Nostalgiegefühl mit Tom Hanks

Tom Hanks ist unter die Schriftsteller gegangen: Der Erzählband "Schräge Typen" des Hollywood-Schauspielers ist jetzt auch in deutscher Übersetzung erschienen. In jeder der Geschichten kommt eine Schreibmaschine vor - wenn auch nicht immer in tragender Rolle.

Von Christoph Schröder | 16.02.2018
    Buchcover Tom Hanks: "Schräge Typen" und ein Portrait von Tom Hanks
    Der Schauspieler Tom Hanks ist mit "Schräge Typen" unter die Schriftsteller gegangen ( Piper Verlag / AFP/Valerie Macon)
    Tom Hanks hat ein exzentrisches Hobby, das aber bei genauer Betrachtung gut in den Gesamtkontext seines Images passt: Hanks sammelt Schreibmaschinen. Mehr als 150 Exemplare umfasst seine Sammlung. Die von ihm mitentwickelte App "Hanx Writer", die Aussehen und Soundkulisse einer mechanischen Schreibmaschine auf die Touchscreens digitaler Medien übertrug, kletterte 2014 in den USA binnen kurzer Zeit an die Spitze der Downloadcharts.
    Es ist also nicht verwunderlich, dass Hanks für sein literarisches Debüt nicht nur den doppeldeutigen Titel "Schräge Typen" gewählt hat – zudem ist jeder Erzählung das Foto eines Objekts aus seiner Sammlung vorangestellt. Und: In jeder der Geschichten kommt eine Schreibmaschine zumindest vor, wenn auch nicht immer in tragender Rolle.
    Eine Schreibmaschine, so heißt es einmal, sei ein Werkzeug, mit dem man die Welt verändern könne. In einer der Erzählungen tritt schließlich ein schrulliger älterer Herr auf, der in seinem Laden ausschließlich altmodische Schreibmaschinen verkauft und der seine Faszination für diese Geräte einer Kundin erklärt:
    "'Sehen Sie her!' Der alte Mann machte eine Geste zu den Schreibmaschinen auf dem Wandregal hin. 'Das sind Maschinen. Sie sind aus Stahl. Entwickelt von Ingenieuren. Sie wurden in Fabriken in Amerika, Deutschland und der Schweiz gebaut. Wissen Sie, warum sie jetzt da auf diesem Regal stehen?'
    'Weil sie zu verkaufen sind?'
    'Weil sie für die Ewigkeit gebaut sind.'"
    Die Schreibmaschine ist ein aussagekräftiges Dingsymbol für die Atmosphäre und für das Weltbild, das Tom Hanks in seinen Stories ausstellt: Nach der Lektüre stellt man ihn sich erst recht als einen grundsympathischen, freundlichen Menschen vor, der sowohl an die zur Zeit erschütterten amerikanischen Grundwerte als auch an die identitätsstiftende Kraft der kapitalistischen Warenproduktion glaubt.
    In diesen Texten wimmelt es von Markennamen und auch für die deutschen Leser wiedererkennbaren Codes, die als Relikte einer vergangenen Welt ein wohliges Nostalgiegefühl hervorrufen. Hanks' Protagonisten sind nicht selten Kinder oder Heranwachsende, deren Sicherheitsgefühl durch Trennung der Eltern oder einen Umzug ins Wanken geraten ist.
    Hanks macht sich Gedanken über das Medienverhalten
    Gleich viermal lässt Hanks in kurzen Zwischenspielen einen alternden Journalisten zu Wort kommen, der den Wandel seines Berufsstandes reflektiert. Dass Hanks sich im Zeitalter des Trumpismus und der Fake News Gedanken über das Medienverhalten macht, ist folgerichtig. Auch die Präsenz einer von der Staatsmacht unabhängigen Presse gehört – oder gehörte – schließlich zum amerikanischen Selbstverständnis, wie nicht zuletzt Hanks' aktueller Film "Die Verlegerin", bei dem Steven Spielberg Regie führte, zeigt. Und diese Passagen schlagen auch wieder den Bogen zu den konventionellen Schreibgeräten und Lesegewohnheiten:
    "Seit den Achtzigern arbeiten wir mit Computern, wobei die ersten Generationen eher 'Textverarbeiter' waren. Al Simmonds würde nicht begreifen, wie immer mehr von uns seit etwa fünf Jahren unsere Zeitung lesen: über die kleinen Wundermaschinen in unserer Hand gebeugt."
    Als Schriftsteller ist Tom Hanks ein Realist, ein bodenständiger Chronist des Alltags. Was genau passiert in diesen Stories?
    Ein etwas phlegmatischer Mann erkennt, dass er dem Hochleistungstempo seiner vormals besten Freundin in einer Beziehung nicht gewachsen ist und weigert sich, sich weiterhin an ihre Anweisungen zu halten. Ein Junge verbringt ein Wochenende mit seiner Mutter und deren neuem Freund und darf am Steuerknüppel eines Flugzeugs sitzen. Eine Frau zieht mit ihren Kindern in ein neues Wohnviertel und steigert sich in eine Aversion gegen den alleinstehenden Nachbarn hinein, obwohl dieser nur ganz unschuldig ein Einstandsgeschenk vorbeigebracht hat.
    Die vielleicht schönste Erzählung des Bandes ist auch die doppelbödigste: Da bereitet ein Mann sich mit seiner Familie im Jahr 1953 auf das Weihnachtsfest vor. Und erst nach und nach kristallisiert sich in kurzen Einschüben heraus, dass dieser Mann noch immer das Trauma eines Krieges mit sich schleppt:
    "Wie fast jeden Abend sah er das blitzartig aufscheinende Bild des zu einer blutroten Wolke explodierenden Soldatenhelms. Er sah den nassen Klumpen dessen, was einmal der Kopf des Mannes gewesen war. Virgil zwang sich, an etwas anderes zu denken, irgendetwas."
    Prinzipiell harmlos
    Dass die manchmal etwas holprige Übersetzung just in dieser Erzählung aus dem Phantomschmerz, den ein Mann in seinem Beinstumpf spürt, einen "Atomschmerz" macht, sei nur am Rande erwähnt.
    Die Lektüre dieser Geschichten tut nicht weh, aber letztendlich bleiben sie, das mag die Kehrseite der Freundlichkeit sein, in einer gewissen Naivität und prinzipiellen Harmlosigkeit stecken. In den Kitsch des amerikanischen Way of Life driftet Hanks dabei glücklicherweise nur ein einziges Mal ab: Wenn er einen illegalen bulgarischen Flüchtling unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg durch Big Apple streifen lässt, wo der Mann die ihn umgebende wundersame Welt erkundet, um schließlich die Chance zu bekommen, als Tellerwäscher seine Zukunft anpacken zu dürfen, wird es schon arg klischeelastig:
    "Assan ging durch die Straßen, spürte sein glattes Gesicht und roch das Rasierwasser, während die Sommernacht über New York, New York hereinbrach und die Lichter eine neue Wärme annahmen. Er sah so viele erstaunliche Dinge: Ein Fenster voll mit Grillhähnchen, die sich zu Dutzenden auf mechanischen Spießen drehten, einen Mann, der mechanische Spielzeugautos verkaufte, und ein Restaurant mit einer Wand ganz aus Glas, in dem die Amerikaner an Tischen und auf Hockern an einer langen Theke saßen."
    Im Grunde arbeitet Tom Hanks in seinen Erzählungen noch einmal die Rollen und Stationen seiner beeindruckenden Karriere ab. Es muss trotzdem klar gesagt werden: Als Schauspieler spielt Hanks in einer anderen Liga denn als Schriftsteller.
    Tom Hanks: Schräge Typen
    Aus dem amerikanischen Englisch von Werner Löcher-Lawrence
    Piper Verlag, München, 346 Seiten, 22 Euro