Immer mehr Väter bringen ihren Nachwuchs morgens in die Kindertagesstätte oder holen ihn am Nachmittag ab. Doch in den pädagogischen Einrichtungen treffen Kinder wie Eltern fast nur auf Frauen. Der Männeranteil im Erzieherberuf dümpelte lange unter drei Prozent. Ändern wollte das die Initiative Mehr Männer in Kitas: Ein vom europäischen Sozialfonds unterstütztes Bundesprogramm finanzierte von 2011 bis Ende dieses Jahres 16 Modellprojekte in den Bundesländern.
Die Kampagne in Nordrhein-Westfalen koordinierte der Caritasverband im Erzbistum Köln. Guido Soriano-Eupen ist Erzieher in einem katholischen Kindergarten:
"Mich hat schon immer fasziniert, mit Kindern zu arbeiten. Kinder sind noch wirklich unbeschwert. Ich möchte bei den Kindern erreichen, dass sie in einer angstfreien Umgebung aufwachsen, dass sie selbständig werden, eigenverantwortlich handeln können. Dass sie mit sich selber auch zufrieden sind, auch Nein sagen können, nicht alles über sich ergehen lassen. Sondern eigene Persönlichkeiten werden.”
Der 44-Jährige ist in der Kita der einzige Mann unter elf Kolleginnen. Statistisch betrachtet liegt die Tagesstätte damit schon über dem Durchschnitt. Nach den letzten Zahlen sind inzwischen gut vier Prozent des Personals männlich - Aushilfskräfte und Praktikanten sind dabei schon mitgerechnet. Möchten die Frauen also lieber unter sich bleiben? Gabriele Korten-Lüngen widerspricht. Sie leitet die Tagesstätte St. Engelbert, in der Erzieher Soriano-Eupen arbeitet - und wünscht sich mehr Männer.
"Ich finde es sehr bereichernd, mit Männern zusammenzuarbeiten. Das Miteinander ist anders, erfrischender. Natürlich auch Kleinigkeiten, wie mal Wasserkästen schleppen, von der körperlichen Situation stehen sie auch ein bisschen anders da wie die meisten Frauen. Und natürlich für die Jungs, sei es das Fußballspielen auf dem Hof, eine andere Art im Umgang mit den Kindern. Es gibt halt Unterschiede zwischen Männern und Frauen, und das merkt man dann auch bei der Arbeit.”
Nicht nur Jungen suchen männliche Vorbilder außerhalb der Familie - auch Mädchen brauchen Männer als das andersgeschlechtliche Gegenüber. Das klingt banal, wurde in der frühpädagogischen Fachdiskussion aber lange vernachlässigt. Eine Studie der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin kam 2010 zu dem Ergebnis: Auch die Eltern halten eine Steigerung des Männeranteils für wünschenswert.
Im Rahmen des Bundesprogramms entwickelten Träger von Kindertageseinrichtungen daraufhin innovative Ideen, um den Anteil der männlichen Erzieher zu steigern. Ein Schwerpunkt der Initiative des Kölner Caritas-Verbandes waren Fortbildungen für männliche Mitarbeiter. Daran teilgenommen hat auch Erzieher Soriano-Eupen:
"Ich habe ein Seminar mitgemacht, das hieß 'Generalverdacht'. Da ging es darum, dass Männer in Kindertageseinrichtungen immer unter dem Verdacht stehen, Pädophile zu sein. Jeder, der mit Kindertageseinrichtungen zu tun hat, sollte auch kritisch beschaut werden. Das ist einfach das höchste Gut, was wir haben, dass man uns die Kinder anvertraut. Da sollte man kritisch schauen, aber nicht zu kritisch.”
Die Diskussion um sexuellen Missbrauch war für die Imagekampagne der letzten drei Jahre ein großes Hindernis. Manche Kindergärten fragen bei Bewerbungen von Männern inzwischen bei früheren Arbeitgebern nach oder verlangen ein polizeiliches Führungszeugnis. Kita-Leiterin Korten-Lüngen spricht aber auch mit Eltern, die gezielt nach einer männlichen Fachkraft fragen.
"Wir haben Anmeldungen, dass alleinerziehende Mütter sagen: Ich hätte gern, dass mein Kind in die Gruppe kommt, wo der Kollege arbeitet, damit das Kind auch eine männliche Bezugsperson hat.”
"Wo schon Männer sind, gehen auch Männer hin”, lautet eine Erfahrung jener Kitas, die einen höheren Anteil von Erziehern aufweisen als der Durchschnitt. Die männlichen Pädagogen fühlen sich offenbar wohler, wenn sie nicht der einzige Mann in ihrer Kindertagesstätte bleiben.
Das Programm "Mehr Männer in Kitas” hat den Männeranteil bisher nur geringfügig steigern können, allerdings dauert die Ausbildung zum Erzieher drei Jahre. Die Berufswahl vieler männlicher Jugendlicher ist nach wie vor von traditionellen Rollenbildern geprägt: An Autos zu schrauben oder Maschinen zu warten gilt in der Clique der Gleichaltrigen häufig mehr als die Arbeit mit Kindern. Das könnte sich künftig ändern, schon wegen der guten Jobchancen in pädagogischen Berufen. Allerdings müsste sich auch die niedrige Bezahlung dieser Berufe unbedingt verbessern.