Dirk-Oliver Heckmann: Es ist erst 18 Monate her, da ist der Radikalislamist Mahmud Ahmadinedschad überraschend zum Präsidenten des Iran gewählt worden. Mit einer Mischung aus antiamerikanischen und antisemitischen Slogans und Versprechungen sozialpolitischer Art hatte er die Mehrheit der Wähler hinter sich bringen können. Seitdem hält das Regime mit seiner kompromisslosen Haltung zum Atomkonflikt und mit immer neuen Drohungen gegenüber Israel die Welt in Atem. Bei den jüngsten Wahlen aber haben die Islamisten eine herbe Niederlage einfahren müssen, ein Zeichen dafür, dass sich die Menschen abwenden von der Rhetorik ihres Präsidenten? Rolf Mützenich von der SPD ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestags und gerade von einer Reise in den Iran zurückgekehrt. Ihn begrüße ich jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Mützenich!
Rolf Mützenich: Guten Morgen, Herr Heckmann!
Heckmann: Herr Mützenich, Beobachter werten die Wahl im Iran als Zeichen für einen grundlegenden Wandel in der Gesellschaft. Sie haben jetzt die Gelegenheit gehabt, sich selbst ein Bild davon zu machen. Trifft die Analyse aus Ihrer Sicht zu? Verändert sich etwas im Iran?
Mützenich: Das finde ich etwas übertrieben, einen grundlegenden Wandel konnte ich eigentlich nicht feststellen, aber es ändert sich etwas im Iran. Und es hat sich auch vorher immer etwas geändert, weil wir natürlich durchaus immer ein Schwarz-Weiß-Bild, gerade durch die Person Ahmadinedschads, im Auge hatten. Und es gab schon damals eine unterschiedliche Bewegung, auch unterschiedliche Interpretationen von der Lösung von Problemen. Und ich glaube, dass gerade jetzt sich gezeigt hat, dass das konservative Lager, das damals noch geschlossen für Ahmadinedschad war, diesmal getrennt in die Wahlen gezogen ist.
Heckmann: Kann man denn soweit gehen zu sagen, dass der Versuch, die Gesellschaft weiter zu islamisieren zum Stillstand gekommen ist?
Mützenich: Ja, es ist ja sowieso ein sehr vielfältiges Bild, was man unter Islam im Iran versteht. Und die Theokratie ist ja nun nicht gerade unumstritten. Wenn man durch die Straßen Teherans geht, hat man nicht den Eindruck, dass man ständig mit diesem Mullah-Regime konfrontiert ist, im Gegenteil, es gibt eine sehr westliche, gerade durch jüngere Menschen ausgerichtete Gesellschaft. Und ich glaube, dass der Wandel gerade in der iranischen Gesellschaft sehr deutlich ist. Und ich glaube, das wissen auch die Vertreter des Islam.
Heckmann: Wir haben in den vergangenen Wochen und Monaten Streiks von Arbeitern gesehen, Demonstrationen von Studenten, auch Widerstand von Journalisten, Künstlern und Schriftstellern. Das heißt, die Zivilgesellschaft im Iran, die lebt, die ist lebendig?
Mützenich: Die lebt auf jeden Fall, und ich habe auch Gelegenheit gehabt, zum Beispiel mit Vertretern von Arbeiterorganisationen zu sprechen, die auch sogar Vertreter im Parlament haben. Das ist nicht unmittelbar mit unserer Gewerkschaft und mit der Gewerkschaftsbewegung zu vergleichen, aber durchaus die Entstehung und das Einklagen von Arbeiterrechten und insbesondere eine gerechte Verteilung des doch wirklich durch die Erdöleinnahmen vorhandenen Staatsreichtums, das wird dort diskutiert, und das wird auch offen diskutiert. Und deren Zeitung konnte ich sehen. Und sie versuchen, das jeden Tag am Leben zu halten.
Heckmann: Herr Mützenich, was man vielleicht sagen kann nach den Wahlen ist wohl der Befund, dass der Populismus von Ahmadinedschad an Wirkung verloren hat. Dennoch, die Niederlage der Radikalislamisten bedeutet nicht gleichzeitig einen Sieg der Reformer.
Mützenich: Nein, das würde ich nicht sehen. Ich glaube, dass Rafsandschani als Person wieder zurück ist, und ich glaube, es war auch durch den religiösen Führer beabsichtigt, ein Gegengewicht an dieser Stelle zu schaffen. Und er hat ja auch in den letzten Monaten gegenüber Ahmadinedschad sich durchaus auch einmal kritisch verhalten und hat gesagt, es geht letztlich nicht nur um das Atomprogramm, sondern es geht im Grunde genommen um die soziale Zukunft des Landes. Und das hat Ahmadinedschad bisher nicht erfüllt.
Heckmann: Und das Spektrum derjenigen, die eben gegen die Radikalislamisten angetreten sind, Sie haben es gerade schon angedeutet, ist bunt, ist breit.
Mützenich: Auf jeden Fall. Ich konnte jetzt nicht unmittelbar sehen, dass es dort eine gemeinsame Bewegung gibt. Wir sollten uns aber davor hüten, dadurch unmittelbare Rückschlüsse auf die Auseinandersetzung mit dem Atomprogramm zu ziehen, weil: Dies ist eigentlich eine nationale Klammer zwischen allen Bewegungen. Ich will von Parteien da gar nicht so sprechen.
Heckmann: Das heißt, Sie würden sagen, dass der Wahlausgang überhaupt gar keinen Einfluss auf die Atomfrage, auf den Atomstreit haben wird?
Mützenich: Doch, es wird auf jeden Fall Einfluss haben, insbesondere dann, wenn von unserer Seite dieser Wahlausgang auch dazu benutzt wird, unsere Gesprächsbereitschaft nach einem möglichen Beschluss im Sicherheitsrat zu signalisieren. Da gibt es, glaube ich, Personen, da wird es Gruppen geben, die zumindest auf diese Gesprächsbereitschaft reagieren. Der erste Testfall wird sein, wie der Iran offiziell dann auf den Sicherheitsratsbeschluss reagieren wird. Das ist ein Testfall. Und dann muss man sehen, wird diese Gesprächsbereitschaft, die wir nach meinem Dafürhalten durchaus bereithalten sollten, auch genutzt?
Heckmann: Haben Sie von dieser Gesprächsbereitschaft auf iranischer Seite etwas gespürt bei Ihren Gesprächen?
Mützenich: Ja, das muss ich schon sagen. Ich glaube, es gibt dort durchaus eine Erwartung, dass der Sicherheitsrat zu einem Beschluss kommt. Man ist natürlich immer noch gespannt, wie wird das aussehen? Wenn es sich auf die proliferationsrelevanten Teile bezieht, also das, was uns ja die größten Sorgen an dem Atomprogramm macht, dann glaube ich, wird die eine oder andere Gruppe im Iran und innerhalb der Staatsführung und an anderer Stelle durchaus wissen, dass wir dies gezielt machen. Wenn es sich ausschließlich komplett auf das Atomprogramm beziehen wird, wird natürlich, glaube ich, die Reaktion im Iran viel heftiger sein. Also es kommt darauf an, dass wir kluge, gezielte Sanktionen auch im Sicherheitsrat beschließen.
Heckmann: Kluge, gezielte Sanktionen - welche Maßnahmen gehören aus Ihrer Sicht dazu und welche nicht?
Mützenich: Ich glaube, dass es insbesondere darauf ankommt, die Dinge die uns Sorgen machen - das ist natürlich der Schwerwasserreaktor in Arak, das sind die proliferationsrelevanten Teile, die sich im Bereich der Uran-Anreicherung beziehen und insbesondere, wo der Iran noch keine Aufklärung gemacht hat. Darauf muss natürlich die Sicherheitsratsresolution Antwort geben. Und wir haben ja auch internationales Recht zu beantworten. Und ich habe auch im Iran bei den Gesprächspartnern gesagt, wenn ihre Reaktion innerhalb oder mit dem Instrumentarium des internationalen Rechts auch sozusagen eine Antwort ist, dann ist das etwas, wo ich glaube, dass die internationale Gemeinschaft damit umgehen kann. Aber zum Beispiel noch das Herunterfahren der Inspektionen bei der Internationalen Atomenergiebehörde, das wäre genau das falsche Signal.
Heckmann: Herr Mützenich, der Einfluss des Iran auch auf die Lage im Irak ist gestiegen. Die "Washington Post" hat jetzt einen saudischen Bericht zitiert, wonach der Iran im Irak faktisch einen schiitischen Staat aufgebaut habe. Müssen wir versuchen, muss der Westen versuchen, den Einfluss des Iran in diesem Land zu beschränken oder muss der Iran integriert werden in eine Friedenslösung?
Mützenich: Nein, ich glaube, es geht letztlich darum, dass wir uns klarmachen müssen, dass der Iran durch die verschiedenen Kriege, die dort geführt worden sind, an Einfluss gewonnen hat. Und ich glaube, es wäre klug letztlich, wenn auch die USA sich nach dem Baker-Bericht überlegen würden, diese Gespräche mit dem Iran über den Irak zu führen. Meines Wissens findet das ja gerade auch in Bagdad unmittelbar statt, aber wir sollten diese Gespräche auch letztlich dazu nutzen, an anderer Stelle für Kompromissbereitschaft zu werben. Ich glaube, es ist immer richtig, zu versuchen zumindest, Gesprächsbereitschaft zu signalisieren und nicht allein in den Kategorien von Gut und Böse zu denken, dann finden wir nie zueinander.
Heckmann: Zu den Konsequenzen aus den Wahlen im Iran war das der Außenexperte der SPD, Rolf Mützenich, hier im Deutschlandfunk. Herr Mützenich, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Mützenich: Ja, gerne, Herr Heckmann. Alles Gute.
Rolf Mützenich: Guten Morgen, Herr Heckmann!
Heckmann: Herr Mützenich, Beobachter werten die Wahl im Iran als Zeichen für einen grundlegenden Wandel in der Gesellschaft. Sie haben jetzt die Gelegenheit gehabt, sich selbst ein Bild davon zu machen. Trifft die Analyse aus Ihrer Sicht zu? Verändert sich etwas im Iran?
Mützenich: Das finde ich etwas übertrieben, einen grundlegenden Wandel konnte ich eigentlich nicht feststellen, aber es ändert sich etwas im Iran. Und es hat sich auch vorher immer etwas geändert, weil wir natürlich durchaus immer ein Schwarz-Weiß-Bild, gerade durch die Person Ahmadinedschads, im Auge hatten. Und es gab schon damals eine unterschiedliche Bewegung, auch unterschiedliche Interpretationen von der Lösung von Problemen. Und ich glaube, dass gerade jetzt sich gezeigt hat, dass das konservative Lager, das damals noch geschlossen für Ahmadinedschad war, diesmal getrennt in die Wahlen gezogen ist.
Heckmann: Kann man denn soweit gehen zu sagen, dass der Versuch, die Gesellschaft weiter zu islamisieren zum Stillstand gekommen ist?
Mützenich: Ja, es ist ja sowieso ein sehr vielfältiges Bild, was man unter Islam im Iran versteht. Und die Theokratie ist ja nun nicht gerade unumstritten. Wenn man durch die Straßen Teherans geht, hat man nicht den Eindruck, dass man ständig mit diesem Mullah-Regime konfrontiert ist, im Gegenteil, es gibt eine sehr westliche, gerade durch jüngere Menschen ausgerichtete Gesellschaft. Und ich glaube, dass der Wandel gerade in der iranischen Gesellschaft sehr deutlich ist. Und ich glaube, das wissen auch die Vertreter des Islam.
Heckmann: Wir haben in den vergangenen Wochen und Monaten Streiks von Arbeitern gesehen, Demonstrationen von Studenten, auch Widerstand von Journalisten, Künstlern und Schriftstellern. Das heißt, die Zivilgesellschaft im Iran, die lebt, die ist lebendig?
Mützenich: Die lebt auf jeden Fall, und ich habe auch Gelegenheit gehabt, zum Beispiel mit Vertretern von Arbeiterorganisationen zu sprechen, die auch sogar Vertreter im Parlament haben. Das ist nicht unmittelbar mit unserer Gewerkschaft und mit der Gewerkschaftsbewegung zu vergleichen, aber durchaus die Entstehung und das Einklagen von Arbeiterrechten und insbesondere eine gerechte Verteilung des doch wirklich durch die Erdöleinnahmen vorhandenen Staatsreichtums, das wird dort diskutiert, und das wird auch offen diskutiert. Und deren Zeitung konnte ich sehen. Und sie versuchen, das jeden Tag am Leben zu halten.
Heckmann: Herr Mützenich, was man vielleicht sagen kann nach den Wahlen ist wohl der Befund, dass der Populismus von Ahmadinedschad an Wirkung verloren hat. Dennoch, die Niederlage der Radikalislamisten bedeutet nicht gleichzeitig einen Sieg der Reformer.
Mützenich: Nein, das würde ich nicht sehen. Ich glaube, dass Rafsandschani als Person wieder zurück ist, und ich glaube, es war auch durch den religiösen Führer beabsichtigt, ein Gegengewicht an dieser Stelle zu schaffen. Und er hat ja auch in den letzten Monaten gegenüber Ahmadinedschad sich durchaus auch einmal kritisch verhalten und hat gesagt, es geht letztlich nicht nur um das Atomprogramm, sondern es geht im Grunde genommen um die soziale Zukunft des Landes. Und das hat Ahmadinedschad bisher nicht erfüllt.
Heckmann: Und das Spektrum derjenigen, die eben gegen die Radikalislamisten angetreten sind, Sie haben es gerade schon angedeutet, ist bunt, ist breit.
Mützenich: Auf jeden Fall. Ich konnte jetzt nicht unmittelbar sehen, dass es dort eine gemeinsame Bewegung gibt. Wir sollten uns aber davor hüten, dadurch unmittelbare Rückschlüsse auf die Auseinandersetzung mit dem Atomprogramm zu ziehen, weil: Dies ist eigentlich eine nationale Klammer zwischen allen Bewegungen. Ich will von Parteien da gar nicht so sprechen.
Heckmann: Das heißt, Sie würden sagen, dass der Wahlausgang überhaupt gar keinen Einfluss auf die Atomfrage, auf den Atomstreit haben wird?
Mützenich: Doch, es wird auf jeden Fall Einfluss haben, insbesondere dann, wenn von unserer Seite dieser Wahlausgang auch dazu benutzt wird, unsere Gesprächsbereitschaft nach einem möglichen Beschluss im Sicherheitsrat zu signalisieren. Da gibt es, glaube ich, Personen, da wird es Gruppen geben, die zumindest auf diese Gesprächsbereitschaft reagieren. Der erste Testfall wird sein, wie der Iran offiziell dann auf den Sicherheitsratsbeschluss reagieren wird. Das ist ein Testfall. Und dann muss man sehen, wird diese Gesprächsbereitschaft, die wir nach meinem Dafürhalten durchaus bereithalten sollten, auch genutzt?
Heckmann: Haben Sie von dieser Gesprächsbereitschaft auf iranischer Seite etwas gespürt bei Ihren Gesprächen?
Mützenich: Ja, das muss ich schon sagen. Ich glaube, es gibt dort durchaus eine Erwartung, dass der Sicherheitsrat zu einem Beschluss kommt. Man ist natürlich immer noch gespannt, wie wird das aussehen? Wenn es sich auf die proliferationsrelevanten Teile bezieht, also das, was uns ja die größten Sorgen an dem Atomprogramm macht, dann glaube ich, wird die eine oder andere Gruppe im Iran und innerhalb der Staatsführung und an anderer Stelle durchaus wissen, dass wir dies gezielt machen. Wenn es sich ausschließlich komplett auf das Atomprogramm beziehen wird, wird natürlich, glaube ich, die Reaktion im Iran viel heftiger sein. Also es kommt darauf an, dass wir kluge, gezielte Sanktionen auch im Sicherheitsrat beschließen.
Heckmann: Kluge, gezielte Sanktionen - welche Maßnahmen gehören aus Ihrer Sicht dazu und welche nicht?
Mützenich: Ich glaube, dass es insbesondere darauf ankommt, die Dinge die uns Sorgen machen - das ist natürlich der Schwerwasserreaktor in Arak, das sind die proliferationsrelevanten Teile, die sich im Bereich der Uran-Anreicherung beziehen und insbesondere, wo der Iran noch keine Aufklärung gemacht hat. Darauf muss natürlich die Sicherheitsratsresolution Antwort geben. Und wir haben ja auch internationales Recht zu beantworten. Und ich habe auch im Iran bei den Gesprächspartnern gesagt, wenn ihre Reaktion innerhalb oder mit dem Instrumentarium des internationalen Rechts auch sozusagen eine Antwort ist, dann ist das etwas, wo ich glaube, dass die internationale Gemeinschaft damit umgehen kann. Aber zum Beispiel noch das Herunterfahren der Inspektionen bei der Internationalen Atomenergiebehörde, das wäre genau das falsche Signal.
Heckmann: Herr Mützenich, der Einfluss des Iran auch auf die Lage im Irak ist gestiegen. Die "Washington Post" hat jetzt einen saudischen Bericht zitiert, wonach der Iran im Irak faktisch einen schiitischen Staat aufgebaut habe. Müssen wir versuchen, muss der Westen versuchen, den Einfluss des Iran in diesem Land zu beschränken oder muss der Iran integriert werden in eine Friedenslösung?
Mützenich: Nein, ich glaube, es geht letztlich darum, dass wir uns klarmachen müssen, dass der Iran durch die verschiedenen Kriege, die dort geführt worden sind, an Einfluss gewonnen hat. Und ich glaube, es wäre klug letztlich, wenn auch die USA sich nach dem Baker-Bericht überlegen würden, diese Gespräche mit dem Iran über den Irak zu führen. Meines Wissens findet das ja gerade auch in Bagdad unmittelbar statt, aber wir sollten diese Gespräche auch letztlich dazu nutzen, an anderer Stelle für Kompromissbereitschaft zu werben. Ich glaube, es ist immer richtig, zu versuchen zumindest, Gesprächsbereitschaft zu signalisieren und nicht allein in den Kategorien von Gut und Böse zu denken, dann finden wir nie zueinander.
Heckmann: Zu den Konsequenzen aus den Wahlen im Iran war das der Außenexperte der SPD, Rolf Mützenich, hier im Deutschlandfunk. Herr Mützenich, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Mützenich: Ja, gerne, Herr Heckmann. Alles Gute.