Archiv


"Es besteht keine Gefahr, trotz aller Ereignisse"

Im einsturzgefährdeten Atommüll-Zwischenlager Asse in Niedersachsen strömt seit Jahren Wasser ein. Tief unter der Erde lagern dort mehr als 100.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Müll. Über Lösungen beraten heute Bundesumweltminister Sigmar Gabriel und Bundesforschungsministerin Annette Schavan.

Dieter Marx im Gespräch mit Christopher Ricke |
    Christopher Ricke: Ich spreche jetzt mit Dieter Marx. Er ist der Geschäftsführer des Deutschen Atomforums. Dieses Deutsche Atomforum gibt es seit fast 50 Jahren. Es fördert die friedliche Nutzung der Kernenergie in Deutschland. Guten Morgen, Herr Marx.

    Dieter Marx: Guten Morgen.

    Ricke: Ist diese Schlamperei in Asse nicht ein Schlag ins Gesicht aller Freunde der Atomkraft?

    Marx: Ja. Man muss schon sagen, dass das Thema Asse natürlich die Diskussion belastet. Das ist natürlich kein schönes Ereignis. Aber an der Stelle muss man sagen, dass Gabriel hier dramatisiert. Er sagt, "die schwierigste Anlage in Europa", und sagt aber sofort, "keine Gefahr für die Bevölkerung". Und das muss man hier noch mal klar unterstreichen: es besteht keine Gefahr, trotz aller Ereignisse.

    Ricke: Es gibt aber ein Bergwerk voller strahlender Brühe. Ich möchte ungern darüber laufen, auch wenn keine direkte Gefahr davon ausgeht.

    Marx: Ja und hier nutzt Gabriel das Thema, um das ganze Thema Endlager zu diskreditieren, indem er einfach den Eindruck erwecken möchte, dass die Schaffung eines Endlagers in Deutschland technisch nicht möglich ist. Das ist möglich und hier gibt es einfach keine Vergleichbarkeit zwischen Gorleben und dem ehemaligen Salzbergwerk Asse. Ein Kriterium für die Auswahl von Gorleben war eben, dass der Salzstock Gorleben unversehrt ist, das heißt bergmännisch gesprochen unverritzt ist. Deswegen gibt es hier nicht ansatzweise eine Vergleichbarkeit. Asse II ist durchlöchert wie ein Käse und dort hat man dann gesagt, wir nutzen dieses als Versuchsbergwerk und entwickeln entsprechende Techniken, sammeln Daten, und das spätere Endlager sollte aber dann Gorleben werden.

    Ricke: Die Diskussion über Gorleben haben wir, aber wir müssen uns jetzt erst mal um Asse kümmern. Was machen wir denn damit? Wir können doch nicht einfach Sand reinschütten?

    Marx: Nein. Natürlich muss man jetzt sehr sauber damit umgehen und es werden Lösungen entwickelt, um jetzt diese Lauge wieder zu entfernen und vielleicht die eingelagerten Stoffe wieder zurückzuholen. Das ist ganz klar. Hier muss man natürlich jetzt ganz saubere und sichere Techniken entwickeln. Darum kümmern sich ja jetzt die Landesbehörden und auch die Forschungsministerin.

    Ricke: Wir haben eine Situation, in der man jetzt erst einmal mit dem Problem Atommüll wieder konfrontiert ist. Kann man in einer solchen Situation noch über die Verlängerung von Atomkraftwerkslaufzeiten sprechen? Es wird ja täglich neuer Atommüll produziert.

    Marx: Ja, aber wir haben hier an der Stelle kein Mengenproblem. Wir müssen die Stoffe sicher lagern, unabhängig wie man zur Kernenergie steht. Und wenn man die Laufzeit verlängern würde, würden natürlich noch mehr radioaktive Stoffe anfallen, aber die zusätzlichen Mengen wären nicht das Problem. Es geht eher darum, dass man die Stoffe sicher lagert und dafür ein sehr sicheres, das heißt geeignetes Endlager findet. Unabhängig davon muss man sagen, die Akzeptanz der Kernenergie steigt. Das Thema Asse haben wir ja jetzt schon seit einigen Wochen, und wir haben vor kurzem eine Umfrage mit Emnid gemacht. Da haben sich 52 Prozent der Bevölkerung für eine Laufzeitverlängerung ausgesprochen. Nur 41 Prozent waren dagegen. Also der Bürger sieht das Thema trotzdem relativ pragmatisch.

    Ricke: Ist also Asse kein ernst zu nehmendes Problem?

    Marx: Asse ist natürlich ein Problem, aber ein Problem, das man lösen kann, genauso wie man das Problem der gesamten Endlagerung lösen kann. Für die schwach und mittelradioaktiven Stoffe haben wir bereits ein Endlager. Das ist der Schacht Konrad. Da sind wir schon einen Schritt vorangekommen. Und jetzt fordern wir als Industrie, dass man das Endlagerthema sehr schnell angeht und dass man das Moratorium für Gorleben aufhebt und Gorleben zu Ende erkundet und einfach schaut, ob Gorleben geeignet ist oder nicht geeignet ist. Der frühere Umweltminister Trittin hatte Zweifelsfragen aufgeworfen. Die sind mittlerweile abgeklärt. Deswegen sagen wir, wir müssen mit Gorleben weitermachen, weil wir die Verantwortung nicht auf die nächste Generation schieben können. Wir hatten die Vorteile der Kernenergie jetzt gehabt und deswegen müssen wir jetzt auch die entsprechenden Lasten tragen und deswegen dafür auch Fortschritte in der Endlagerfrage voranbringen.

    Ricke: Wir haben kein Endlager. Es besteht die Möglichkeit, dass Gorleben doch nicht geeignet ist. Der Fall Asse wirft die Diskussion neu auf. Momentan haben wir ja die Situation, dass die Kernkraftwerksbetreiber ihre eigenen Zwischenlager errichtet haben, dass der Atommüll also - ich spreche es mal etwas bildhaft aus - neben dem Meiler steht, bis er irgendwann mal abgeholt und endgelagert werden kann. Wäre das nicht besser, das noch eine Weile weiterzubetreiben, bis man wirklich sicher ist?

    Marx: Wir haben ein Endlager für schwach und mittelradioaktive Stoffe. Das ist der Schacht Konrad. Der wird gerade umgerüstet.

    Ricke: Aber die stark strahlenden Stoffe?

    Marx: Dafür sollte Gorleben entwickelt werden und bisher gibt es einfach keine Erkenntnisse, die gegen Gorleben sprechen. Deswegen fordern wir ja, das zu erkunden. Herr Gabriel sucht jetzt das bestmögliche Endlager und möchte unbedingt einen Standortvergleich. Und da sagen wir, dieser Standortvergleich bringt uns nicht weiter. Ein Standort wie Gorleben ist entweder geeignet oder nicht geeignet. Das heißt er ist sicher oder nicht sicher. Da gibt es keine Abstufungen. Für den Bürger gilt das Kriterium der Sicherheit.

    Ricke: Dieter Marx. Er ist der Geschäftsführer des Deutschen Atomforums. Vielen Dank, Herr Marx.

    Marx: Bitte!