Anne Raith: Hat der Verteidigungsminister salopp gesprochen seinen Laden eigentlich noch im Griff? Das hat zumindest die Opposition in den vergangenen Tagen in Frage gestellt. Unvollständig informiert habe man sich gefühlt nach dem tödlichen Schießunfall in Afghanistan, nach der Absetzung des Kapitäns der Gorch Fock, zu dem sich der Verteidigungsminister vergangenen Freitag offenbar binnen Stunden entschieden hat, nach einem Gespräch mit den Boulevard-Medien, unkt die Opposition. Heute hat sich der Verteidigungsminister den Fragen des entsprechenden Bundestagsausschusses gestellt. Noch läuft die Sitzung, telefonisch bin ich aber bereits jetzt mit Tom Koenigs verbunden. Er sitzt für die Grünen im Verteidigungsausschuss. Guten Tag, Herr Koenigs!
Tom Koenigs: Guten Tag!
Raith: Nach allem, was Sie jetzt sagen können, fühlen Sie sich jetzt ausreichend informiert?
Koenigs: Nein, da bleiben natürlich noch unendlich viele Fragen offen. Einerseits wird es ja zu den beiden Todesfällen, die gegenwärtig die Gemüter bewegen, staatsanwaltschaftliche Untersuchungen geben, darauf ist hingewiesen worden. Die prinzipiellere Frage ist aber keineswegs geklärt, nämlich wird Innere Führung in der Bundeswehr gegenwärtig groß geschrieben oder klein geschrieben.
Raith: Welcher Vorfall stand denn, auch wenn die Ermittlungen noch laufen, heute im Mittelpunkt? Wo gab es den größten Klärungsbedarf?
Koenigs: Na ja, es geht um die drei Vorfälle: das eine der offensichtlich von Kameraden versehentlich erschossene Bundeswehrsoldat in Afghanistan, das zweite die auf das Deck der Gorch Fock gestürzte Kadettin und das dritte die Öffnungen von Briefen, die offensichtlich bei der Feldpost passiert sind, ebenfalls in Afghanistan. Diese drei Affären oder Anlässe haben zu der Vermutung geführt, dass der Ausschuss nicht hinreichend und vor allem nicht pünktlich informiert worden ist.
An einem Punkt hat sich das Ministerium, schon der Parlamentarische Staatssekretär Kossendey, entschuldigt, dass in den Medien herumgeisterte, der in Afghanistan zu Tode gekommene Soldat sei aufgefunden worden, und dass dieses "aufgefunden" dafür spricht, als habe er sich selber erschossen. Das ist als Fakt heute geklärt worden, dass das nicht der Fall ist, dass er aus der Pistole, der P8 eines Kameraden erschossen worden ist. Alles andere ist aber an die Staatsanwaltschaft gegeben worden.
Raith: Eine Frage hat sich geklärt, Sie sprechen es an. Aber ist denn inzwischen auch geklärt, wenn wir auf den anderen Fall zu sprechen kommen, den Fall der Gorch Fock, was den Minister binnen Stunden bewogen hat, den Kapitän abzusetzen?
Koenigs: Dazu hat der Minister gesagt, es seien reine Fürsorgegründe für den betroffenen Kapitän gewesen und es sei eine solche Vielzahl von Behauptungen aufgestellt worden, denen man nachgehen müsse, und man könne den Offizier, den Kapitän nicht so in der Schusslinie lassen, zu seinem eigenen besten, zu seinem eigenen Schutz sei er abkommandiert worden.
Raith: Aber diese Argumentation kann die Opposition ja nicht überzeugt haben?
Koenigs: Die Argumentation überzeugt auch nicht so ganz, weil es ja doch zunächst in der Presse so geklungen hat, als sei er abgesetzt worden und nicht nur abkommandiert. Jetzt hat man das vermutlich dienstrechtlich etwas korrekter formuliert und gesagt, er ist zu seinem eigenen besten und zu seinem eigenen Schutz abkommandiert worden. Die Formulierungen sind etwas weicher geworden.
Raith: Und ist das danach für Sie nachvollziehbar geworden?
Koenigs: Immer noch nicht. Aber in Hessen sagt man, es wird noch geforscht, und es bleibt unbefriedigend. Es bleibt auch unbefriedigend, was den Minister nun veranlasst hat zu solchen plötzlichen Entscheidungen, die er noch Stunden vorher vehement abgelehnt hat. Aber da wird man wahrscheinlich nicht alles erfahren, wenn man nicht alle Zeitungen liest. Vor der Tür des Ausschusses stehen etwa 40 bis 50 Medienvertreter, die werden sich auf den Minister stürzen und dann wird er das, was er im Ausschuss nicht sagt, dann da noch sagen.
Raith: Gehen Sie davon aus, dass es ähnlich läuft wie vergangenen Freitag, wo er sich lieber der "Bild"-Zeitung" zuwendet, als Sie aufzuklären?
Koenigs: Es ist wohl the same procedure as every year und so wird es vermutlich auch bleiben.
Raith: Wenn wir noch mal auf die Informationspolitik des Ministers zurückkommen, da war ja viel von Vertuschung die Rede, zumindest auf Seiten der Opposition. Hat sich dieses Gefühl denn für Sie heute bestätigt?
Koenigs: Das ist nicht mein zentrales Gefühl, sondern mein zentrales Gefühl ist, dass die Bundeswehr erhebliche Reformen braucht und dass der Minister gut täte, sich auf diese Reformen zu konzentrieren und nicht so sehr auf sein Bild in der Presse.
Zum Beispiel die grundsätzliche Frage zu stellen, wofür brauchen wir ein Segelschiff bei der Bundeswehr und wozu muss man bis zu siebenmal die Kadetten da die Wanden hochentern lassen, um letzten Endes Marineoffizier zu werden, die Frage muss man sich sehr genau stellen, und auch, ob die Führungs- und Informationskanäle des Ministeriums und der Bundeswehr insgesamt zeitgemäß sind, oder aus dem vorvorigen Jahrhundert stammen.
Raith: Diesen Fragen will er sich ja in Zukunft stellen. Aber haben Sie im Moment den Eindruck, der Minister war nicht ausreichend informiert, oder dass er Sie nicht ausreichend informiert hat?
Koenigs: Da ist bis zum letzten noch nicht Klarheit geschaffen. Ich habe eher den Eindruck, dass die Informationswege im Ministerium und in der Bundeswehr stark erneuerungsbedürftig sind und dass man solche Sachen wie Drill und Schliff und solche militärischen Tugenden etwas höher wertet als die Tugenden der Inneren Führung.
Raith: Hat sich da also seit der sogenannten Kundus-Affäre im Herbst 2009, was die Informationspolitik betrifft, nicht viel getan?
Koenigs: Diesbezüglich, glaube ich, hat sich noch nicht so furchtbar viel getan, nein, und der Stil des Hauses, die Informationen hauptsächlich über die Medien weiterzugeben, hat sich auch erhalten.
Raith: Wie soll es denn Ihrer Meinung nach jetzt weitergehen? Heute Nachmittag haben Sie, haben die Grünen eine aktuelle Stunde im Bundestag angesetzt. Was erhoffen Sie sich, wenn Sie im Moment ohnehin davon ausgehen, dass er sich eher den Medien zuwendet, als dem Parlament oder in der aktuellen Stunde Rede und Antwort zu stehen?
Koenigs: Der Bundestag ist ja nun öffentlich und da wird der Minister und da werden auch die Fraktionen noch mal aufeinandertreffen, da wird man das diskutieren. Ich hoffe, man kommt dann dazu, dass man sich den Inhalten selbst – und das ist dann sehr weitgehend -, die Reform der Bundeswehr, die Modernisierung der Bundeswehr, die dringend notwendig ist, zuwendet und sieht, dass der eigentliche Erfolg und Misserfolg nicht durch schöneren oder weniger schöneren Auftritt in den Medien entschieden wird, sondern durch besseres oder weniger besseres aufgestellt sein der Bundeswehr.
Raith: Herr Koenigs, lassen Sie uns zum Schluss noch einen Blick in die Zukunft werfen. Glauben Sie, diese Vorfälle werden genauso enden wie die Kundus-Affäre, also mit Entlassungen auf der einen und mit einem unbeschädigten Minister auf der anderen Seite?
Koenigs: Das weiß ich nicht. Was ich mir wünschte ist, dass die Fürsorge für die Soldaten im Mittelpunkt steht, und dafür werde ich alles tun, dass das auch der Fall ist. Darauf muss man sich konzentrieren und in allen drei Fällen geht es darum: Der Einzige, der gegenwärtig sehr überzeugend agiert, ist der Wehrbeauftragte, Herr Königshaus.
Raith: Das heißt, an seinem Verhalten können Sie nichts aussetzen?
Koenigs: Nein. Er hat das wirklich sehr gut gemacht und bringt auch die Anliegen und die Notwendigkeiten und Probleme auf den Tisch, und zwar bei denen, denen er verantwortlich ist, nämlich dem Parlament und dem Ausschuss.
Raith: ... , sagt Tom Koenigs. Er sitzt für die Grünen im Verteidigungsausschuss, wo sich derzeit noch Karl-Theodor zu Guttenberg, der Verteidigungsminister, den Fragen der Abgeordneten stellt. Besten Dank für das Gespräch!
Koenigs: Danke Ihnen auch.
Tom Koenigs: Guten Tag!
Raith: Nach allem, was Sie jetzt sagen können, fühlen Sie sich jetzt ausreichend informiert?
Koenigs: Nein, da bleiben natürlich noch unendlich viele Fragen offen. Einerseits wird es ja zu den beiden Todesfällen, die gegenwärtig die Gemüter bewegen, staatsanwaltschaftliche Untersuchungen geben, darauf ist hingewiesen worden. Die prinzipiellere Frage ist aber keineswegs geklärt, nämlich wird Innere Führung in der Bundeswehr gegenwärtig groß geschrieben oder klein geschrieben.
Raith: Welcher Vorfall stand denn, auch wenn die Ermittlungen noch laufen, heute im Mittelpunkt? Wo gab es den größten Klärungsbedarf?
Koenigs: Na ja, es geht um die drei Vorfälle: das eine der offensichtlich von Kameraden versehentlich erschossene Bundeswehrsoldat in Afghanistan, das zweite die auf das Deck der Gorch Fock gestürzte Kadettin und das dritte die Öffnungen von Briefen, die offensichtlich bei der Feldpost passiert sind, ebenfalls in Afghanistan. Diese drei Affären oder Anlässe haben zu der Vermutung geführt, dass der Ausschuss nicht hinreichend und vor allem nicht pünktlich informiert worden ist.
An einem Punkt hat sich das Ministerium, schon der Parlamentarische Staatssekretär Kossendey, entschuldigt, dass in den Medien herumgeisterte, der in Afghanistan zu Tode gekommene Soldat sei aufgefunden worden, und dass dieses "aufgefunden" dafür spricht, als habe er sich selber erschossen. Das ist als Fakt heute geklärt worden, dass das nicht der Fall ist, dass er aus der Pistole, der P8 eines Kameraden erschossen worden ist. Alles andere ist aber an die Staatsanwaltschaft gegeben worden.
Raith: Eine Frage hat sich geklärt, Sie sprechen es an. Aber ist denn inzwischen auch geklärt, wenn wir auf den anderen Fall zu sprechen kommen, den Fall der Gorch Fock, was den Minister binnen Stunden bewogen hat, den Kapitän abzusetzen?
Koenigs: Dazu hat der Minister gesagt, es seien reine Fürsorgegründe für den betroffenen Kapitän gewesen und es sei eine solche Vielzahl von Behauptungen aufgestellt worden, denen man nachgehen müsse, und man könne den Offizier, den Kapitän nicht so in der Schusslinie lassen, zu seinem eigenen besten, zu seinem eigenen Schutz sei er abkommandiert worden.
Raith: Aber diese Argumentation kann die Opposition ja nicht überzeugt haben?
Koenigs: Die Argumentation überzeugt auch nicht so ganz, weil es ja doch zunächst in der Presse so geklungen hat, als sei er abgesetzt worden und nicht nur abkommandiert. Jetzt hat man das vermutlich dienstrechtlich etwas korrekter formuliert und gesagt, er ist zu seinem eigenen besten und zu seinem eigenen Schutz abkommandiert worden. Die Formulierungen sind etwas weicher geworden.
Raith: Und ist das danach für Sie nachvollziehbar geworden?
Koenigs: Immer noch nicht. Aber in Hessen sagt man, es wird noch geforscht, und es bleibt unbefriedigend. Es bleibt auch unbefriedigend, was den Minister nun veranlasst hat zu solchen plötzlichen Entscheidungen, die er noch Stunden vorher vehement abgelehnt hat. Aber da wird man wahrscheinlich nicht alles erfahren, wenn man nicht alle Zeitungen liest. Vor der Tür des Ausschusses stehen etwa 40 bis 50 Medienvertreter, die werden sich auf den Minister stürzen und dann wird er das, was er im Ausschuss nicht sagt, dann da noch sagen.
Raith: Gehen Sie davon aus, dass es ähnlich läuft wie vergangenen Freitag, wo er sich lieber der "Bild"-Zeitung" zuwendet, als Sie aufzuklären?
Koenigs: Es ist wohl the same procedure as every year und so wird es vermutlich auch bleiben.
Raith: Wenn wir noch mal auf die Informationspolitik des Ministers zurückkommen, da war ja viel von Vertuschung die Rede, zumindest auf Seiten der Opposition. Hat sich dieses Gefühl denn für Sie heute bestätigt?
Koenigs: Das ist nicht mein zentrales Gefühl, sondern mein zentrales Gefühl ist, dass die Bundeswehr erhebliche Reformen braucht und dass der Minister gut täte, sich auf diese Reformen zu konzentrieren und nicht so sehr auf sein Bild in der Presse.
Zum Beispiel die grundsätzliche Frage zu stellen, wofür brauchen wir ein Segelschiff bei der Bundeswehr und wozu muss man bis zu siebenmal die Kadetten da die Wanden hochentern lassen, um letzten Endes Marineoffizier zu werden, die Frage muss man sich sehr genau stellen, und auch, ob die Führungs- und Informationskanäle des Ministeriums und der Bundeswehr insgesamt zeitgemäß sind, oder aus dem vorvorigen Jahrhundert stammen.
Raith: Diesen Fragen will er sich ja in Zukunft stellen. Aber haben Sie im Moment den Eindruck, der Minister war nicht ausreichend informiert, oder dass er Sie nicht ausreichend informiert hat?
Koenigs: Da ist bis zum letzten noch nicht Klarheit geschaffen. Ich habe eher den Eindruck, dass die Informationswege im Ministerium und in der Bundeswehr stark erneuerungsbedürftig sind und dass man solche Sachen wie Drill und Schliff und solche militärischen Tugenden etwas höher wertet als die Tugenden der Inneren Führung.
Raith: Hat sich da also seit der sogenannten Kundus-Affäre im Herbst 2009, was die Informationspolitik betrifft, nicht viel getan?
Koenigs: Diesbezüglich, glaube ich, hat sich noch nicht so furchtbar viel getan, nein, und der Stil des Hauses, die Informationen hauptsächlich über die Medien weiterzugeben, hat sich auch erhalten.
Raith: Wie soll es denn Ihrer Meinung nach jetzt weitergehen? Heute Nachmittag haben Sie, haben die Grünen eine aktuelle Stunde im Bundestag angesetzt. Was erhoffen Sie sich, wenn Sie im Moment ohnehin davon ausgehen, dass er sich eher den Medien zuwendet, als dem Parlament oder in der aktuellen Stunde Rede und Antwort zu stehen?
Koenigs: Der Bundestag ist ja nun öffentlich und da wird der Minister und da werden auch die Fraktionen noch mal aufeinandertreffen, da wird man das diskutieren. Ich hoffe, man kommt dann dazu, dass man sich den Inhalten selbst – und das ist dann sehr weitgehend -, die Reform der Bundeswehr, die Modernisierung der Bundeswehr, die dringend notwendig ist, zuwendet und sieht, dass der eigentliche Erfolg und Misserfolg nicht durch schöneren oder weniger schöneren Auftritt in den Medien entschieden wird, sondern durch besseres oder weniger besseres aufgestellt sein der Bundeswehr.
Raith: Herr Koenigs, lassen Sie uns zum Schluss noch einen Blick in die Zukunft werfen. Glauben Sie, diese Vorfälle werden genauso enden wie die Kundus-Affäre, also mit Entlassungen auf der einen und mit einem unbeschädigten Minister auf der anderen Seite?
Koenigs: Das weiß ich nicht. Was ich mir wünschte ist, dass die Fürsorge für die Soldaten im Mittelpunkt steht, und dafür werde ich alles tun, dass das auch der Fall ist. Darauf muss man sich konzentrieren und in allen drei Fällen geht es darum: Der Einzige, der gegenwärtig sehr überzeugend agiert, ist der Wehrbeauftragte, Herr Königshaus.
Raith: Das heißt, an seinem Verhalten können Sie nichts aussetzen?
Koenigs: Nein. Er hat das wirklich sehr gut gemacht und bringt auch die Anliegen und die Notwendigkeiten und Probleme auf den Tisch, und zwar bei denen, denen er verantwortlich ist, nämlich dem Parlament und dem Ausschuss.
Raith: ... , sagt Tom Koenigs. Er sitzt für die Grünen im Verteidigungsausschuss, wo sich derzeit noch Karl-Theodor zu Guttenberg, der Verteidigungsminister, den Fragen der Abgeordneten stellt. Besten Dank für das Gespräch!
Koenigs: Danke Ihnen auch.