Montag, 13. Mai 2024

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"Es darf kein Geschäft gemacht werden mit dem Tod"

Eugen Brysch von der Deutschen Hospiz-Stiftung hat die Politik aufgefordert, einen Gesetzentwurf zum Verbot der kommerziellen Suizidvermittlung endlich umzusetzen. Schwerstkranken, Pflegebedürftigen oder Sterbenden dürfe nicht der Tod angeboten werden, sondern Schmerzbehandlung und Sterbebegleitung. Hospize und Palliativmedizin gebe es aber nur für zwei Prozent der Sterbenden. "Wir brauchen da eine deutliche Veränderung", so Brysch.

Moderation: Christian Schütte | 16.11.2007
    Christian Schütte: "Ich will den Tod, um mein tägliches Sterben zu beenden." So hat es sinngemäß ein deutscher Krebskranker formuliert, der sich für Sterbehilfe entschieden hat. Mit Hilfe der Schweizer Organisation DIGNITAS ist er diesen Weg gegangen, nicht nur er. Für besondere Empörung hat vorige Woche ein Fall gesorgt, bei dem zwei Deutsche ihrem Leben ein Ende gesetzt haben, wiederum in der Schweiz und mit Hilfe von DIGNITAS. Sie bekamen mangels Räumlichkeiten den tödlichen Medikamenten-Cocktail im Auto auf einem Parkplatz verabreicht. Seitdem sind die Forderungen nach einem Verbot von DIGNITAS wieder lauter geworden. Darüber spreche ich nun mit Eugen Brysch aus dem Vorstand der Deutschen Hospiz-Stiftung. Guten Morgen Herr Brysch!

    Eugen Brysch: Seien Sie herzlich gegrüßt! Guten Morgen.

    Schütte: Worin besteht der Unterschied zwischen Sterbebegleitung, wie Sie sie anbieten in Hospizen, und der Sterbehilfe?

    Brysch: Entscheidend geht es darum, dass wir in Deutschland einiges tun können, was erlaubt ist. Beispielsweise ist die passive Sterbehilfe erlaubt, die ich lieber Hospiz- und Palliativ-Medizin nenne, und natürlich ein besonderes Angebot, nämlich nicht die Medizin zieht sich zurück, sondern die Medizin verändert sich. Der Heilungsauftrag ist im Mittelpunkt ja, um gesund zu werden. Aber gerade bei sterbenden Menschen, bei chronisch kranken Menschen, bei schwerstkranken brauchen wir eine umfassende Begleitung und deswegen Hospiz-Arbeit und Palliativ-Medizin. Leider gibt es das nur für zwei Prozent. Das ist zu wenig für die sterbenden Menschen. Wir brauchen da eine deutliche Veränderung.

    Schütte: Wie gehen Sie damit um, wenn ein Sterbender in einem Ihrer Hospize den Wunsch äußert, dass er einen tödlichen Medikamenten-Cocktail einnehmen möchte?

    Brysch: Als Deutsche Hospiz-Stiftung sind wir eine Patientenschutz-Organisation. Wir erleben selbst am Hospiz-Telefon, was wir betreiben, immer wieder den Konflikt, dass auch Menschen fragen: Gibt es für mich eine schnelle Lösung, eine einfache Lösung? Dann erfahren wir sehr direkt, welche Veränderung es nimmt, wenn man Alternativen kennt, wenn man weiß, dass man ein Recht hat, bis zuletzt zu leben und gut begleitet zu sein. Deswegen sind wir auch ganz bewusst gegen die Kommerzialisierung der Suizidhilfe in Deutschland, denn ich denke es darf kein Geschäft gemacht werden mit dem Tod. Das ist, glaube ich eine klare Überzeugung. Die Frage ist nur, ob es jetzt ein politisches Handeln gibt. Wir stehen ja gerade davor. Es gibt den Auftrag von Thüringen, jetzt endlich wieder ein Gesetz zu reaktivieren. Ziel dieses Gesetzes ist ja, die kommerzielle Suizidhilfe [...] zu verbieten.

    Schütte: Sie haben gesagt, dass es bereits Alternativen in Deutschland gibt. Doch geht das nicht ein bisschen an der Wirklichkeit des medizinischen Betriebes vorbei, denn die Schmerzbehandlung in Deutschland, die Palliativ-Medizin, sei ja immer noch nicht genug vorangeschritten heißt es?

    Brysch: Wenn Sie so wollen liegt darin auch der Konflikt. Politisches Handeln bedeutet, dass wir uns eben nicht nur um die Frage kümmern, wie wir die Kommerzialisierung des Suizids verhindern, sondern vielmehr um die Frage was ist zu tun, um tatsächlich eine würdige Sterbebegleitung bis zuletzt möglich zu machen. Palliativ-Medizin ist wie gesagt nur bei zwei Prozent der Schwerstkranken und Sterbenden heute realisierbar. Deswegen ist es kein Wunder, dass so viele, die alleine schon von Pflege hören, heute lieber Suizid machen würden als auf die Pflege zu warten. Deswegen brauchen wir eine Veränderung, übrigens nicht nur in der direkten Sterbebegleitung in den letzten zwei oder drei Wochen. Nein, wir brauchen eine Veränderung in der Pflege. Wir brauchen tatsächlich auch viel mehr umfassende Hilfe, weil es ist ein Hilferuf, der den Menschen wahrzunehmen ist, und diesem Hilferuf den Tod anzubieten, wäre der absolut falsche Schritt.

    Schütte: Sie haben eben schon kurz die Gesetzesinitiative erwähnt, wonach die geschäftsmäßige Vermittlung von Sterbehilfe verboten werden soll. Das heißt im Kern geht es nicht um Sterbehilfe an sich, sondern um die Frage, ob man dafür Geld nehmen darf?

    Brysch: Im Kern geht es darum, dass wir in Deutschland uns die Entscheidung treffen müssen, ist das der richtige Weg, der Kommerzialisierung der sogenannten Suizidvermittlung wirklich Raum zu bieten. Wir wissen, dass seit gut anderthalb Jahren dieser Gesetzesvorschlag im Bundesrat schmort, und jetzt wurde er aufgenommen von den Abgeordneten Bosbach von der CDU/CSU und Herrn Wiefelspütz von der SPD. Die entscheidende Frage ist: Wollen wir tatsächlich erlauben, dass es hier eine Organisation gibt, die bis zu 5000 Euro wohl einnehmen soll, um für diese schreckliche Dienstleistung Geld zu bekommen. Übrigens auch wir wissen, dass seit vielen Jahren, auch schon seit der Diskussion um Herrn Professor Hackethal, die Frage des Suizids in Deutschland eine Rolle spielt. Die Frage ist nur: Lassen wir hier einen Motor anspringen, der letztendlich die Maschinerie in Gang setzt, die nicht mehr aufzuhalten ist. Deswegen ist ja auch für uns die entscheidende Frage, was tut die Bundeskanzlerin und die Parteivorsitzende, was tut aber auch die CSU, Herr Huber, und die SPD, Herr Beck, wenn es darum geht, jetzt ein solches Gesetz voranzutreiben, wenn es schon seit gut eineinhalb Jahren schmort. Es ist jetzt an der Zeit, es zu realisieren. Wir warten endlich darauf!