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"Es dürfen keine Lippenbekenntnisse sein"

"Nur wenn es ein Bündnis zwischen Bund und den jeweiligen Standortländern in Deutschland gibt, dann können wir erfolgreich in die Gespräche gehen", sagt Matthias Machnig, Thüringens Wirtschaftsminister von der SPD. Er warnt vor einer "Auktionierung von Standorten und Arbeitsplätzen" - und widerspricht dem Vorwurf, dass die SPD einen Schwenk vollzogen hat.

Matthias Machnig im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Gestern trafen sich die Wirtschaftsminister und Staatssekretäre der EU-Staaten, die Opel- und Vauxhall-Standorte in ihrem Land haben, in Brüssel - bei EU-Kommissar Verheugen. Anschließend vereinbarte die Runde, in den Verhandlungen mit dem Autobauer General Motors gemeinsam vorzugehen und keine nationalen Staatshilfen zu versprechen. So soll ein Subventionswettlauf vermieden werden. Am Telefon ist der frühere Bundesgeschäftsführer der SPD und heutige Wirtschaftsminister von Thüringen, Matthias Machnig. Guten Morgen, Herr Machnig.

    Matthias Machnig: Guten Morgen!

    Engels: Sind Sie zufrieden mit diesem Brüsseler Stillhalteabkommen?

    Machnig: Ja. Ich hoffe, das sind keine Lippenbekenntnisse. Es ist richtig: es darf keinen ungesteuerten Wettbewerb der einzelnen Standorte geben. Wir dürfen uns nicht einlassen auf eine Auktionierung von Standorten und Arbeitsplätzen. Dabei kann Opel nur verlieren, dabei können die Standorte nur verlieren und dabei kann die Politik nur verlieren. Deswegen: es dürfen keine Lippenbekenntnisse sein, sondern wir müssen jetzt darauf warten, weil das immer noch nicht geschehen ist, dass General Motors endlich mal Klarheit darüber schafft, wie sieht ihr Zukunftskonzept aus, und dann müssen die jeweiligen Regierungen beraten und dann muss man über Maßnahmen beraten, wie wir dieses Zukunftskonzept auch unterstützen können.

    Engels: Sie warnen vor Lippenbekenntnissen. Glauben Sie, dass sich alle EU-Staaten wirklich nun an die Vereinbarung halten, oder wird hinter den Kulissen General Motors weiter etwas angeboten?

    Machnig: Es sind ja schon Zahlen genannt worden, wie einzelne Standorte sich dort eingelassen haben, die Polen, die Belgier, die Briten und die Spanier. Ich hoffe, das waren nur Zeitungsberichte und es waren keine wirklichen Zusagen, weil am Ende verlieren alle dabei, nur General Motors wird dadurch stark, und die Erfahrungen mit General Motors, man muss sagen, in den letzten Jahren waren nicht so, dass das immer ein verlässlicher Gesprächspartner war. Deswegen hoffe ich, das steht jetzt, und ich hoffe, dass wir dann am 30. 11., wenn sich Herr Brüderle mit den Wirtschaftsministern der Länder in Berlin trifft, auf der Bundesseite ein gemeinsames Vorgehen verabreden. Nur wenn es ein Bündnis zwischen Bund und den jeweiligen Standortländern in Deutschland gibt, dann können wir erfolgreich in die Gespräche gehen und können dafür sorgen, dass Opel, das nach wie vor eine starke Marke ist, und dass die jeweiligen Zentren oder Standorte in Deutschland eine Zukunft haben, weil sie sind regional und strukturpolitisch von erheblicher Bedeutung in den jeweiligen Regionen.

    Engels: Herr Machnig, irgendwie klingt das doch etwas seltsam. Als die SPD noch Teil der Bundesregierung war, da konnte man sich nationale Staatshilfen für Opel durchaus vorstellen, solange an Magna verkauft wird. Nun hat man genau den Schwenk verfolgt. Ist das nicht ein wenig inkonsequent? Wundert es Sie ernsthaft ...

    Machnig: Nein, das ist kein Schwenk. Nein, nein. Ich sage seit Wochen immer eines: Zunächst mal ist General Motors gefordert. Es ist gefordert, ein Konzept vorzulegen. Reilly hat gestern noch mal ausdrücklich festgestellt: ohne finanzielle Hilfen wird es dieses Restrukturierungskonzept nicht geben. Das heißt, wir sind dann in der Lage, wenn ein Zukunftskonzept vorliegt, darüber zu beraten, wie Hilfe aussehen kann. Und ich sage auch noch mal für meine Landesregierung: Wenn das Konzept bestimmte Ziele verfolgt, nämlich das Ziel der Standortsicherung, der Beschäftigungssicherung, wenn es ein mittelfristiges Konzept ist für Opel, das für die nächsten Jahre gilt, wenn das Management größere Bewegungs- und Entscheidungsspielräume hat, dann werden wir auch prüfen, wenn es ein wirkliches Zukunftskonzept ist, wie man das auch finanziell unterstützen kann. Das ist überhaupt nicht inkonsistent. Aber wir dürfen uns nicht darauf einlassen, dass öffentlich darüber spekuliert wird, wie hoch denn Mittel sein werden zur Unterstützung des Konzeptes, ohne das Konzept zu kennen. Das nützt niemandem, sondern das treibt die Preise in die Höhe und auf ein solches Spiel darf sich die Politik und dürfen sich auch die Kolleginnen und Kollegen bei Opel nicht einlassen, weil dabei können wir nur verlieren.

    Engels: Aber inkonsistent ist es doch, dass die SPD vor einigen Monaten noch nationale Staatshilfen sich vorstellen konnte, nun aber den europäischen Weg gehen will?

    Machnig: Nein, das ist überhaupt nicht inkonsistent. Ich sage mal, es wird am Ende darum gehen, wenn dieses Konzept realisiert wird, dass geprüft wird in den jeweiligen Ländern, was getan werden wird. Es werden ja keine europäischen Gelder kommen, wenn denn dieses Konzept unterstützt werden kann, sondern es wird dann um nationalstaatliche Mittel gehen. Worauf man sich jetzt verständigt hat - und das halte ich für sinnvoll -, dass es eben diesen Überbietungswettlauf nicht gibt, dass es nicht den Wettlauf gibt Saragossa gegen Eisenach, oder Saragossa gegen Kaiserslautern.

    Engels: Aber rund um Magna war die SPD doch damals dabei, genau diesen Wettbewerb zu führen?

    Machnig: Nein, da waren wir nicht dabei, sondern es hat damals ein Konzept gegeben, Magna, das ist ja auch europäisch diskutiert worden, das ist mit den Betriebsräten diskutiert worden in Europa, und es gab damals eine Verständigung auf dieses Konzept, weil es eine Zukunftsoption für Opel bedeutet hätte. Auf der Grundlage war man dann bereit zu sagen, ja, dazu sollen auch Mittel zur Verfügung gestellt werden. Und ich will Ihnen eines sagen: Es gibt ja eine interessante Entwicklung. Infratest dimap hat am Freitag in einer repräsentativen Umfrage gefragt, wie denn die deutsche Bevölkerung das sieht, und inzwischen ist es so: 58 Prozent der Befragten sagen, sie sind auch bereit, staatliche Hilfen zu unterstützen und zu gewähren, wenn es sich um Arbeitsplatzsicherung handelt, auch bei Großbetrieben. Das heißt, die Einstellung wächst, wir müssen in der Krise jetzt alles dafür tun, dass Arbeit, dass Standorte erhalten bleiben, weil alles was wir jetzt in der Krise verlieren, wird wahrscheinlich danach nicht mehr in Deutschland sein. Das heißt erhebliche Arbeitsplatzverluste, das heißt erhebliche Technologieverluste, das heißt erhebliche Innovationsverluste, und ich denke, wir sind gut beraten, gerade in den Jahren 2010 und 2011 zu schauen, wie wir solche Strukturen sichern können, weil wir brauchen sie, sowohl technologiepolitisch wie strukturpolitisch.

    Engels: Herr Machnig, dann schauen wir noch auf Thüringen. Ist denn Thüringen bereit, in der gleichen Form General Motors zu unterstützen, wie man ja als Landesregierung ursprünglich Magna für Eisenach unterstützen wollte?

    Machnig: Ich kenne das Konzept von General Motors nicht. Ich kann eines sagen: Je näher es an dem Magna-Konzept ist, das ja vorsah, dass Eisenach als Standort gesichert war, dass hier Beschäftigung gesichert war, umso eher und leichter fallen solche Entscheidungen. Aber heute in Unkenntnis eines belastbaren Zukunftskonzeptes über Zahlen zu spekulieren, das halte ich für nicht verantwortbar, sondern jetzt ist General Motors endlich gefordert, das Konzept, das jetzt für nächste Woche angekündigt ist - und ich hoffe, es kommt nächste Woche -, auf den Tisch zu legen, dass wir belastbar schwarz auf weiß Zahlen und eine Zukunftsvorstellung haben, und darauf aufbauend kann dann Politik sich mit diesem Konzept auseinandersetzen und dann zu Entscheidungen kommen. Anders geht das nicht. Sonst werden wir in der Tat weiterhin am Nasenring durch die Manege geführt und das hilft niemandem.

    Engels: Der Wirtschaftsminister von Thüringen, Matthias Machnig. Er gehört der SPD an. Ich bedanke mich für das Gespräch.

    Machnig: Auf Wiederhören!