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"Es fehlt im Gasmarkt an Wettbewerb"

Die Energieversorger geben laut einer Studie nur einen Teil der gesunkenen Bezugskosten an ihre Kunden weiter. Rechtlich seien sie jedoch zu einer zeitnahen Anpassung der Preise verpflichtet, sagte der Vorsitzende des Bundes der Energieverbraucher Aribert Peters. Er rät den Verbrauchern, eigenständig den Gaspreis zu kürzen. Die Politik müsse außerdem für mehr Wettbewerb auf dem Gasmarkt sorgen.

Aribert Peters im Gespräch mit Bettina Klein |
    Jasper Barenberg: Seit letztem Jahr hat er sich halbiert, der Preis für Öl. Und weil der Ölpreis an den Preis für Erdgas gekoppelt ist, müsste auch Gas um die Hälfte billiger werden. Das aber ist nur graue Theorie, wie jetzt eine Untersuchung im Auftrag der Grünen bei fünf großen Gasversorgern belegt. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Unternehmen nur einen Teil der gesunkenen Bezugskosten an ihre Kunden weitergeben und dafür selber mehr verdienen.

    Darüber hat meine Kollegin Bettina Klein mit Aribert Peters gesprochen, dem Vorsitzenden des Bundes der Energieverbraucher, und ihn gefragt, ob die Unternehmen eigentlich verpflichtet sind, niedrigere Bezugspreise an die Kunden weiterzugeben.

    Aribert Peters: Die Unternehmen sind grundsätzlich frei in ihrer Preisgestaltung, allerdings hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil ganz klar festgestellt, dass auch die Preissenkungen im Einkauf zeitnah an die Verbraucher weiterzugeben sind. Insofern würde es also einen ganz klaren Rechtsbruch bedeuten, wenn man die Gaspreisanstiege den Verbrauchern auferlegt, aber wenn dann der Einkauf günstiger wird, das nur verzögert weitergibt. Das ist also insofern nicht zulässig.

    Bettina Klein: Das heißt, dem Bundesgerichtshofsurteil folgend ist das justiziabel, was die Unternehmen jetzt tun?

    Peters: Richtig, nur dieses Recht einzufordern, das ist schwierig. Viele Verbraucher kämpfen diesen Kampf und sagen, die Gaspreise sind uns zu hoch und ich möchte das, was ich in der Vergangenheit zuviel bezahlt habe, zurückhaben, ich zahle die Gaspreiserhöhungen nicht, ich ziehe was ab. Da gibt es eine Menge von rechtlichen Auseinandersetzungen und viele, viele Tausende Verbraucher kürzen ihre Gaspreise einfach und leisten auf diese Weise Widerstand gegen die überhöhten Gaspreise.

    Klein: Bringt denn diese Studie uns da jetzt irgendeinen Schritt weiter, der darüber hinausgeht, dass eben jeder Einzelne für seine Gaspreise kämpft?

    Peters: Ja, diese Studie bringt uns schon weiter, weil sie eben doch im Durchschnitt über Unternehmen belegt, in welchem Ausmaß doch hier die Gaspreissenkungen nur verzögert weitergegeben werden und auch den Schaden, der den Verbrauchern daraus entsteht, ganz klar beziffert.

    Insofern ist natürlich hier das politische Tor aufgemacht, an solch einer Studie kann eigentlich die Politik dann nicht mehr vorbei, und die Studie benennt ja auch ganz klar die politischen Konsequenzen, die im Einzelnen zu ziehen sind, um den Gaswettbewerb funktionierend zu machen.

    Klein: Es sind aber zwei verschiedene Dinge. Das eine sind juristische Konsequenzen, wo ich noch mal nachfragen möchte: Gibt es noch andere Möglichkeiten, außer dass der Einzelne klagt gegen Unternehmen?

    Peters: Der Einzelne kann eben nicht nur klagen gegen Unternehmen, er kann natürlich auch einfach den Gaspreis kürzen. Diese Berechtigung hat er, und zwar so lange, bis ein Gericht eben feststellt, dass die Gaspreise in Ordnung sind.

    Indem der Verbraucher also den Preis kürzt, setzt er diesen Prozess in Gang: Entweder, der Gasversorger lässt es durchgehen, das ist die Regel, oder er setzt sich gerichtlich zur Wehr, er klagt den fehlenden Betrag ein - und dann geht eine juristische Auseinandersetzung los, die dann doch auch in vielen Fällen damit endet, dass der Gasversorger klein beigeben muss.

    Klein: Der zweite Punkt, was Konsequenzen angeht: die Klage über nicht vorhandenen Wettbewerb. Der wird in schöner Regelmäßigkeit geführt. Nun haben wir erneut einen Anlass offensichtlich dafür. Es wird gejammert, aber die Politik handelt nicht?

    Peters: Die Politik hat ja einiges doch versäumt, indem die Rahmenbedingungen doch viel zu schwach gesetzt wurden, zum Beispiel die Zugangsregelung zu den Netzen. Es gab auch gesetzliche Regelungen, die aber schlicht und einfach von den Unternehmen missachtet worden sind, übergangen worden sind. Man hält es gar nicht für möglich.

    Klein: Was zum Beispiel?

    Peters: Zum Beispiel: Die Öffnung der Gasmärkte war schon vor einigen Jahren gesetzlich vorgeschrieben - und wir haben heute noch nicht die Situation, dass wir einen einheitlichen Markt haben. Wir haben da zwar dieses Modell: Dieses Marktzugangs-Modell ist zwar verwirklicht worden, aber auch erst viel zu spät. Aber es gibt noch einen zersplitterten Gasmarkt. Das heißt: Wir haben, soweit ich weiß, neun Marktgebiete statt einem Marktgebiet oder zwei Marktgebieten, und das behindert natürlich jetzt auch den Wettbewerb zwischen den Anbietern und erschwert den Wettbewerb.

    Klein: Was genau ist das Hauptproblem für neue Anbieter, auf den Markt zu gelangen?

    Peters: Das Problem ist einmal der Zugang zu den Gasimporteuren, das Problem ist die Durchleitung durch die Gasnetze und das Problem ist auch der Zugang zu den Kunden, weil auf all diesen Stufen die Marktführer über marktbeherrschende Stellungen verfügen und eben neuen Anbietern dort das Leben schwer machen.

    Klein: Welche politische Forderung resultiert für Sie daraus?

    Peters: Die politische Forderung wäre, dass man zum Beispiel die Gasmengen, die aus dem Ausland eingeführt werden, dass man die sozusagen meistbietend in Deutschland verkauft, dass man auch den Zugang zum Beispiel zu den Gasspeichern, die für die Gasversorgung eine wichtige, strategische Bedeutung haben, dass man die öffnet, also auch für Konkurrenzunternehmen zugänglich macht, besser zugänglich macht, und dass man die Zahl der Marktgebiete, die heute da ist, verringert, sodass der Wettbewerb intensiviert wird.

    Klein: Diese Studie, von der wir jetzt sprechen, ist von den Grünen in Auftrag gegeben worden. Wir haben ein Wahljahr. Das sollten wir in den kommenden Monaten immer im Hinterkopf behalten. Diese Studie gibt den Grünen recht in ihrer Kritik an den Stromkonzernen, dieser Kritik gibt sie Nahrung.

    Auf der anderen Seite sagt die CDU, Rot-Grün soll sich wirklich zurückhalten mit bestimmten kritischen Äußerungen, denn die Regierung damals hätte genug Gelegenheit gehabt, etwas an der Wettbewerbssituation zu ändern, aber im Gegensatz dazu gab es sogar eine Fusion von Energieunternehmen, die von dem damaligen Wirtschaftsminister Müller - per Ministererlaubnis sogar - durchgesetzt wurde gegen das Kartellamt. Vor dem Hintergrund der politischen Diskussion: Was sagen Sie dazu?

    Peters: Diese Kritik ist sicher berechtigt, die hier die CDU vorbringt. Das Energiewirtschaftsgesetz ist 2005 unter Rot-Grün beschlossen worden und das war ja sozusagen das Einfallstor für die Versorgungswirtschaft. Das ist in großen Strecken von der Versorgungswirtschaft geschrieben worden, dieses Gesetz, und hat die Missstände begründet, unter denen wir heute leiden. Da sind die Grünen sicher nicht unschuldig, auch wenn die Studie... Ich halte die Studie für seriös, unabhängig vom Auftraggeber, zum Beispiel ist der Steller der Studie auch Mitglied im Vorstand vom Bund der Energieverbraucher.