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"Es geht darum, die gute Wirtschaftsentwicklung zu verstetigen"

Hermann Gröhe hält die beschlossenen Steuersenkungen der Koalition für den richtigen Weg, um "die erfreuliche Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft" zu stärken. Die finanzielle Aufteilung zwischen Bund und Ländern trage der Finanzlage der Länder Rechnung.

Hermann Gröhe im Gespräch mit Friedbert Meurer | 07.11.2011
    Friedbert Meurer: Sie haben sich doch geeinigt. CDU, CSU und FDP haben gestern Abend im Kanzleramt verabredet, ab 2013 sollen die Steuern gesenkt werden, verteilt auf die beiden Jahre 2013 und 2014 um ungefähr sechs Milliarden Euro. Kritiker haben da schon ausgerechnet, dass das monatlich nur pro Steuerzahler eine Ersparnis von zwei oder drei Euro bringe, aber in der Summe geht es trotzdem um viel Geld. Vier Milliarden kostet die Anhebung des Grundfreibetrages, davon müssen die Länder die Hälfte bezahlen. Außerdem wird der Steuertarif verschoben, damit nicht mehr Lohnsteigerungen von der Progression sofort aufgefressen werden. Also es wird an die berühmte kalte Progression gegangen, und das kostet etwas mehr als zwei Milliarden Euro, und die will der Bund alleine tragen, um eine Zustimmung im Bundesrat herbeizuführen. Weitere Beschlüsse: 2013 kommt das Betreuungsgeld für Eltern, die ihr Kind nicht in die Kitas schicken: zunächst 100, im Jahr darauf 150 Euro im Monat. Und drittens: Der Pflegebeitrag wird leicht angehoben, um 0,1 Prozent, und dazu soll es eine freiwillige private Zusatzvorsorge bei der Pflege geben, also etwa so ähnlich wie bei der Riester-Rente. Also für jeden der Koalitionäre ist etwas dabei, aber alle mussten auch Federn lassen. – Das möchte ich jetzt ein wenig einsortieren heute Morgen, zunächst im Gespräch mit dem CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Guten Morgen, Herr Gröhe.

    Hermann Gröhe: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Mit welchem Argument hat es denn die Kanzlerin geschafft, dass die Koalition gestern Abend gleich mehrere Konflikte zumindest fürs Erste abgeräumt hat?

    Gröhe: Das Hauptargument ist, dass wir die erfreuliche Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft verstetigen wollen. Wir sind sehr gut bisher durch die Wirtschafts- und Finanzkrise gekommen, haben die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa, die Langzeitarbeitslosigkeit sinkt erfreulich. Diese Entwicklung zu verstetigen, dafür bedarf es verschiedener Impulse für den Arbeitsmarkt, bei der Zuwanderung, für die niedrigeren und mittleren Einkommen durch eine moderate Entlastung. Also es geht darum, die gute Wirtschaftsentwicklung zu verstetigen.

    Meurer: War ein zweites Hauptargument, dass die Kanzlerin gesagt hat, so dürfen wir uns nicht mehr weiter präsentieren?

    Gröhe: Gestern waren wir in wirklich guter Stimmung und mit dem festen Willen zusammengekommen, bei Themen, die uns zum Teil länger bereits beschäftigen, ob das das Thema Pflege oder das Thema Zuwanderung ist, wirklich zu einem guten Ergebnis zu kommen. Alle sind mit dem Vorsatz erschienen, die Ergebnisse sind gut, wir haben das erreicht, was erreicht werden musste.

    Meurer: Zu den Steuersenkungen, Herr Gröhe. Vor zwei Wochen hat ja noch Horst Seehofer, der bayrische Ministerpräsident, gegen die Steuerpläne gewütet, die Schäuble und Rösler vorgestellt hatten, das wäre alles zu voreilig gewesen. Sehe ich das jetzt richtig, dass das, was gestern beschlossen wurde, eigentlich im Kern doch genau das ist, was der Bundesfinanzminister und der Wirtschaftsminister vorgestellt hatten?

    Gröhe: Wir waren uns ja in allen drei Koalitionsparteien, CDU, CSU und FDP, einig, dass wir die unteren und mittleren Einkommen entlasten, dass wir den Inflationsausgleich endlich auch in der Steuer als Frage der Gerechtigkeit haben wollen. Horst Seehofers Anliegen war im Kern die Frage, wie erreichen wir eine Zustimmung im Bundesrat, dass wir nicht im Bundestag das eine beschließen, das andere dann aber im Bundesrat bekommen, weil es dort andere Mehrheitsverhältnisse gibt, und wir haben in der Tat hier eine Lösung gefunden, die aus meiner Sicht ein gutes Angebot für die Länder darstellt, weil wir sagen, im Bereich der Entlastung gibt es Dinge, die sind rechtlich geboten. Das ist die Anhebung des Grundfreibetrages. Darauf haben die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler einen Anspruch. Daran – das erwarten wir – müssen sich alle staatlichen Ebenen beteiligen mit der bisherigen Verteilung des Steueraufkommens. Aber das, was wir zusätzlich tun wollen, zwei Milliarden ab 2014, das geht zulasten allein der Bundeskasse. Das ist, glaube ich, eine aus Sicht der Länder dann auch faire Möglichkeit, ihrer Finanzlage Rechnung zu tragen und zugleich bei dem gemeinsam gewollten Thema weiterzukommen.

    Meurer: Es hat ja, Herr Gröhe, in den letzten Tagen reihenweise Absagen gegen Steuersenkungen von Ministerpräsidenten der CDU gegeben, von Christine Lieberknecht aus Thüringen, von Reiner Haseloff aus Sachsen-Anhalt, Volker Bouffier hat auch gesagt, es mache wenig Sinn, Peter Harry Carstensen und, und, und. Warum glauben Sie, dass die Länder zustimmen, auch die CDU-geführten?

    Gröhe: Die Länder haben vor allen Dingen auf ihre unterschiedliche, aber in Teilen doch sehr schwierige Finanzlage hingewiesen und gesagt, wenn der Bund etwas macht, muss er es bezahlen. Die Länder wissen auch, dass die Anhebung des Grundfreibetrages ein Gebot der Rechtsordnung ist. Ein Steuerzahler, eine Steuerzahlerin hat einen Anspruch darauf, dass der Grundfreibetrag der Entwicklung am Existenzminimum folgt, und insofern glaube ich schon, dass der jetzige Vorschlag der Koalition, zu sagen, wir sind bereit, dass das, was sozusagen Kür ist, die notwendige, aber nicht rechtlich gebotene Abflachung des Tarifes, zulasten der Bundeskasse geht, aber dass man das, wozu man verpflichtet ist, auch gemeinsam tragen muss, das nimmt die Sorgen der Länder auf und ernst, und deswegen sehe ich eine Chance, eine gute Chance, dass wir uns in diesem Sinne mit den Ländern verständigen.

    Meurer: Der CSU haben Sie die Zustimmung erleichtert, dadurch, dass das Betreuungsgeld kommen soll. Warum haben Sie sich nicht für das Modell der Familienministerin Kristina Schröder entschieden, nur in einem Jahr Betreuungsgeld zu zahlen, dafür aber auch an Teilzeitmütter?

    Gröhe: Also wir setzen hier die Verabredung der Koalition um, um die Wahlfreiheit zu stärken, unterschiedliche Lebensentwürfe in den ersten drei Jahren des Kindes zu fördern, angemessen zu fördern: die einen, die eine Kindertagesstätte in Anspruch nehmen müssen, durch einen Ausbau dieser Maßnahmen und im Übrigen durch ein Betreuungsgeld, das hineingewachsen wird gleichsam auch über die Jahre 2013/2014. Ich glaube, dass das eine gute Lösung ist. Frau Schröder hatte ja auch Vorschläge gemacht im Hinblick auf die Frage, wie man sozusagen beginnen kann. Auch da ging es letztlich um die Frage, wie viel Geld jetzt dafür zur Verfügung steht. Ich glaube, dass wir da einen guten Kompromiss gefunden haben.

    Meurer: Hermann Gröhe, der Generalsekretär der CDU. Danke schön, Herr Gröhe, auf Wiederhören.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

    Koalition beschließt Steuersenkung im Volumen von sechs Milliarden Euro