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"Es geht ja nicht allein um Hessen"

Sollte die hessische SPD-Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti sich mit Hilfe der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen lassen, so müsste diese Option nach Auffassung von Hubert Kleinert, Professor an der Verwaltungsfachhochschule Wiesbaden, offen diskutiert werden. Wenn die SPD diese Öffnung zur Linkspartei vollzöge, hätte dieser Schritt bundesweite Auswirkungen.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Am Sonntag wird in Hamburg eine neue Bürgerschaft gewählt. Das ist ein Termin, den man sich auch in Hessen rot angekreuzt hat. Dort ist vor jetzt schon fast vier Wochen ein neuer Landtag gewählt worden und immer noch weiß niemand, welche Regierung denn nun am Ende in Wiesbaden herauskommen wird. Keiner will mit keinem koalieren, das war schon das Motto des Wahlabends. Gibt es also am Ende eine Große Koalition, weil nichts anderes möglich ist oder wird Roland Koch geschäftsführend im Amt bleiben. Oder, das wäre dann das Neueste in der Gerüchteküche, Andreas Ypsilanti von der SPD lässt sich doch von der Partei Die Linke wählen. Die SPD-Spitze dementiert heftig. In der hessischen Hauptstadt begrüße ich Hubert Kleinert, Professor an der Verwaltungsfachhochschule Wiesbaden. Er war früher Landesvorstandsprecher der Grünen in Hessen. Guten Tag, Herr Kleinert!

    Hubert Kleinert: Guten Tag!

    Meurer: Glauben Sie das, dass Andrea Ypsilanti sich im Landtag mithilfe der Linksabgeordneten wählen lassen will?

    Kleiner: Es sieht so aus. Ja, ich hatte ursprünglich eigentlich gedacht, das wird in der SPD als zu riskant eingeschätzt und hatte auch angenommen, dass auch die Bundespartei das nicht wollen würde vor dem Bundestagswahlkampf. Aber im Moment muss man wohl davon ausgehen, dass diejenigen, die mit solchen Modellen herumüberlegt haben in den letzten Wochen, sich durchgesetzt haben. Ja, ich gehe davon aus, dass sie das versuchen werden.

    Meurer: Wenn es so käme, würde das ja so aussehen, es gibt einen Tag, an dem gewählt wird im hessischen Landtag. Die Linke hat schon vor Wochen gesagt, wir wählen dann auf jeden Fall Frau Ypsilanti. Spitzfindig könnte die SPD ja sagen, es gibt überhaupt keine Absprache mit der Linken. Wenn die uns wählen, soll es uns recht sein.

    Kleiner: Ja, aber das ist natürlich, das geht aus meiner Sicht nun wirklich nicht. Man mag ja in dieser schwierigen Situation in Hessen alles Mögliche für vertretbar halten. Aber was ganz sicher falsch ist, sind Manöver, die den Eindruck erwecken, hier solle die Öffentlichkeit gewissermaßen ausgetrickst werden. Wenn die SPD diese Öffnung zur Linkspartei will, dann soll sie das offen machen. Dann soll man das auch streitbar öffentlich mit Rede und Gegenrede austragen. Und ich meine, es geht ja nicht darum, nicht alleine um Hessen. Ich meine, eine Wahl von Andrea Ypsilanti zur hessischen Ministerpräsidentin hätte zur Folge, dass auch die bundesweite Wahrnehmung des Verhältnisses zwischen SPD und Linkspartei sich verändert hätte. Wer die Vorstellung hat, man kann das mal so durchziehen und hinterher sagen, nein, nein, wir haben gar kein Bündnis gemacht, davor rate ich ausdrücklich ab. Wenn man das machen will, dann soll man auch dazu stehen.

    Meurer: Jenseits der Frage jetzt einmal der Glaubwürdigkeit, von den Inhalten her passen SPD und Linke in Hessen gut eigentlich zusammen?

    Kleiner: Ob sie gut zusammenpassen, ich meine, das kann man nicht nur daran festmachen, dass nun beide gegen Studiengebühren sind, dass beide der Auffassung sind, die Hessen sollten wieder in die Tarifgemeinschaft der Länder zurückkehren, und dass es noch einzelne Punkte gibt, wo die Programmatik ähnlich ist. Ich gehe mal davon aus, dass die Lage in Hessen so schwierig ist, ich meine, wir haben eine Anti-Koch-Wahl erlebt. Wir haben nicht unbedingt eine Wahl erlebt, und schon gar nicht haben wir eine Wahl erlebt, sozusagen für Rot-Rot-Grün. Es war eine Anti-Koch-Wahl. Ob die SPD mit ihrer Programmatik, nehmen wir die Bildungspolitik, nehmen wir die Umwelt- und Energiepolitik, im Lande wirklich die Mehrheit hinter sich hat, das ist noch eine offene Frage im Moment. Von daher ist das doch recht kurzatmig überlegt, wenn man das an einzelnen Spiegelstrichen der Wahlprogramme festmachen will. Da muss man, glaube ich, sehr, sehr bedachtsam umgehen oder sehr bedachtsam agieren aus Sicht der SPD. Das, was da im Moment angedacht wird, ist ganz sicher voller Risiken.

    Meurer: Würde sich die SPD, Herr Kleinert, wirklich ausschließlich ins eigene Knie schießen, oder wäre eine Zusammenarbeit mit der Linken ein großer Befreiungsschlag für die Sozialdemokraten?

    Kleiner: Ich bin bis vor wenigen Tagen davon ausgegangen, dass es diese Diskussion, wenn, dann erst nach der nächsten Bundestagswahl geben wird, und dass Herr Beck schon verhindern würde, dass in dieser Weise sozusagen die SPD-Strategie so, wie ich sie bisher wahrgenommen habe, gewissermaßen von Hessen aus aufgerollt wird. Wenn sich das jetzt ändern sollte, dann liegen da sehr viele Risiken für die SPD, von denen man im Moment nicht sagen kann, wohin das gehen wird. In der Stimmungslage dieser Tage, nach der Zumwinkel-Affäre und diesen Dingen, ist es ja fast so, als wenn der Linksruck in Deutschland gewissermaßen noch einen zusätzlichen Pusch bekommen hätte, sodass aus dieser Sicht es vielleicht ein Stück erleichtert scheint, diese Öffnung zu vollziehen. Auf der anderen Seite ist das, das weiß doch jeder in der SPD, erstens mal hat man ein enormes Glaubwürdigkeitsproblem, und zum Zweiten, mit diesem wilden Haufen, der nun mal die Linkspartei im Westen vor allem darstellt, so was macht man nicht von einem Tag auf den anderen.

    Meurer: Da kann man jetzt vielleicht auch sagen, Herr Kleinert, jetzt spricht natürlich auch wenig der Grünen-Politiker. Der möchte, dass die Grünen mit regieren. Ihre Partei, hätte die nicht die Möglichkeit zu sagen, okay, dann machen wir eben die Ampel mit der CDU, und dann kommt die Linke nicht in keiner Variante an die Macht?

    Kleiner: Hier spricht gar kein Grünen-Politiker. Hier spricht der Politologe, der versucht, die Chancen und die Risiken einzuschätzen, die mit einem bestimmten politischen Kurs verbunden sind. Natürlich ist die Möglichkeit für die Grünen, sich zu öffnen für schwarz-grüne Optionen nicht uninteressant. Aber in Hessen sind die Bedingungen dafür besonders schwierig und besonders schlecht. Die Stichworte dafür sind ja oft in der Öffentlichkeit schon benannt worden, inhaltliche Gegensätze, der letzte Wahlkampf, auch persönliche Unverträglichkeiten, die Tatsache, dass die CDU der Wahlverlierer ist. Da sehe ich derzeit keine realistischen Möglichkeiten.

    Meurer: Und in Hamburg, wären da die Voraussetzungen etwas besser, weil Ole von Beust als gemäßigter Christdemokrat gilt im Gegensatz zu Roland Koch?

    Kleiner: Davon würde ich ausgehen. In Hamburg sind die Bedingungen zweifellos für so etwas günstiger als in Hessen. Wir haben nicht diese extreme Polarisierung. Wir haben auch Figuren, Ole von Beust, Sie sagen es, hat nicht dieses Image von Roland Koch. Und es steht auch nicht zu erwarten, dass Ole von Beust ein so schlechtes Wahlergebnis bekommen wird, dass es schon daher auch das zusätzliche Begründungsproblem gibt, warum nun den Wahlverlierer sozusagen an der Macht halten. Von daher würde ich mal sagen, die Bedingungen für eine solche Option sind in Hamburg eindeutig günstiger.

    Meurer: Im Deutschlandfunk Hubert Kleinert, Professor an der Verwaltungshochschule Hessen und ehemaliger Landesvorstandsprecher der Grünen. Herr Kleinert, besten Dank und auf Wiederhören!

    Kleiner: Ja, okay!

    Meurer: Dankeschön!

    Kleiner: Tschüß!