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"Es geht nicht nur darum, eine Kontonummer einzurichten"

Die Europäische Union ist nach den Worten von EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner bereit, ihre Finanzhilfen für die palästinensischen Autonomiegebiete so bald wie möglich wiederaufzunehmen. Wann der Boykott beendet werde, sei allerdings noch unklar. Die Hamas-Regierung könne nur dann Gesprächspartner für die EU sein, wenn sie der Gewalt abschwöre, Israel anerkenne und die "road-map" akzeptiere, betonte Ferrero-Waldner.

Moderation: Klaus Remme |
    Remme: In der vergangenen Woche hat sich das so genannte Nahostquartett aus USA, EU, Russland und den Vereinten Nationen darauf geeinigt, den Palästinensern für eine Probezeit wieder Geld zukommen zu lassen, nicht aber der Hamas-Regierung. Zur Erinnerung: Die Zahlungen wurden eingestellt, nachdem die Hamas als Gewinnerin aus den demokratischen Wahlen in den Palästinensergebieten hervorgegangen war. Der Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, er ist zurzeit in Brüssel. Gestern hat er vor dem Europaparlament geworben um eine Wiederaufnahme der Zahlungen und hat sich gestern Abend getroffen mit EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner. Sie ist am Telefon. Guten Morgen!

    Ferrero-Waldner: Schönen guten Morgen!

    Remme: Konnten Sie denn dem Palästinenserpräsidenten die Aufnahme der Zahlungen schon verbindlich und mit einem Termin zusagen?

    Ferrero-Waldner: Zum ersten möchte ich Ihnen sagen, dass das gestern ein wichtiges Gespräch war, denn Präsident Abbas ist ja dem Friedensprozess verpflichtet. Während Hamas ja nicht auf Gewalt verzichtet hat, Israel immer noch nicht anerkennt und auch nicht einmal die Wegskizze, die road map anerkennen will, hat das Präsident Abbas getan. Er ist damit für uns der Mann, mit dem wir arbeiten können. Wir haben gestern deshalb über den internationalen Mechanismus gesprochen, den wir als Kommission derzeit auf die Beine stellen wollen. Der Präsident ist natürlich durchaus hier sehr positiv gewesen, hat unsere Anstrengungen sehr geschätzt und will, dass möglichst schnell natürlich dieser Mechanismus jetzt auch gebilligt wird und dann umgesetzt werden kann.

    Remme: Und gibt es einen Termin, Frau Ferrero-Waldner?

    Ferrero-Waldner: Ich glaube das Wichtigste ist hier, dass wir ganz mit großer Geschwindigkeit arbeiten, dass ich meinen Diensten auch wirklich hier die Weisungen erteilt habe, keine Mühen zu sparen, dass es aber keine einfache Aufgabe ist. Es geht nicht nur darum, eine Kontonummer einzurichten, sondern das ist ein komplexes Unternehmen, wo wir vor allem erreichen wollen, dass viele internationale Partner und Geberländer mit dabei sein können und diesen Kanal, den wir aufbauen, dann auch benutzen können.

    Remme: Wer außer der EU wird sich denn noch beteiligen?

    Ferrero-Waldner: Alles das ist noch offen. Wir sprechen natürlich sowohl mit den Quartettmitgliedern auf der einen Seite, auf der anderen Seite vor allem aber auch mit Gebern wie Norwegen, Japan, Kanada zum Beispiel. Vor allem wollen wir eines: Wir wollen, dass Israel, das ja eigentlich palästinensische Gelder zurückhält, nämlich Zölle und auch Steuereinnahmen, diesen Mechanismus verwenden könnte.

    Remme: Sie formulieren da Wünsche. Gibt es denn Zusagen?

    Ferrero-Waldner: Noch nicht, aber wir werden nächste Woche einige Treffen in Brüssel dazu arrangieren. Ich bin gerade dabei, die Einladungen auszusprechen, und zwar sowohl zum einen an die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und zum anderen an internationale Partner und Geberländer. Mit den Geberländern wird es dann das erste Treffen auf technischer Ebene. Das alles findet auf technischer Ebene statt, um die Parameter zu diskutieren.

    Remme: Frau Ferrero-Waldner, habe ich es bisher richtig verstanden? Die EU steht zurzeit alleine da und wann das Geld fließt ist noch nicht klar?

    Ferrero-Waldner: Wir stehen nicht alleine da, aber wir sind diejenigen, die versuchen wollen, diesen Mechanismus aufzubauen. Selbstverständlich sprechen wir mit einer ganzen Reihe von Partnerländer, die natürlich auch Interesse haben, aber ich kann derzeit keine Zusagen für die anderen machen. Es ist auch zu früh! Ich sage es ist ein komplexer Mechanismus, den wir hier aufbauen wollen und aufbauen müssen.

    Remme: Geld soll fließen, aber die Hamas soll umgangen werden. Wie kann das praktisch klappen?

    Ferrero-Waldner: Wir würden das Büro des Präsidenten – und das war ein anderer Punkt unseres Gespräches gestern – nützen als Kontaktpunkt mit der Palästinenserregierung einerseits und andererseits eben auch in der Zusammenarbeit mit uns.

    Remme: Die Absicht der ganzen Strategie ist ja offensichtlich, Frau Ferrero-Waldner. Die Hamas soll politisch quasi ausgehungert werden. Sehen Sie da erste Erfolge?

    Ferrero-Waldner: Das ist nicht unsere Absicht, sondern unsere Absicht ist ganz klar, der neuen palästinensischen Regierung zu sagen, jetzt ist es Zeit, die drei Prinzipien anzuerkennen. Ihr müsst endlich auf Gewalt verzichten, ihr müsst auch Israel anerkennen - ihr wollt ja einen Partner für einen Friedensprozess -, und ihr müsst euch zu einem Friedensprozess, nämlich zur road map, zur Wegskizze bekennen.

    Remme: Und wenn diese Prinzipien nicht anerkannt werden, wird diese Isolation, die da versucht wird, aufrechterhalten werden?

    Ferrero-Waldner: Im Augenblick erwarten wir, dass die palästinensische Regierung einsieht, dass es das beste ist, diese Prinzipien anzuerkennen, denn wozu ist diese Regierung denn gewählt worden. Natürlich: das palästinensische Volk und eine große Mehrheit will Frieden. Wenn man Frieden will, dann muss man natürlich auch mit einem Partner arbeiten.

    Remme: Abbas hat gestern eine Chance für die Hamas gefordert. Wird sie diese bekommen?

    Ferrero-Waldner: Indem wir hier zuwarten und indem wir natürlich auch diesen internationalen Mechanismus vorbereiten, geben wir die Möglichkeit, der Bevölkerung natürlich die Grundbedürfnisse zu haben. In der Zeit ist es glaube ich angesagt und möglich, dass die Palästinenserregierung hier auch diesen Prinzipien naheträgt.

    Remme: Frau Ferrero-Waldner, gestern Abend wurde bekannt, dass sich der palästinensische Flüchtlingsminister der Hamas, Atef Adwan, mit einem Schengen-Visum hier in Deutschland aufhält. Ist das nicht ein Indiz dafür, dass sich die Isolation praktisch nicht durchhalten lässt?

    Ferrero-Waldner: Schauen Sie, unsere gemeinsamen Bemühungen in der Europäischen Union waren die: keine politischen Kontakte. Das ist das Wesentliche. Ich habe jetzt keine Informationen darüber, was dieser Minister dann in Deutschland gemacht hat.

    Remme: Wenn er Gespräche mit der deutsch-arabischen Gesellschaft führt, dann wäre das in Ordnung?

    Ferrero-Waldner: Das wäre zumindest im Sinne dessen, was wir in der Europäischen Union besprochen haben. Ja!

    Remme: Benita Ferrero-Waldner war das, die EU-Außenkommissarin. Ich bedanke mich für das Gespräch!

    Ferrero-Waldner: Gerne! Danke! Auf Wiederhören!