Engels: In China hat eines der wichtigsten politischen Großereignisse begonnen. Die seit Jahrzehnten regierenden Kommunisten haben ihren Parteitag eröffnet. Da dieses Mammuttreffen mit Tausenden von Delegierten nur alle fünf Jahre stattfindet, werden hier entscheidende Weichen für die inhaltliche und personelle Ausrichtung des Reiches der Mitte getroffen. Im Mittelpunkt heute die Rede des Staats- und Parteichefs Hu Jintao.
Wir wollen den Aspekt der Menschenrechte in China vertiefen. Am Telefon ist nun Dirk Pleiter. Er ist der China-Experte der Menschenrechtsorganisation "Amn esty International". Guten Tag Herr Pleiter!
Pleiter: Guten Tag!
Engels: Ihre Organisation hat im Vorfeld des Parteitages einen wachsenden Druck gegen chinesische Menschenrechtsaktivisten beobachtet. Was ist geschehen?
Pleiter: Was wir in den letzten Wochen mit sehr großer Sorge zur Kenntnis nehmen mussten ist, dass die chinesischen Behörden gleich mehrfach gegen eine ganze Reihe von Menschenrechtsverteidigern durchgegriffen haben. Diese Menschen - überwiegend handelt es sich hier um Rechtsanwälte - sind zum Teil verschwunden. Sie wurden von Unbekannten verprügelt. Das heißt alles Maßnahmen, die offensichtlich darauf abzielten, diese Menschen im Vorfeld und während des Parteitages mundtot zu machen.
Engels: Weshalb ist das so wichtig? Ist die Staatsführung so nervös vor diesem Parteitag gewesen?
Pleiter: Die Führungen der Partei und auch des Staates waren offensichtlich vor diesem Parteitag sehr nervös, weil es geht ja hier auch um wichtige Besetzungen von Stellen und da stören natürlich die Leute, die auf die Schattenseiten des jetzigen Regimes aufmerksam machen, die darauf aufmerksam machen, dass die Menschenrechte in China weiterhin mit den Füßen getreten werden, die auch darauf aufmerksam machen, dass Korruption weiterhin sehr verbreitet ist. Das sind natürlich schlechte Nachrichten und könnte natürlich auch die Besetzung der einen oder anderen Position gefährden.
Engels: Setzt die chinesische Staatsführung konkret auf den Kampf gegen einzelne Personen, oder geht es ihr mehr um breite Einschüchterung?
Pleiter: Es geht hier offensichtlich durchaus auch um breite Einschüchterung. Man setzt hier immer wieder darauf, dass man gegen einzelne Personen besonders hart vorgeht, um damit auch andere abzuschrecken. Das ist leider eine sehr negative Entwicklung, weil im Prinzip wir heute eine Situation haben, dass sich auch in der Volksrepublik China zunehmend mehr Menschen für die Menschenrechte einsetzen. Das ist ja an sich eine sehr positive Entwicklung. Hier konterkariert die chinesische Führung ganz offensichtlich die positive Entwicklung, die wir erkennen können.
Engels: Manch westlicher Beobachter hofft ja, dass im Vorfeld der im Sommer stattfindenden Olympischen Spiele in Peking die chinesische Führung eher gewillt sei, Menschenrechtsstandards einzuhalten. Trügt also diese Hoffnung Ihrer Einschätzung nach?
Pleiter: Ich denke die Vorfälle vor dem jetzigen Parteitag geben auf jeden Fall Anlass, hier etwas vorsichtiger zu sein. Wir haben auch in der Vergangenheit immer wieder beobachtet, dass die chinesische Regierung im Vorfeld von großen Ereignissen, sei es vor großen politischen Ereignissen oder sei es vor großen gesellschaftlichen Ereignissen, durchaus gewillt ist, mit massiven Repressionen gegen Personen, gegen missliebige Personen vorzugehen. Genau das gleiche könnte auch im nächsten Jahr passieren. Das ist natürlich aus Sicht der chinesischen Behörden ein Risiko, weil damit natürlich auch negative internationale Presse verbunden ist, aber es könnte natürlich sein, dass die Stabilität im Lande hier Vorrang genießt und damit es auch im Vorfeld der Olympischen Spiele im kommenden Jahr zu massiven Menschenrechtsverletzungen kommen könnte.
Engels: Das heißt, sie als Menschenrechtsorganisation setzen gar nicht so sehr darauf, dass der Westen hier den Druck erhöht?
Pleiter: Wir setzen sehr wohl darauf, dass der Westen oder auch die internationale Gemeinschaft hier den Druck auf die chinesischen Behörden erhöht. Wir warnen nur davor, jetzt hier an einen Automatismus zu glauben, dass allein deswegen, weil die Olympischen Spiele in der Volksrepublik China stattfinden, quasi automatisch sich die Menschenrechtssituation dort verbessert. Deswegen sind alle Beteiligten, insbesondere auch das Internationale Olympische Komitee, hier gefordert, Druck auf die chinesische Führung auszuüben, damit sich im Bereich der Menschenrechte tatsächlich etwas tut, damit auch gerade die Versprechen, die die chinesische Führung ja gemacht hat - sie hat ja gesagt, dass sich die Menschenrechte im Zuge der Bewerbung und Vorbereitung auf die Olympischen Spiele verbessern würde -, eingehalten werden.
Engels: China hat in der ganzen asiatischen Region eine zentrale Bedeutung. Birma ist allerdings ein Beispiel, wo sich gezeigt hat, dass auch die Pekinger Unterstützung für das birmanische Regime bei der Niederschlagung der Proteste eine entscheidende Rolle gespielt hat. Ein Rückschlag für die Menschenrechtsorganisationen und Unterstützer in China?
Pleiter: Ich denke man kann positiv hervorheben, dass die Volksrepublik China ja auch bemüht war, hier moderat einzugreifen, dass sie auch die birmanische Regierung dazu aufgefordert hat, hier nicht mit Gewalt gegen die Protestierenden vorzugehen. Die chinesische Regierung hat hier natürlich eine Verantwortung, sehr viel weitergehender aktiv zu werden, um hier auch entsprechend eine Vorbildfunktion einzunehmen, dass die Volksrepublik China bereit ist, ihre Verantwortung, ihre politische Verantwortung wahrzunehmen und zum Schutz nicht nur im eigenen Land beizutragen, sondern insbesondere auch bei den Nachbarländern.
Engels: Wir sprachen mit dem China-Experten der Menschenrechtsorganisation "Amnesty International" Dirk Pleiter. Ich bedanke mich für das Gespräch.
Pleiter: Vielen Dank!
Wir wollen den Aspekt der Menschenrechte in China vertiefen. Am Telefon ist nun Dirk Pleiter. Er ist der China-Experte der Menschenrechtsorganisation "Amn esty International". Guten Tag Herr Pleiter!
Pleiter: Guten Tag!
Engels: Ihre Organisation hat im Vorfeld des Parteitages einen wachsenden Druck gegen chinesische Menschenrechtsaktivisten beobachtet. Was ist geschehen?
Pleiter: Was wir in den letzten Wochen mit sehr großer Sorge zur Kenntnis nehmen mussten ist, dass die chinesischen Behörden gleich mehrfach gegen eine ganze Reihe von Menschenrechtsverteidigern durchgegriffen haben. Diese Menschen - überwiegend handelt es sich hier um Rechtsanwälte - sind zum Teil verschwunden. Sie wurden von Unbekannten verprügelt. Das heißt alles Maßnahmen, die offensichtlich darauf abzielten, diese Menschen im Vorfeld und während des Parteitages mundtot zu machen.
Engels: Weshalb ist das so wichtig? Ist die Staatsführung so nervös vor diesem Parteitag gewesen?
Pleiter: Die Führungen der Partei und auch des Staates waren offensichtlich vor diesem Parteitag sehr nervös, weil es geht ja hier auch um wichtige Besetzungen von Stellen und da stören natürlich die Leute, die auf die Schattenseiten des jetzigen Regimes aufmerksam machen, die darauf aufmerksam machen, dass die Menschenrechte in China weiterhin mit den Füßen getreten werden, die auch darauf aufmerksam machen, dass Korruption weiterhin sehr verbreitet ist. Das sind natürlich schlechte Nachrichten und könnte natürlich auch die Besetzung der einen oder anderen Position gefährden.
Engels: Setzt die chinesische Staatsführung konkret auf den Kampf gegen einzelne Personen, oder geht es ihr mehr um breite Einschüchterung?
Pleiter: Es geht hier offensichtlich durchaus auch um breite Einschüchterung. Man setzt hier immer wieder darauf, dass man gegen einzelne Personen besonders hart vorgeht, um damit auch andere abzuschrecken. Das ist leider eine sehr negative Entwicklung, weil im Prinzip wir heute eine Situation haben, dass sich auch in der Volksrepublik China zunehmend mehr Menschen für die Menschenrechte einsetzen. Das ist ja an sich eine sehr positive Entwicklung. Hier konterkariert die chinesische Führung ganz offensichtlich die positive Entwicklung, die wir erkennen können.
Engels: Manch westlicher Beobachter hofft ja, dass im Vorfeld der im Sommer stattfindenden Olympischen Spiele in Peking die chinesische Führung eher gewillt sei, Menschenrechtsstandards einzuhalten. Trügt also diese Hoffnung Ihrer Einschätzung nach?
Pleiter: Ich denke die Vorfälle vor dem jetzigen Parteitag geben auf jeden Fall Anlass, hier etwas vorsichtiger zu sein. Wir haben auch in der Vergangenheit immer wieder beobachtet, dass die chinesische Regierung im Vorfeld von großen Ereignissen, sei es vor großen politischen Ereignissen oder sei es vor großen gesellschaftlichen Ereignissen, durchaus gewillt ist, mit massiven Repressionen gegen Personen, gegen missliebige Personen vorzugehen. Genau das gleiche könnte auch im nächsten Jahr passieren. Das ist natürlich aus Sicht der chinesischen Behörden ein Risiko, weil damit natürlich auch negative internationale Presse verbunden ist, aber es könnte natürlich sein, dass die Stabilität im Lande hier Vorrang genießt und damit es auch im Vorfeld der Olympischen Spiele im kommenden Jahr zu massiven Menschenrechtsverletzungen kommen könnte.
Engels: Das heißt, sie als Menschenrechtsorganisation setzen gar nicht so sehr darauf, dass der Westen hier den Druck erhöht?
Pleiter: Wir setzen sehr wohl darauf, dass der Westen oder auch die internationale Gemeinschaft hier den Druck auf die chinesischen Behörden erhöht. Wir warnen nur davor, jetzt hier an einen Automatismus zu glauben, dass allein deswegen, weil die Olympischen Spiele in der Volksrepublik China stattfinden, quasi automatisch sich die Menschenrechtssituation dort verbessert. Deswegen sind alle Beteiligten, insbesondere auch das Internationale Olympische Komitee, hier gefordert, Druck auf die chinesische Führung auszuüben, damit sich im Bereich der Menschenrechte tatsächlich etwas tut, damit auch gerade die Versprechen, die die chinesische Führung ja gemacht hat - sie hat ja gesagt, dass sich die Menschenrechte im Zuge der Bewerbung und Vorbereitung auf die Olympischen Spiele verbessern würde -, eingehalten werden.
Engels: China hat in der ganzen asiatischen Region eine zentrale Bedeutung. Birma ist allerdings ein Beispiel, wo sich gezeigt hat, dass auch die Pekinger Unterstützung für das birmanische Regime bei der Niederschlagung der Proteste eine entscheidende Rolle gespielt hat. Ein Rückschlag für die Menschenrechtsorganisationen und Unterstützer in China?
Pleiter: Ich denke man kann positiv hervorheben, dass die Volksrepublik China ja auch bemüht war, hier moderat einzugreifen, dass sie auch die birmanische Regierung dazu aufgefordert hat, hier nicht mit Gewalt gegen die Protestierenden vorzugehen. Die chinesische Regierung hat hier natürlich eine Verantwortung, sehr viel weitergehender aktiv zu werden, um hier auch entsprechend eine Vorbildfunktion einzunehmen, dass die Volksrepublik China bereit ist, ihre Verantwortung, ihre politische Verantwortung wahrzunehmen und zum Schutz nicht nur im eigenen Land beizutragen, sondern insbesondere auch bei den Nachbarländern.
Engels: Wir sprachen mit dem China-Experten der Menschenrechtsorganisation "Amnesty International" Dirk Pleiter. Ich bedanke mich für das Gespräch.
Pleiter: Vielen Dank!