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"Es geht um Wirtschaftsförderung"

Rund 60 Erstsemesterstudienplätze gibt es an der Popakademie Mannheim und rund zehn Mal so viel junge Menschen bewerben sich jedes Jahr darauf. Seit ihrer Gründung 2003 wächst die staatliche Hochschuleinrichtung, denn das Musikbusiness ist längst zum Wirtschaftsfaktor geworden.

Von Martina Senghas | 02.12.2010
    "Ich möchte gern ein Raubtier sein …ich fühl mich so dressiert ...was ist mit mir passiert ... "

    Das Lied vom Raubtier-Sein und dem Wunsch, sich weniger dressieren zu lassen, stammt von Johanna Zeul, einer der ersten Absolventinnen der Mannheimer Popakademie, eine kreative und begabte junge Musikerin. Doch wie so viele andere muss sie die Erfahrung machen, dass es nicht so einfach ist, von Musik allein zu leben.

    Das ist ein Fakt, dem die Mannheimer Popakademie offen in die Augen sieht und an dem sich gewissermaßen die Studienstruktur ausrichtet. Hubert Wandjo, der Business-Direktor der Mannheimer Akademie:

    "Also wir bilden in zwei Richtungen aus: Die künstlerische Richtung nennt sich bei uns Popmusikdesign, und es gibt den Wirtschaftsbereich, Musikbusiness nennen wir das. Das ist im Grunde ein betriebswirtschaftlicher Studiengang mit einem Fokus eben auf die Musikwirtschaft. Beide Studiengänge sind verzahnt miteinander, das heißt, die künstlerischen Studenten müssen in etwa zwanzig Prozent der wirtschaftlichen Inhalte hier mit belegen. Und umgekehrt auch die Wirtschaftsstudenten müssen 20 Prozent der künstlerischen Inhalte belegen, können dies aber über Wahlmöglichkeiten bis auf vierzig Prozent steigern."

    Man möchte die Studierenden also auf die Verflechtung von Kunst und Kommerz vorbereiten. Und das ist ziemlich einzigartig - andere Ausbildungsstätten konzentrieren sich in der Regel auf einen der beiden Bereiche. Wer an der Mannheimer Popakademie studiert, bekommt somit ein realistisches Bild von dem, was einen auf dem Arbeitsmarkt erwartet.

    "Das denkt man hier gar nicht, dass man danach raus kommt und bekannter, populärer Künstler ist. Es ist vielmehr so, dass die Leute wissen, dass zum Beispiel Songwriter, die für andere, etabliertere, vielleicht auch internationale Künstler Songs schreiben, dass das auch ein Weg ist, den hier auch sehr, sehr viele gehen. Oder die gehen mit Künstlern auf Welttournee mittlerweile. Oder als Label, oder als Internet-Plattform, die was mit Musik zu tun hat als Konzertveranstalter, als freiberuflicher Booker, als Künstermanager – das kann auch ein Weg sein. Und nebenbei kann man ja auch seine eigene Band haben und es immer und immer weiter probieren."

    Das sagt Janina Klabes, eine Mannheimer Musikbusiness-Absolventin aus dem ersten Jahrgang. Nach dem Studium hat sie bei einem großen Berliner Plattenlabel gearbeitet, war nebenbei auch immer als Sängerin in einer Band unterwegs und ist nun frischgebackene Clustermanagerin. Dieses Clustermanagement Musikwirtschaft will eine regionale Vernetzungsstelle sein und vernetzt werden sollen

    "praktisch alle die, die mit Musik im weitesten Sinne – ob das jetzt als praktizierender Musiker selbst, oder als Label oder als Konzertveranstalter, als Künstlermanager - im entferntesten Sinne oder im engsten Sinne was mit Wirtschaftlichkeit und Musik zu tun hat."

    Und nötig sei dies, weil es in Mannheim so viel gibt hinsichtlich musikwirtschaftlicher Unternehmungen.

    "Grade wo viel ist, läuft natürlich auch viel parallel, viel läuft nicht wirklich synergetisch. Protagonist A weiß manchmal nicht, dass es Protagonist B gibt. Und ein Clustermanager hat sehr große Ohren und hört sich Ideen an und vermittelt dann weiter."

    Mannheimer Modell nennt sich dieses eng verflochtene Programm von Kreativ- und Wirtschaftsförderung. Und das neue Clustermanagement ist bereits die vierte Säule dieses Modells. Angefangen hat es vor rund zehn Jahren mit der Berufung eines städtischen Popmusikbeauftragten, dann kam der Zuschlag für die Popakademie und fast gleichzeitig die Einrichtung eines Existenzgründerzentrums, dem sogenannten Musikpark, direkt neben der Popakademie gelegen. Hier tummeln sie sich, die Start-up-Unternehmen aus der Musikbranche, von der DJ-Schule bis zum Vertonungsstudio für Industriefilme, von der Eventagentur bis zum Handel mit orientalischen Instrumenten. Musikpark-Geschäftsführer Christian Sommer.

    "Bei dem was wir machen, sowohl beim Musikpark als auch beim Clustermanagement, geht es nicht um Kunst und Kunstförderung oder Musikförderung. Es geht um Wirtschaftsförderung. Das heißt, diese reinen Künstler, die wirklich sagen "Ich hab meine Musik und ich will nur diese Musik machen" – das ist nicht die Zielgruppe unserer Arbeit. Unsere Zielgruppe sind die, die irgendwann sagen "Ich will von dem, was ich hier mache, irgendwann mal leben und meine Familie ernähren und gegebenenfalls auch mal einen anstellen, oder zwei oder drei oder vier oder fünfundzwanzig"."

    Für so manchen klingt das nicht unbedingt nach der erhofften Karriere und in der Tat zieht es viele nach dem Studium in schillerndere Großstädte. Doch viele kommen auch wieder zurück, denn die Region hat – anders als Berlin etwa - noch etwas zu bieten: eine Reihe finanzstarker Unternehmen, die in der Lage sind für musikalische und kreativwirtschaftliche Dienstleistungen Geld auszugeben.