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"Es gibt da unterschiedliche Geschmäcker"

Der Kirchenexperte Ludwig Ring-Eifel hat die Entscheidung zwischen traditioneller und moderner Messfeier in der katholischen Kirche als Geschmacksfrage bezeichnet. Der von Papst Benedikt XVI. wieder erlaubte tridentinische Ritus nach altem Kirchenrecht habe etwas Mysteriöses, sagte Ring-Eifel, Chefredakteur der Katholischen Nachrichtenagentur KNA. "Manche Leute mögen das sehr", sagte er.

Moderation: Dirk Müller |
    Dirk Müller: Der Priester zelebriert die Messe mit dem Rücken zum Kirchenvolk und spricht auf Latein. Vorbei sind diese Zeiten seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil Mitte der 60er Jahre. Doch nun ist dies wieder möglich, offiziell zumindest. Denn Benedikt XVI. hat an diesem Wochenende die alte tridentinische Messe wieder offiziell erlaubt. Aber sie soll die Ausnahme bleiben. Darüber sprechen wollen wir nun mit dem Vatikanexperten Ludwig Ring-Eifel, Chefredakteur der Katholischen Nachrichtenagentur KNA. Guten Morgen!

    Ludwig Ring-Eifel: Schönen guten Morgen!

    Müller: Herr Ring-Eifel, ist dem Papst eine Messe auf Deutsch oder Englisch zu profan?
    Ring-Eifel: Nein, es ist nicht die Sprache, um die es geht. Es ist die Ausgestaltung des Ritus, die er da wieder zugelassen hat. Und er hat ja auch die Messe, wie wir sie bisher kennen, also die Messe in Deutsch oder Englisch oder Spanisch oder was auch immer die Sprache ist, hat er ja nicht abgeschafft, sondern hat gesagt, diese Messform soll die normale Messform bleiben. Aber es soll als Ausnahme eben auch die alte Messform, die bis 1962 üblich war, die soll es auch geben können. Und die war eben auf Latein.

    Müller: Herr Ring-Eifel, Sie sagen, der alte Ritus wird in dem Sinne dann zumindest ja partiell und punktuell wiederbelebt. Heißt das denn umgekehrt, dieser alte Ritus, ist das hin zu Gott und weg vom Volk?

    Ring-Eifel: Was den alten Ritus ausmacht, ist, glaube ich, sehr schwer in Worten zu erklären. Es geht eigentlich nur, wenn man ihn sich selber einmal anschaut, wenn man selber einmal teilnimmt. Er ist eine ganz andere Art und Weise des Gottesdienstes. Das sagt nicht jedem zu. Ich persönlich muss auch sagen, ich hab ihn zweimal erlebt den alten Ritus. Es gab ihn ja auch bisher schon unter strengen Ausnahmebedingungen. Mir sagt er nicht so sonderlich zu. Es ist ein Geschehen, was, ja, da vorne am Altar abläuft, in das Hineinzuversenken eben nicht ganz leicht ist. Es ist so ein bisschen wie bei der orthodoxen Messe, also bei den griechischen Orthodoxen und den russischen Orthodoxen. Es ist ein heiliges Geschehen, was relativ weit weg vom Volk, von den Laien stattfindet. Es hat was Mysteriöses. Manche Leute mögen das sehr, aber es ist letztlich, glaube ich, Geschmackssache.

    Müller: Aber dann ist das doch so, wenn der Papst sich dazu entscheidet, er wird das nicht alleine getan haben, nach vielen Gesprächen und ja auch Petitionen und Forderungen, dass doch viele innerhalb der Kirche glauben, dass dies der wahre einzige Ritus ist.

    Ring-Eifel: Das ist genau das Problem, dass nämlich, sagen wir mal, der harte Kern der Traditionalisten genau dieser Ansicht ist, dass die sagen, das ist der einzig wahre Ritus, und der so genannte moderne Ritus von 1970, der ist gar nicht gültig, weil der ist so schrecklich modern und so schrecklich demokratisch und so schrecklich protestantisch angehaucht, das geht gar nicht. Dem versucht jetzt der Papst einen Riegel vorzuschieben und sagt, also auch ihr lieben Traditionalisten müsst natürlich den modernen Ritus als den normalen Ritus anerkennen.

    Müller: Ist das klug, Herr Ring-Eifel, wenn der Papst auf die Traditionalisten Rücksicht nimmt, auf diese zugeht?

    Ring-Eifel: Das wird sich jetzt zeigen. Meine Prognose ist die, dass jetzt die Traditionalisten sich spalten werden. Das sind ja immerhin einige hundert Priester weltweit und auch einige hunderttausend Gläubige. Das ist nicht wirklich viel, wenn man bedenkt, dass die katholische Kirche über eine Milliarde Gläubige hat. Aber es ist doch eine kleine und lautstarke Minderheit. Und ich schätze mal, dass die sich jetzt spalten werden und dass ein Teil von denen sagen wird, okay, jetzt ist uns der Papst so weit entgegengekommen mit der Wiederzulassung der alten Messe, jetzt kehren wir auch wieder in den Schoß der Katholischen Kirche zurück. Während ein anderer Teil, die Hardliner, dabei bleiben werden und sagen werden, nein, jetzt muss auch das ganze Zweite Vatikanische Konzil zurückgenommen werden. Die ganze Modernisierung der Katholischen Kirche muss wieder abgeschafft werden. Wir müssen sozusagen zurück in die Zeit vor 1962. Und das ist natürlich etwas, was der Papst so nicht mitmachen kann, weil: Das Konzil bleibt die verbindliche Instanz für die gesamte Katholische Kirche.

    Müller: Wird diese Wiedermöglichmachung im Grunde des alten Ritus, denn in irgendeiner Form Auswirkungen haben auf das moderne Kirchenvolk, auf das pragmatische Kirchenvolk?

    Ring-Eifel: Ich glaube, vielleicht insofern als jetzt doch viele aus Neugierde mal hingehen werden und sich eine Messe nach dem alten Ritus anschauen werden. Der ein oder andere wird das auch schön finden, wird vielleicht auch dabei bleiben, dass das dann seine Lieblingsform sein wird. Und es wird vielleicht Auswirkungen dann auch auf die moderne Form haben, dass man dann sagt, na ja, vielleicht konnte man die moderne Form ja auch wieder etwas würdiger, etwas heiliger, etwas anspruchsvoller gestalten und nicht so, wie es in manchen Gemeinden leider hier und da auch eingerissen ist, dass es wirklich keine heilige Handlung mehr ist, sondern eine rein, ja, wie will man sagen, populäre Sonntagsveranstaltung. Da hat es sicher auch ein paar Fehlentwicklungen gegeben. Und vielleicht wird das jetzt durch diese Geschichte ein wenig korrigiert.

    Müller: Einige sagen ja, also von den aus Reihen der Traditionalisten, dass die Messen heutzutage, gerade weltweit betrachtet, vielleicht nicht gerade in der Bundesrepublik, aber in anderen Ländern, ja häufig zu Popveranstaltungen verkommen. So jedenfalls wird es teilweise kritisiert. Ist da was dran?

    Ring-Eifel: Da ist sicher was dran. Also, das gibt es auch in Deutschland in manchen Gemeinden. Also manche Familienmesse ist ja heute auch in Deutschland fast nicht mehr als Gottesdienst, als Eucharistiefeier wiederzuerkennen. Aber, noch mal, das sind die Ausnahmen. In der Regel ist eine heilige Messe in der Römisch-Katholischen Kirche auch heute eine heilige Messe, ob sie jetzt nach dem Ritus von 1970 oder nach dem Ritus von 1962 gefeiert wird.

    Müller: Aber immerhin sichern diese moderneren Veranstaltungen ja auch den Zuspruch und das Kommen vieler Gläubiger, die sich vielleicht sonst abwenden würden. Müsste sich die Kirche nicht auf der anderen Seite vielleicht gerade in diese Richtung noch etwas offener geben?

    Ring-Eifel: Genau das ist, glaube ich, der springende Punkt. Es gibt inzwischen ja auch Leute, die sich genau deshalb von der Kirche abwenden, weil ihnen das zu oberflächlich und zu modern ist, und dass man versucht, die wieder einzufangen. Das ist eine Gratwanderung. Es gibt, wie ich eben schon sagte, es gibt da unterschiedliche Geschmäcker, und in sofern hat die Zeitung schon Recht, die neulich titelte, der Papst erlaubt jetzt mehr Möglichkeiten. Es gibt eine größere Pluralität, nur dass eben diese Pluralität auch mal in Richtung auf die Konservativen geht.

    Müller: Der Vatikanexperte Ludwig Ring-Eifel war das, Chefredakteur der Katholischen Nachrichtenagentur KNA. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.