Bettina Klein: Vor der Sendung habe ich mit dem Direktor des Institutes für medizinische Mikrobiologie an der Universität Halle, Alexander Kekulé, über die Substanz Polonium und ihre Wirkung gesprochen. Wer muss sich nun Sorgen machen um seine Gesundheit und wer sollte auf Warnsignale achten?
Alexander Kekulé: Diese Wirkungen von dem Polonium, wenn man damit vergiftet wird, unterscheiden sich nach der Dosis sehr stark. So wie wir das bei Litwinenko gesehen haben, dass man nach kürzester Zeit schwerste Symptome bekommt und dann ganz schnell stirbt, das passiert eigentlich nur bei einer starken Überdosierung - das heißt, mindestens die tausendfache tödliche Dosis, wenn nicht noch mehr. Jemand, der eine kleine Dosis abbekommen hat, und das ist im Prinzip natürlich möglich in einer Situation wie London oder vielleicht auch in Hamburg, der würde im Moment gar nichts bemerken, sondern das, wo jetzt die Strahlenschutzexperten für sorgen müssen, ist, dass das langfristige Risiko nicht steigt, zum Beispiel für Leukämien und andere Strahlenschäden.
Klein: Wie ist dieses langfristige Risiko auszuschließen?
Kekulé: Es gibt keinen Grenzwert dafür in dem Sinn. Wir wissen aber, dass es eine gewisse natürliche Strahlenbelastung immer gibt. Beispielsweise gibt es ein Gas, das heißt Radon, das ist auch radioaktiv und in vielen Häusern in Deutschland einfach vorhanden. Die Menschen leben damit. Und man kann dann statistisch zeigen, dass Menschen, die in radonverseuchten Häusern leben, vielleicht so ein ganz klein erhöhtes Risiko für manche Krebserkrankungen haben. Das ist aber nicht zu vergleichen mit dem Rauchen von Zigaretten oder mit dem Leben in der Großstadt, was als solches schon das Krebsrisiko erhöht, so dass man eigentlich vor einer Minidosis keine Angst haben muss, auch wenn die messbar ist. Wo da die Grenze ist zwischen dem, was messbar ist und dem, was schon gefährlich wird, das muss man im Einzelfall entscheiden, das kann man anhand von Urinproben dann feststellen.
Klein: Ganz praktisch gefragt, bei welchen gesundheitlichen Anzeichen sollte man vorsichtig werden und dann besser doch zum Arzt gehen?
Kekulé: Das was dort passiert sein könnte rein theoretisch ist, dass jemand, der mit Polonium umgegangen ist oder selbst durch Polonium verseucht war, einfach eine Spur hinterlassen hat. Diese Spur kann entstehen durch das Absondern von Schweiß, der hinterher trocknet. Und jemand anders könnte dann den entstehenden Staub natürlich im Prinzip inhaliert haben und hätte dann eine sehr, sehr, sehr kleine Menge Polonium aufgenommen. Da würde man selbst überhaupt keine Symptome bemerken. Also das ist nicht vergleichbar mit der Situation, die man aus der Presse von Litwinenko kennt, sondern man würde nichts bemerken. Die einzige Warnung, die man ausgeben kann, ist, dass alle diejenigen, die mit den jetzt bekannt gewordenen Kontaktpersonen zu tun hatten, dass die zum Arzt gehen sollten und sich untersuchen lassen sollten, ob sie möglicherweise Polonium aufgenommen haben, zum Beispiel durch Inhalation oder auch durch Getränke oder ähnliches. Das kann man durch eine Urinprobe feststellen.
Klein: Reichen denn die jetzt getroffenen Schutzmaßnahmen aus in Hamburg? Also die Bewohner des Hauses wurden etwa aufgefordert, ihre Kleidung zu reinigen. Ist das genug?
Kekulé: Das ist im Prinzip schon fast übervorsichtig als grundsätzliche Maßnahme. Man kann das machen. Ich persönlich hätte das wahrscheinlich nicht angeordnet, weil das die Leute eher nervös macht. Wenn solche Aufforderungen kommen, dann denkt man sich, irgendein Risiko muss ja doch da sein. Ich glaube man hat in Hamburg das richtige getan. Das Problem für die Behörden ist immer, man kann selbst allerkleinste Proben von Polonium heutzutage messen. Die Messmethoden sind extrem empfindlich. Und die Frage ist dann immer, wenn ich ganz, ganz wenig messe, was mache ich dann. Und was man halt normalerweise machen muss ist sagen, dass diese Miniwerte einfach in dem Bereich liegen, wie das sonstige Lebensrisiko. Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass die Londoner Behörden am Anfang so träge reagiert haben, weil sobald klar war, dass Polonium hier das Mittel war, mit dem Litwinenko vergiftet wurde, danach war eigentlich klar, dass der Mann tagelang eine Spur der Radioaktivität durch London gezogen hat. Dass man da so träge war, dann Alarm zu schlagen und die ganzen Plätze zu untersuchen an denen der möglicherweise auch höhere Dosen mal hinterlassen hat von Polonium, das ist eigentlich nicht besonders gut gewesen.
Klein: Inwiefern ist dadurch vielleicht das Risiko jetzt gestiegen?
Kekulé: Es ist so, dass sich das wie ein Staub natürlich verteilt. Wenn sie das besser eingrenzen können, schneller sind, dann können sie durch spezielle Reinigung, die heißt dann Dekontamination, verhindern, dass es sich weiterverteilt. Wenn sie lange warten, ist es irgendwann ein feiner Staub, der sich über eine große Fläche ausbreitet und der natürlich in geringem Maße, aber doch letztlich als Strahlung, natürlich dann ein Restrisiko für Langzeitschäden, also Krebs beispielsweise, darstellt. Das ist so ähnlich, wie nach Tschernobyl, da gab es eben sehr viel radioaktives Jod. Man kann rein theoretisch ausrechnen, wie viel Krebserkrankungen dadurch entstehen könnten in einer Population. Das ist nicht sehr viel, das ist für den einzelnen ein Minimalrisiko, das kann man ganz klar sagen, aber aus Sicht des Bevölkerungsschutzes muss man solche Quellen trotzdem schnellst möglich eliminieren.
Klein: Was macht das Polonium eigentlich so heimtückisch als Gift?
Kekulé: Bisher ist es als Gift eigentlich nie in dem Sinn eingesetzt worden. Zumindest hat man nie nachgewiesen, dass jemand damit getötet wurde. Das heimtückische ist also zunächst mal, dass keiner damit gerechnet hat. Man kennt die Chemie von Polonium nicht, das heißt, man weiß nicht, wie es sich im Körper verteilt. Man hat kein richtiges Gegengift, weil man einfach zu wenige Fälle hat, die ähnlich gelagert sind. Das kennt man nur aus Tierexperimenten. Und dadurch ist das wichtigste, dass man spät darauf kommt überhaupt. Das zweite ist, dass es eben eine sehr, sehr kleine Dosis ist, die hier ausreicht. Und gerade bei Menschen, die möglicherweise wissen, wie Zyanid schmeckt oder wie Arsen schmeckt, also die Verbindungen, mit denen man sonst so als Gift arbeitet, ist Polonium ideal, weil eben die Menge so klein ist, dass man es am Geschmack nicht mehr erkennen kann. Und drittens ist es natürlich so, dass man durch diese radioaktive Verstrahlung besonders grausam stirbt, was immer einen gewissen demonstrativen Effekt hat, der möglicherweise von den Tätern gewünscht war.
Klein: Kommen wir noch mal zu der Art, wie Polonium gewonnen werden kann und ob das eigentlich eher dafür oder dagegen spricht, dass man das anwendet in einem Mord, den man ja dann sicherlich vertuschen möchte als Täter.
Kekulé: Wenn man Zugang zu Polonium hat, wie auch immer, das wird auf dem Schwarzmarkt gehandelt, dann ist es sicher ein Instrument, was man verwenden kann. Der Nachteil für den potentiellen Täter ist, das sieht man ja auch jetzt, dass überall wo dieses Polonium verwendet wurde, man eine Spur von Radioaktivität hinterlässt, die dann hinterher messbar ist. Das macht also eine unsichtbare Spur. Das ist so ähnlich, als wenn Sie ein großes Fass hinter sich her ziehen, was ein Loch hat, wo ständig etwas heraustropft. Das könnten Bluthunde dann möglicherweise wittern. Und so ähnlich ist das mit den Geigerzählern, die das Polonium dann wittern, beziehungsweise den radioaktiven Messgeräten. Gewonnen wird es üblicherweise in Kernreaktoren. Das heißt also, man braucht ein richtiges Kernforschungszentrum oder ähnliches, um das herzustellen. Weltweit ist es so, dass fast die ganze Produktion aus Russland kommt. Dort haben die große Anlagen, die das herstellen. Und zwar deshalb, weil das früher als Zünder für die ganz alten Atombomben verwendet wurde. Heutzutage macht man das anders, aber die Russen stellen weiterhin große Mengen Polonium her jedes Jahr und exportieren das in die ganze Welt. Das wird in die USA exportiert, sehr viel auch nach England übrigens, weil das für bestimmte technische Anwendungen noch gebraucht wird. Und dadurch, dass das eben vorhanden ist, dadurch, dass das exportiert wird, gibt es natürlich auch einen Schwarzmarkt dafür.
Klein: Aber wenn es diesen Schwarzmarkt gibt, dann sticht jawohl doch nicht das Argument, dass man sehr genau nachweisen könne, in welchem Labor das Polonium hergestellt worden ist, und dass es daher eigentlich für jemanden, der einen heimlichen Mord begehen möchte als Tatwaffe dann doch nicht in Frage kommt.
Kekulé: Nein, das Argument sticht überhaupt nicht. Es ist so, dass es meines Wissens auf der Welt ungefähr drei oder vier große Poloniumproduktionsstätten gibt. Natürlich kann man nachweisen, aus welcher dieser Stätten das dann letztlich kommt. Das liegt daran, dass die Radioaktivität immer gewisse Beimischungen hat, Verunreinigungen hat. Anhand derer kann man das meistens dann herauskriegen. Nur, weil eben von diesen Produktionsstätten das in die ganze Welt verteilt wird, weiß man dann immer noch nicht, wo das abgezweigt wurde. Ich glaube, die Konsequenz, die wir daraus ziehen müssen, ist in erster Linie, dass wir mal nach Russland gehen und schauen, wie dort die Sachen produziert werden. Die Arbeitsbedingungen dort sind, was ich gehört habe, wirklich katastrophal. Deutsche Kernexperten sagen, sie wollten dort nicht einmal einen Besuch machen, weil diese Arbeitsstätten einfach nicht nach unserem Standard gesichert sind. Es wäre sicherlich sinnvoll von der internationalen Gemeinschaft und den Ländern, die Russland für sehr viel Geld dieses Polonium abkaufen, zu fordern, dass es entsprechende Sicherheitsvorkehrungen gibt und eben nicht so viel irgendwo auf dem Graumarkt verschwindet. Oder anders gesagt, man müsste ähnlich, wie bei Kernforschungsanlagen, die ja sonst unter der Inspektion der internationalen Atombehörde stehen, hier wirklich fordern, dass es entsprechende Sicherheitsmaßnahmen, vielleicht sogar Wachen, gibt, die international durchgeführt werden, internationale Protokolle gibt, die diese Produktionsanlagen schützen.
Alexander Kekulé: Diese Wirkungen von dem Polonium, wenn man damit vergiftet wird, unterscheiden sich nach der Dosis sehr stark. So wie wir das bei Litwinenko gesehen haben, dass man nach kürzester Zeit schwerste Symptome bekommt und dann ganz schnell stirbt, das passiert eigentlich nur bei einer starken Überdosierung - das heißt, mindestens die tausendfache tödliche Dosis, wenn nicht noch mehr. Jemand, der eine kleine Dosis abbekommen hat, und das ist im Prinzip natürlich möglich in einer Situation wie London oder vielleicht auch in Hamburg, der würde im Moment gar nichts bemerken, sondern das, wo jetzt die Strahlenschutzexperten für sorgen müssen, ist, dass das langfristige Risiko nicht steigt, zum Beispiel für Leukämien und andere Strahlenschäden.
Klein: Wie ist dieses langfristige Risiko auszuschließen?
Kekulé: Es gibt keinen Grenzwert dafür in dem Sinn. Wir wissen aber, dass es eine gewisse natürliche Strahlenbelastung immer gibt. Beispielsweise gibt es ein Gas, das heißt Radon, das ist auch radioaktiv und in vielen Häusern in Deutschland einfach vorhanden. Die Menschen leben damit. Und man kann dann statistisch zeigen, dass Menschen, die in radonverseuchten Häusern leben, vielleicht so ein ganz klein erhöhtes Risiko für manche Krebserkrankungen haben. Das ist aber nicht zu vergleichen mit dem Rauchen von Zigaretten oder mit dem Leben in der Großstadt, was als solches schon das Krebsrisiko erhöht, so dass man eigentlich vor einer Minidosis keine Angst haben muss, auch wenn die messbar ist. Wo da die Grenze ist zwischen dem, was messbar ist und dem, was schon gefährlich wird, das muss man im Einzelfall entscheiden, das kann man anhand von Urinproben dann feststellen.
Klein: Ganz praktisch gefragt, bei welchen gesundheitlichen Anzeichen sollte man vorsichtig werden und dann besser doch zum Arzt gehen?
Kekulé: Das was dort passiert sein könnte rein theoretisch ist, dass jemand, der mit Polonium umgegangen ist oder selbst durch Polonium verseucht war, einfach eine Spur hinterlassen hat. Diese Spur kann entstehen durch das Absondern von Schweiß, der hinterher trocknet. Und jemand anders könnte dann den entstehenden Staub natürlich im Prinzip inhaliert haben und hätte dann eine sehr, sehr, sehr kleine Menge Polonium aufgenommen. Da würde man selbst überhaupt keine Symptome bemerken. Also das ist nicht vergleichbar mit der Situation, die man aus der Presse von Litwinenko kennt, sondern man würde nichts bemerken. Die einzige Warnung, die man ausgeben kann, ist, dass alle diejenigen, die mit den jetzt bekannt gewordenen Kontaktpersonen zu tun hatten, dass die zum Arzt gehen sollten und sich untersuchen lassen sollten, ob sie möglicherweise Polonium aufgenommen haben, zum Beispiel durch Inhalation oder auch durch Getränke oder ähnliches. Das kann man durch eine Urinprobe feststellen.
Klein: Reichen denn die jetzt getroffenen Schutzmaßnahmen aus in Hamburg? Also die Bewohner des Hauses wurden etwa aufgefordert, ihre Kleidung zu reinigen. Ist das genug?
Kekulé: Das ist im Prinzip schon fast übervorsichtig als grundsätzliche Maßnahme. Man kann das machen. Ich persönlich hätte das wahrscheinlich nicht angeordnet, weil das die Leute eher nervös macht. Wenn solche Aufforderungen kommen, dann denkt man sich, irgendein Risiko muss ja doch da sein. Ich glaube man hat in Hamburg das richtige getan. Das Problem für die Behörden ist immer, man kann selbst allerkleinste Proben von Polonium heutzutage messen. Die Messmethoden sind extrem empfindlich. Und die Frage ist dann immer, wenn ich ganz, ganz wenig messe, was mache ich dann. Und was man halt normalerweise machen muss ist sagen, dass diese Miniwerte einfach in dem Bereich liegen, wie das sonstige Lebensrisiko. Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass die Londoner Behörden am Anfang so träge reagiert haben, weil sobald klar war, dass Polonium hier das Mittel war, mit dem Litwinenko vergiftet wurde, danach war eigentlich klar, dass der Mann tagelang eine Spur der Radioaktivität durch London gezogen hat. Dass man da so träge war, dann Alarm zu schlagen und die ganzen Plätze zu untersuchen an denen der möglicherweise auch höhere Dosen mal hinterlassen hat von Polonium, das ist eigentlich nicht besonders gut gewesen.
Klein: Inwiefern ist dadurch vielleicht das Risiko jetzt gestiegen?
Kekulé: Es ist so, dass sich das wie ein Staub natürlich verteilt. Wenn sie das besser eingrenzen können, schneller sind, dann können sie durch spezielle Reinigung, die heißt dann Dekontamination, verhindern, dass es sich weiterverteilt. Wenn sie lange warten, ist es irgendwann ein feiner Staub, der sich über eine große Fläche ausbreitet und der natürlich in geringem Maße, aber doch letztlich als Strahlung, natürlich dann ein Restrisiko für Langzeitschäden, also Krebs beispielsweise, darstellt. Das ist so ähnlich, wie nach Tschernobyl, da gab es eben sehr viel radioaktives Jod. Man kann rein theoretisch ausrechnen, wie viel Krebserkrankungen dadurch entstehen könnten in einer Population. Das ist nicht sehr viel, das ist für den einzelnen ein Minimalrisiko, das kann man ganz klar sagen, aber aus Sicht des Bevölkerungsschutzes muss man solche Quellen trotzdem schnellst möglich eliminieren.
Klein: Was macht das Polonium eigentlich so heimtückisch als Gift?
Kekulé: Bisher ist es als Gift eigentlich nie in dem Sinn eingesetzt worden. Zumindest hat man nie nachgewiesen, dass jemand damit getötet wurde. Das heimtückische ist also zunächst mal, dass keiner damit gerechnet hat. Man kennt die Chemie von Polonium nicht, das heißt, man weiß nicht, wie es sich im Körper verteilt. Man hat kein richtiges Gegengift, weil man einfach zu wenige Fälle hat, die ähnlich gelagert sind. Das kennt man nur aus Tierexperimenten. Und dadurch ist das wichtigste, dass man spät darauf kommt überhaupt. Das zweite ist, dass es eben eine sehr, sehr kleine Dosis ist, die hier ausreicht. Und gerade bei Menschen, die möglicherweise wissen, wie Zyanid schmeckt oder wie Arsen schmeckt, also die Verbindungen, mit denen man sonst so als Gift arbeitet, ist Polonium ideal, weil eben die Menge so klein ist, dass man es am Geschmack nicht mehr erkennen kann. Und drittens ist es natürlich so, dass man durch diese radioaktive Verstrahlung besonders grausam stirbt, was immer einen gewissen demonstrativen Effekt hat, der möglicherweise von den Tätern gewünscht war.
Klein: Kommen wir noch mal zu der Art, wie Polonium gewonnen werden kann und ob das eigentlich eher dafür oder dagegen spricht, dass man das anwendet in einem Mord, den man ja dann sicherlich vertuschen möchte als Täter.
Kekulé: Wenn man Zugang zu Polonium hat, wie auch immer, das wird auf dem Schwarzmarkt gehandelt, dann ist es sicher ein Instrument, was man verwenden kann. Der Nachteil für den potentiellen Täter ist, das sieht man ja auch jetzt, dass überall wo dieses Polonium verwendet wurde, man eine Spur von Radioaktivität hinterlässt, die dann hinterher messbar ist. Das macht also eine unsichtbare Spur. Das ist so ähnlich, als wenn Sie ein großes Fass hinter sich her ziehen, was ein Loch hat, wo ständig etwas heraustropft. Das könnten Bluthunde dann möglicherweise wittern. Und so ähnlich ist das mit den Geigerzählern, die das Polonium dann wittern, beziehungsweise den radioaktiven Messgeräten. Gewonnen wird es üblicherweise in Kernreaktoren. Das heißt also, man braucht ein richtiges Kernforschungszentrum oder ähnliches, um das herzustellen. Weltweit ist es so, dass fast die ganze Produktion aus Russland kommt. Dort haben die große Anlagen, die das herstellen. Und zwar deshalb, weil das früher als Zünder für die ganz alten Atombomben verwendet wurde. Heutzutage macht man das anders, aber die Russen stellen weiterhin große Mengen Polonium her jedes Jahr und exportieren das in die ganze Welt. Das wird in die USA exportiert, sehr viel auch nach England übrigens, weil das für bestimmte technische Anwendungen noch gebraucht wird. Und dadurch, dass das eben vorhanden ist, dadurch, dass das exportiert wird, gibt es natürlich auch einen Schwarzmarkt dafür.
Klein: Aber wenn es diesen Schwarzmarkt gibt, dann sticht jawohl doch nicht das Argument, dass man sehr genau nachweisen könne, in welchem Labor das Polonium hergestellt worden ist, und dass es daher eigentlich für jemanden, der einen heimlichen Mord begehen möchte als Tatwaffe dann doch nicht in Frage kommt.
Kekulé: Nein, das Argument sticht überhaupt nicht. Es ist so, dass es meines Wissens auf der Welt ungefähr drei oder vier große Poloniumproduktionsstätten gibt. Natürlich kann man nachweisen, aus welcher dieser Stätten das dann letztlich kommt. Das liegt daran, dass die Radioaktivität immer gewisse Beimischungen hat, Verunreinigungen hat. Anhand derer kann man das meistens dann herauskriegen. Nur, weil eben von diesen Produktionsstätten das in die ganze Welt verteilt wird, weiß man dann immer noch nicht, wo das abgezweigt wurde. Ich glaube, die Konsequenz, die wir daraus ziehen müssen, ist in erster Linie, dass wir mal nach Russland gehen und schauen, wie dort die Sachen produziert werden. Die Arbeitsbedingungen dort sind, was ich gehört habe, wirklich katastrophal. Deutsche Kernexperten sagen, sie wollten dort nicht einmal einen Besuch machen, weil diese Arbeitsstätten einfach nicht nach unserem Standard gesichert sind. Es wäre sicherlich sinnvoll von der internationalen Gemeinschaft und den Ländern, die Russland für sehr viel Geld dieses Polonium abkaufen, zu fordern, dass es entsprechende Sicherheitsvorkehrungen gibt und eben nicht so viel irgendwo auf dem Graumarkt verschwindet. Oder anders gesagt, man müsste ähnlich, wie bei Kernforschungsanlagen, die ja sonst unter der Inspektion der internationalen Atombehörde stehen, hier wirklich fordern, dass es entsprechende Sicherheitsmaßnahmen, vielleicht sogar Wachen, gibt, die international durchgeführt werden, internationale Protokolle gibt, die diese Produktionsanlagen schützen.