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"Es gibt leider keinen Königsweg"

Nur mit einer Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke könnten die Klimaschutzziele erreicht werden, sagt der stellvertretende Vorsitzende des Umweltausschusses im Deutschen Bundestag, Horst Meierhofer (FDP). Der Anteil der erneuerbaren Energien sei derzeit mit unter 20 Prozent zu gering, so dass Alternativen notwendig seien.

Horst Meierhofer im Gespräch mit Mario Dobovisek | 23.01.2010
    Mario Dobovisek: Und am Telefon begrüße ich Horst Meierhofer, für die FDP ist er stellvertretender Vorsitzender des Umweltausschusses im Deutschen Bundestag. Guten Morgen, Herr Meierhofer!


    Horst Meierhofer: Schönen guten Morgen!

    Dobovisek: Stehen wir, wenn die Sicherheitshürden überwunden sind, vor dem Ausstieg vom Ausstieg, Herr Meierhofer?

    Meierhofer: Zumindest ist es das Angebot der Politik, darüber zu verhandeln. Und wie im Beitrag ja schon angeklungen ist, geht es natürlich auch darum, was mit den Mitteln getan werden kann, und die müssen natürlich auch den Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung gestellt werden, dadurch, dass entweder die Strompreise sinken, dass zusätzlich investiert wird, vor allem in erneuerbare Energien. Wenn man hier ein vernünftiges Prozedere findet, dann ist diese Möglichkeit offen.

    Dobovisek: Kommen wir darauf noch mal später zurück. Warum brauchen wir die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke?

    Meierhofer: Weil wir momentan CO2-Problematik haben, das heißt, wir versuchen die Schutzziele, die sehr, sehr ambitioniert sind, zu erreichen – 40 Prozent, 80 bis 95 Prozent langfristig bis 2050 Reduktion. Und um solche Ziele zu erreichen, müssen wir uns auch drauf einstellen, was die Energieversorgung angeht. Und wir haben uns für einen sehr, sehr starken (…) (Anm. d. Red.: Schwer verständlich im Hörprotokoll) erneuerbaren dadurch eingesetzt, dass wir weiterhin den Einspeisevorgang und das Erneuerbare-Energien-Gesetz fortentwickeln wollen. Wir haben ambitionierte Ziele, wir sehen aber auch, dass wir momentan noch sehr deutlich unter 20 Prozent Anteil durch erneuerbare Energien sind, und deswegen brauchen wir Alternativen. Und dazu gehört zum jetzigen Zeitpunkt auch die Atomkraft.

    Dobovisek: Wie passt es dann, dass Sie gerade, wenn Sie das Erneuerbare-Energien-Gesetz ansprechen, die Förderung zum Beispiel für Solarstrom so drastisch reduziert haben?

    Meierhofer: Weil es in den letzten Jahren auch zu deutlichen Überförderungen gekommen ist. Der Vorschlag, der jetzt auf dem Tisch liegt, ist der vom Umweltminister Röttgen. Wir als FDP-Fraktion werden uns am Montag mit Experten zusammensetzen, werden das Thema noch mal diskutieren. Also das ist noch nicht unser Vorschlag, aber dass es zu deutlichen Senkungen kommen kann, hat auch die Solarindustrie bereits angekündigt. Was noch diskutiert werden muss, ist sicherlich der Zeitpunkt, ob Dachflächen schon zum 01.04. reduziert werden oder erst zum 01.07., wie es mit Übergangsfristen aussieht, um auch die Investitionssicherheit zu garantieren – all das sind die Fragen. Aber insgesamt die erneuerbaren Energien weiter ausbauen zu wollen, das ist unser gemeinsames Ziel und daran werden wir auf jeden Fall festhalten.

    Dobovisek: Bis dahin soll die Atomkraft, geht es nach der schwarz-gelben Koalition, als Brückentechnologie angesetzt werden, so sagt es Umweltminister Norbert Röttgen. Ja, wie lang soll denn diese Brücke maximal sein?

    Meierhofer: Es gibt für mich jetzt in der Diskussion unterschiedliche Optionen. Die eine Option ist, entweder jedes (…) (Anm. d. Red.: Schwer verständlich im Hörprotokoll) gleich lang zu verlängern, zu sagen, die nächsten zehn Jahre. (…) (Anm. d. Red.: Schwer verständlich im Hörprotokoll) die Option ist, sich jedes Kraftwerk anzusehen. Sie haben in Ihrem Beitrag auch darauf hingewiesen, dass es unterschiedliche Zeitstandards bei einzelnen Kraftwerken geben kann, und wir wollen auch auf die maximale (…) (Anm. d. Red.: Schwer verständlich im Hörprotokoll) achten, die möglich ist, deswegen kann eine Option auch sein, dass wir die Kraftwerke unterschiedlich lange verlängern, um dann auch ein Maximum an Sicherheit zu erreichen. Aber all das ist noch nicht entschieden, es ist auch nicht im Koalitionsvertrag vorgelegt oder festgeschrieben, und deswegen haben wir jetzt hier unterschiedliche Optionen, die dann auch mit den jeweiligen Betreibern diskutiert werden müssen. Auch die müssen ja Angebote machen, wie es mit Nachrüstung von sicherheitstechnischen Standards beispielsweise aussehen könnte.

    Dobovisek: Herr Meierhofer, wir können Sie ab und zu recht schwierig verstehen, weil wir mehrere Aussetzer in der Leitung haben. Vielleicht können Sie sich ein bisschen Richtung Fenster bewegen, dann wird es möglicherweise besser. Irgendwann werden aber auch die längeren Laufzeiten ausgereizt sein, wird es dann mit der FDP neue Atomkraftwerke geben?

    Meierhofer: Nein, also das ist eine feste Vereinbarung im Koalitionsvertrag, wir wollen sichere Laufzeiten für Kernkraftwerke ermöglichen, wir wollen aber keinen Neubau von Atomkraftwerken.

    Dobovisek: Sie sind Ende 30, Herr Meierhofer, zählen also noch zu den jüngeren Politikern, sind verheiratet, haben einen Sohn – wie wollen Sie ihm erklären, dass Sie den Atomkurs zunächst, den Atomkurs Ihrer Vorgänger jetzt so fortsetzen wollen, sprich mehr Atommüll, mehr Atomenergie?

    Meierhofer: Wir haben unterschiedliche Probleme, und wir haben im Moment 16, 17 Prozent erneuerbare Energien, wir haben 22, 23 Prozent Kernkraft, wir haben fast oder ungefähr 50 Prozent Kohlekraft, also wir haben insgesamt bei der Erzeugung von Energie keine leichte Situation. Wir merken auch, dass die Problematik bei Kohlekraft vorhanden ist, dass beispielsweise die CO2-Problematik durch Abscheidung von CO2 gelöst werden könnte, unterirdische Einspeisung. Auch da gibt es sehr, sehr großen Widerstand. Das heißt, wir haben unglaublich viele Probleme, die wir gleichzeitig lösen müssen. Deswegen haben wir jetzt sagen, machen wir Energiekonzept, zeigen wir den Menschen, welche Optionen es gibt. Und dieses Energiekonzept soll im Herbst dieses Jahres vorliegen. Und dann müssen wir uns entscheiden. Und es gibt leider keinen Königsweg, mit dem alle glücklich und zufrieden sind. Mir wäre es auch am liebsten, wir könnten die gesamte Energie durch erneuerbare erzeugen. Das ist auch ein Grund gewesen, weshalb ich auch die FDP in die Richtung mit leiten konnte, dass wir uns fürs Erneuerbare-Energien-Gesetz einsetzen. Also ich bin wirklich ein großer Fan der Erneuerbaren und bin da bereit, wirklich die Förderung noch lange auch fortzusetzen, solange es nötig ist.

    Dobovisek: Nun ist der Atommüll aber da, und ...

    Meierhofer: Er ist schon da, ohnehin da, das ist tatsächlich ein Problem. Wir haben auch noch keine vernünftige Lösung für die Endlagerung, deswegen haben wir ja auch den Kurs, den Herr Gabriel und Herr Trittin gepflegt haben, jetzt beendet zu sagen, wir erforschen (…) (Anm. d. Red.: Schwer verständlich im Hörprotokoll) nicht weiter, deswegen soll Gorleben erforscht werden, deswegen wird jetzt überprüft, wie der beste Weg ist, um mit dem Atommüll umzugehen, was schwach und mittel radioaktiven Müll betrifft, der in der Asse liegt. Auch hier haben wir Probleme, das müssen wir lösen, das wurde jetzt über Jahre einfach vergessen, es wurde einfach nichts getan. Es gab Moratorien, um einerseits ein Schreckgespenst aufrechtzuerhalten, andererseits aber auch nicht die Verantwortung zu übernehmen. Und das gehört auch zur Wahrheit, dass wir hier wirklich aktiv werden müssen und dass wir hier den Leuten Transparenz zeigen müssen. Das gab es die letzten elf Jahre nicht.

    Dobovisek: In welche Pflicht wollen Sie dabei die Energieversorger, die ja Atomkraftwerksbetreiber nehmen?

    Meierhofer: Das wird eine Sache sein. Also was die gesetzliche Grundlage momentan betrifft, ist, was die Asse betrifft, sind die Privatunternehmen nicht in der Verantwortung, aber auch das ist eine Sache, über die man sprechen kann, wenn es um den Konsens geht, um den Atomkonsens, wenn es darum geht, längere Laufzeiten zu ermöglichen.

    Dobovisek: Über die man sprechen kann, Herr Meierhofer – über die man sprechen muss?

    Meierhofer: Über die man auch sprechen muss, ja klar? Also natürlich ist das ein Bereich, über den man auch sprechen muss, genauso wie über den Anteil dessen, was von den Gewinnen, die mit Sicherheit erzielt werden können, so investiert werden, dass man sogar die Erneuerbaren noch beschleunigt. (…) (Anm. d. Red.: Schwer verständlich im Hörprotokoll) Laufzeitverlängerung.

    Dobovisek: Tun wir da mal ein bisschen Butter bei die Fische: Zehn Jahre Laufzeitverlängerung brächten der Energiewirtschaft über 50 Milliarden Euro zusätzlicher Gewinne, das haben meine Kollegen aus der Wirtschaftsredaktion mal grob überschlagen. Ja, das müsste doch reichen, um auch den Atommüll sicher zu verwahren, oder nicht?

    Meierhofer: Ja, wir wollen aber nicht 50 Milliarden Euro für die Atommüll verwenden, sondern wir wollen es für die Forschung erneuerbarer Energien zu einem großen Teil verwenden. Und wir wollen es auch für die Entlastung der Bürger verwenden. Was den Atommüll, der erzeugt wird, betrifft, dafür ist die Atomindustrie selbst zuständig, das müssen sie selbst bezahlen, dafür müssen die Sicherheiten hinterlegt werden, das ist nicht unsere Aufgabe. Was die Asse betraf, das war ein Forschungswerk, deswegen ist auch zum überwiegenden Teil auch da Müll drin, der aus Forschungseinrichtungen kam, der im Übrigen auch von medizinischen Einrichtungen und (…) (Anm. d. Red.: Schwer verständlich im Hörprotokoll) kam, der aus Karlsruhe kam. Aber das, was an Atommüll erzeugt wird, das ist natürlich nicht die Aufgabe von uns als Steuerzahler, sondern das ist die Aufgabe derjenigen, die ihn auch produziert haben.

    Dobovisek: Auf Ihrer Internetseite schreiben Sie, Herr Meierhofer, sie setzten sich ein für eine moderne, liberale Handschrift in der Umweltpolitik. Ja, was bedeutet das?

    Meierhofer: Das bedeutet einerseits, sehr ambitionierte Ziele zu setzen, was Klimaschutz betrifft, was auch einen Ausbau von Technologien betrifft, die wir in Deutschland brauchen, und da zähle ich ganz zuvorderst auch die Erneuerbaren hinzu. Das bedeutet aber auch, die eine oder andere Realität anzuerkennen, und dazu gehört es auch, zu überlegen, wie wir diese CO2-Reduzierung hinkriegen können, wie wir Übergangsfristen erreichen, und es ausschließlich mit Kohle und Gas zu machen, wäre nicht meine liberale Antwort. Die FDP hat da eine reiche Geschichte, was die Umweltpolitik betrifft, schon seit den 70er-Jahren, und wir sind gerade dabei, wieder einiges hier an der Stelle ein bisschen auch nach vorne zu bringen. Und ??? Prozent unkoordinierte, unkonditionierte CO2-Reduktion, das ist eine Sache, die weder Rot-Grün noch Schwarz-Rot geschafft hätten. Also da, glaube ich, hat die FDP schon eine gute Handschrift mit hinterlassen.

    Dobovisek: Der FDP-Politiker Horst Meierhofer. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Umweltausschusses im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Meierhofer!

    Meierhofer: Sehr, sehr gerne, schönes Wochenende!