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"Es hat was Kosmetisches"

Der Wirtschaftswissenschaftler Roland Eisen geht davon aus, dass die Konjunkturprogramme der Bundesregierung frühestens im Sommer Wirkung zeigen werden. Gleichzeitig hätte er sich mehr Geld für konjunkturfördernde Maßnahmen gewünscht, um eine Verschärfung der Krise abzuwenden.

Roland Eisen im Gespräch mit Gerd Breker |
    Gerd Breker: Nun prasseln also nur so von allen Seiten die schlechten Nachrichten. Es lässt sich nicht länger leugnen: wir steuern auf eine Krise zu, die sich gewaschen hat. Es wird noch viel schlechter, bevor es besser werden kann. Die Wirtschaft schrumpft weit mehr als gedacht. Wir sind bei Minus 6 Prozent angekommen. Der Trend - da sind sich Bundesregierung und Internationaler Währungsfonds einig -, er weist nach unten. Heute nun waren die Wirtschaftsinstitute mit ihrer Frühjahrsprognose an der Reihe, und sie reihten sich ein.
    Am Telefon bin ich nun verbunden mit dem Wirtschaftswissenschaftler Roland Eisen, ehemaliger Professor für Wirtschafts- und Sozialpolitik an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt. Guten Tag, Herr Eisen.

    Roland Eisen: Schönen guten Tag, Herr Breker.

    Breker: Herr Eisen, eines ist gewiss: Es geht bergab und die Talsohle ist beileibe noch nicht erreicht.

    Eisen: Das scheint so zu sein, ja.

    Breker: Nun gab es gestern einen Gipfel im Bundeskanzleramt, wo man ein drittes Konjunkturpaket mit der Begründung abgelehnt hat, Konjunkturpaket I und II, sie hätten noch gar nicht gegriffen. Waren das die falschen Pakete?

    Eisen: Nein. Solche Konjunkturpakete, die brauchen immer etwas Zeit, bis sie verabschiedet werden, bis sie in der Praxis sozusagen ankommen und bis sie dann wirksam werden, und ich glaube, das hat ja auch die Gemeinschaftsprognose unterstützt, indem sie sagt, ja, bis das dann anläuft, im Sommer, wir hoffen, dass es im Herbst dann wirksam wird. Mehr kann man wahrscheinlich dazu gar nicht sagen, so dass die Idee ist, im Herbst ist vielleicht der Abschwung zu Ende gegangen und es könnte aufwärts gehen. Nun kommt dann der Winter, was wieder nicht sehr günstig ist.

    Breker: Und dann erst würden überhaupt die Maßnahmen, die man da beschlossen hat, greifen? Man hatte doch gesagt, als die Konjunkturpakete geschnürt wurden, man wolle sie punktgenau haben und man wolle eine ganz schnelle Wirkung haben. Gibt es keine schnellere Wirkung?

    Eisen: Ein halbes Jahr muss man wahrscheinlich immer rechnen, weil bis die Verhaltensweisen sich verändert haben, dauert es einfach seine Zeit.

    Breker: Wenn es denn dann, Herr Eisen, erst im Sommer, im frühen Herbst greifen kann, was man da an konjunkturellen Maßnahmen beschlossen hat, dann wird doch die Krise auf dem Arbeitsmarkt schon längst angekommen sein?

    Eisen: Da ist die angekommen, ja. Sie wird sich jetzt im Frühling und im Sommer sehr wahrscheinlich sehr deutlich zeigen.

    Breker: Und das einzige, was der Bundesregierung eingefallen ist, ist dieses Kurzarbeitergeld zu verlängern, aber ist das nicht eigentlich auch eine Illusion? Jedes Unternehmen wird doch Kurzarbeit nur so lange gewähren, bis dass man wieder neue Aufträge sieht.

    Eisen: Das ist richtig, aber Kurzarbeit heißt ja, dass noch nicht Arbeitslosigkeit existiert. Wahrscheinlich wirken die Zahlen der Arbeitslosigkeit, wenn man die dann publiziert, dann noch viel schwieriger oder stärker auf die Psychologie der Leute, als wenn man sagt, Kurzarbeit. Kurzarbeit bedeutet ja, dass im Prinzip die Leute ja Arbeit haben, auch hier fast ihr Geld bekommen, so dass man da dann optimistischer in die Zukunft schaut, als wenn man sofort mit den Arbeitslosenzahlen kommt.

    Breker: Aber es hat etwas Kosmetisches?

    Eisen: Es hat was Kosmetisches, ja. Kosmetik hat aber auch immer psychologische Effekte. Das sieht man ja immer dann, wenn man Kosmetik sieht, dass man sagt, oh, hübsch.

    Breker: Allerdings, Herr Eisen, ist ja auch evident, die Krise wird sich spiralenförmig verschärfen. In dem Moment, wo also weniger gearbeitet wird, gibt es weniger Steuereinnahmen. Es gibt für die Sozialsysteme weniger Einnahmen, die Verschuldung wird steigen. Irgendwo forciert sich doch auch die Krise dann.

    Eisen: Ja. Das ist so eine Rezession, wenn sie sich auswirkt. Das ist immer so ein negativer Multiplikatorprozess, wie das bei den Theoretikern so schön heißt, dass man sagt, okay, da muss man relativ gut dann vertrauen auf die Stabilitätskräfte, die im System drin sind, dass man sagt, okay, wenn der Staat seine Budgets nicht zurückfährt, bedeutet das ja, dass da eine gewisse Nachfrage existiert, die das System auf einer bestimmten Ebene bestimmt stabilisieren wird. Und wenn der Staat jetzt sagt, okay, er macht jetzt diese Konjunkturprogramme, 50 Milliarden und das zweite Konjunkturprogramm, so dass man sagt, okay, er ist bereit, sich da zu verschulden und Nachfrage zu erzeugen, eben auch jetzt mit der Rentenerhöhung, so dass man sagt, man kriegt auch private Nachfrage, das bremst dann irgendwann diese Abwärtsspirale, wie Sie es genannt haben, diesen negativen Prozess.

    Breker: Nun hat ja gestern, Herr Eisen, als der Internationale Währungsfonds seine Prognose abgegeben hat, auch darin Europa und auch speziell Deutschland kritisiert ob ihrer Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise. Haben denn die Herren da in Washington keine Ahnung?

    Eisen: Doch, doch. Die Idee war - und das hat sich ja auch bei den Deutschen ein bisschen durchgesetzt -, dass man gesagt hat, vielleicht war es sehr bescheiden, was man aufgelegt hat. Man hat gesagt, okay, das sind 50 Milliarden, das ist gerechnet am Staatsbudget noch nicht ausreichend genug. Man müsste vielleicht auf 75, 90 Milliarden gehen, um einfach hier sehr positive Signale zu senden. Das ist das, was die Washingtoner auch kritisieren, was auch der berühmte Paul Krugman kritisiert hat, dass er im Prinzip sagt, das was die Deutschen machen ist zu wenig und sie hätten es besser koordinieren sollen in Europa. Es ist erstaunlich, dass die Europäer auch da jeder so sein eigenes Süppchen kochen.

    Breker: Sprich versagt haben eigentlich?

    Eisen: Ja, versagt würde ich nicht sagen, aber man hätte da besser koordinieren können.

    Breker: Ja, sogar müssen!

    Eisen: Dann wäre es wahrscheinlich auch besser gelaufen.

    Breker: Herr Eisen, wenn man jetzt diese Konjunkturpakete sich anschaut, wäre es nicht grundsätzlich klüger gewesen, man wäre hingegangen und hätte, statt spezielle Branchen (sieht Abwrackprämie) zu fördern, einfach den Bürgern mehr Geld in die Hand gegeben und hätte dann die Kräfte des Marktes wirken lassen, also die Geschäftsmodelle, die funktionieren, die angenommen werden, die werden gefördert und so eigentlich auch eine bessere Strukturpolitik gemacht?

    Eisen: Ja, das ist schwierig, jemand Geld in die Hand zu geben. Ich habe nicht viel von diesen 500 Euro gehalten, die sozusagen an die Leute verteilt werden, weil ich nicht weiß, was die damit tun. Es könnte genauso gut gewesen sein, dass die Leute das sparen, auf die hohe Kante legen. Gerade wenn es solche pessimistischen Stimmungen gibt, sind die Leute auch bereit, sehr viel zu sparen. Genau das ist das Gegenteil von dem, was man im Prinzip will. Ob die das ausgegeben hätten, weiß ich nicht. Insofern ist es sehr direkt, wenn der Staat Nachfrage erzeugt, wenn er Geld für Nachfrage ausgibt. Dann hat er da einen viel direkteren Effekt. Ich bin pessimistisch bezüglich der Abwrackprämie, was ihre Umwelteffekte betrifft oder so etwas, aber ich bin sehr optimistisch, was ihren direkten Konjunktureffekt betrifft.

    Breker: Fassen wir zusammen. Aus Ihrer Sicht waren die Konjunkturpakete nötig; sie hätten möglicherweise ein bisschen umfangreicher sein können?

    Eisen: Das würde ich unterschreiben, ja.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das der ehemalige Professor für Wirtschafts- und Sozialpolitik an der Frankfurter Universität, Roland Eisen. Herr Eisen, danke für dieses Gespräch.

    Eisen: Vielen Dank Ihnen.