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"Es ist auch eine Gefahrenabwehr"

Zum heutigen Spiel England gegen Schweden werden ungefähr 80.000 Fans aus beiden Ländern erwartet, die meisten ohne Tickets. Die zusätzlichen Kosten für weitere Großbildleinwände in Höhe von 1,1 Millionen Euro hält Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma für gerechtfertigt. Der vierte öffentliche Platz auf der anderen Rheinseite könnte Zusammenstöße verhindern, glaubt Schramma.

    Meurer: Für die deutschen Fußball-Fans steht heute das letzte Gruppenspiel gegen Ecuador im Mittelpunkt. International aber findet die meiste Beachtung die Partie England gegen Schweden in Köln. Rund 60.000 Engländer oder mehr werden in der Domstadt erwartet. Hinzu kommen etwa 20.000 Schweden. Nur der geringere Teil davon verfügt über Tickets, um ins Stadion zu kommen. Das bedeutet natürlich Großeinsatz unter anderem für die Polizei. Die Kölner City macht sich auf einiges gefasst. – Am Telefon begrüße ich Fritz Schramma, den Kölner Oberbürgermeister (CDU). Guten Morgen Herr Schramma!

    Schramma: : Schönen guten Morgen Herr Meurer!

    Meurer: Was rollt da heute auf Köln zu?

    Schramma: : Ja, es hat sich eigentlich schon in den letzten Tagen angebahnt, denn ich war am Wochenende natürlich auch in der Innenstadt und es haben sich immer mehr Engländer und auch Schweden schon eingefunden. Heute haben wir aber schon vom Flughafen die Meldung, dass glaube ich 70 Extramaschinen aus England herüber kommen, die hier in Köln-Bonn landen.

    Ja, Sie haben die Zahl schon genannt. 60.000 Fans sind es mindestens und nur ein geringer Teil davon hat Karten, so dass wir einfach die Stadt jetzt schon voll und heute Nachmittag sicher übervoll haben.

    Meurer: Was ist das Schwierigste daran, diesen Ansturm zu verkraften?

    Schramma: : Wir haben einige Public-Viewing-Bereiche ausgewiesen. Die hätten den normalen Bedarf auch gedeckt. Das ist ein Platz am Heumarkt, das ist ein Platz am Dom, direkt am Roncalliplatz, und das ist ein dritter Platz am Deutschen Sport- und Olympiamuseum. Mit diesem Ansturm hat man aber am Anfang nicht rechnen können. Wir haben aus Frankfurt die Zahlen bekommen, aus Nürnberg die Zahlen bekommen, wo die Engländer schon waren, und so mussten wir uns entscheiden, eine vierte Fläche auszuweisen. Das haben wir auf dem anderen Rheinufer gemacht, 130 Quadratmeter mit zwei Großbildleinwänden. Da wollen wir also die englischen Fans hinleiten, die ja auch dann zum Teil mit Bussen und mit Zügen hier ankommen.

    Meurer: Das heißt Sie versuchen, wenn ich das richtig verstehe, Schweden und Engländer in der Stadt zu trennen. Wie groß ist die Gefahr, auch wenn bisher überwiegend alles ruhig geblieben ist bei der Weltmeisterschaft, dass es heute oder heute Nacht doch zu Problemen kommen kann?

    Schramma: : Wir haben uns bestens vorbereitet. Wir haben Kontakt mit der englischen Botschaft, mit dem Generalkonsulat, ja bis hin ins Königshaus gehabt und haben auch mit Fan-Gruppen, mit der englischen Polizei Dinge im Vorfeld über Monate besprochen und vorbereitet und wir haben hier Ordnungspartnerschaften eingerichtet. Bisher haben wir den Eindruck, dass die englischen Fans sich wohl fühlen in Köln und dass alles friedlich verlaufen ist. Ich gehe davon aus, dass wir durch diese Steuerung, durch das Extraangebot, das uns übrigens so ganz nebenbei noch eine Million zusätzlich kostet, dass wir mit diesem Service auch den Fans hier Genüge tun. Es ist genug Bier da. Der Botschafter hat gesagt, ihr müsst ordentlich für Bier sorgen. Das haben wir getan. Es sind Toilettenanlagen vorhanden, es ist alles da. Die Infrastruktur ist da. Es sind Zeltplätze da. Die können hier die ein, zwei, drei Tage, die sie gewöhnlich bleiben, auch sicherlich ein bisschen die Stadt genießen. Ich hoffe, dass alles friedlich verläuft.
    Dass einzelne hier und da mal ausflippen, damit muss man rechnen. Aber auch da sind unsere Rettungskräfte und die Polizei sofort an der Stelle.

    Meurer: Es gibt auch Kritik an den Kosten, Herr Schramma. Sie sagten eben, allein diese eine zusätzliche Großleinwand für zwei Tage nur kostet die Stadt Köln, die auch nicht gerade im Geld schwimmt, 1,1 Millionen Euro. Ist das zu viel Geld für zwei Tage?

    Schramma: : Die Kritik kann ich nachvollziehen. Ich würde auch aus diesem Grunde vorschlagen, weil das nicht wesentlich mehr Kosten ausmacht, dieses Angebot auch vielleicht über die zwei Tage hinaus zu lassen, denn es ist durchaus möglich, dass je nachdem wie die Mannschaften sich weiterentwickeln im Verlaufe des Tourniers, wir auf solch eine große Fläche noch mal zurückgreifen müssen. England ist durch die Billigflüge, die wir zwischen London und Köln haben und auch mit anderen Städten wie Manchester und so weiter, sehr gut und sehr günstig erreichbar. Wir kennen das aus dem Weihnachtstrubel. Da ist, wenn wir Weihnachtsmarkt haben, auch alles voll mit englischen Gästen. Die kommen also sehr gerne hier hin und sehr zahlreich hier hin, so dass es auch durchaus noch mal später vielleicht mit anderen Nationalitäten noch mal entsprechenden Auflauf gibt, so dass wir die Fläche vielleicht doch noch etwas länger halten. Aber es ist viel Geld, das ist richtig! Ich kann das nur dadurch rechtfertigen, dass es auch eine Gefahrabwehrmaßnahme ist, denn hätten wir diese Menschenmassen in die Innenstadt gelassen, die jetzt schon voll gelaufen ist, dann wäre es dort mit Sicherheit zu Zusammenstößen und zu chaotischen Zuständen gekommen.

    Meurer: Nun haben alle 12 WM-Städte – Entschuldigung, Herr Schramma – und natürlich auch Köln schon im Vorfeld in den Jahren davor viel Geld ausgegeben, um die Infrastruktur auszubauen, weit mehr natürlich als eine Million Euro. Rechnet sich das denn im Endeffekt, diese hohen Kosten?

    Schramma: : Ich denke es ist sicherlich schwierig, das direkt umzusetzen in einen wirtschaftlichen Erfolg. Wichtiger ist uns, dass wir vom Image her gute Gastgeber sind und uns weltweit vernünftig und gut präsentieren. Da haben sich die Kölner bisher hervorragend und ausgezeichnet hervorgetan. Das wollen wir auch so beibehalten. Diese Maßnahme war von vornherein nicht so zu kalkulieren, aber wir mussten auch in Absprache mit den Sicherheitskräften, mit der Polizei hier einen Ausweg finden. Es ist ja so: wenn sie dann unter Druck stehen und zeitlich kurzfristig noch etwas machen müssen. Wir mussten Absperrgitter, Toilettenanlagen und dergleichen aus ganz Europa zusammenholen. Dadurch ist dieser Preis so immens hoch und das ist vielleicht schwer nachzuvollziehen. Wir haben aber gründlich recherchiert und haben das Beste gemacht. Wir geben uns jedenfalls alle Mühe und ich glaube, dass der Erfolg nachher erst zu messen ist, wenn die Stadt sich auch gut präsentiert hat.

    Wir sind auch eine touristische Stadt. Ähnlich wie der Weltjugendtag im letzten Jahr bei vielen verhaftet blieb und immer wieder Erinnerungen daran wach werden, so wird es vielleicht auch mit dieser WM sein. So erhoffen wir uns also langfristig einen Image-Gewinn und sicherlich auch im Bereich Touristik hier noch weitere Zuwächse. Die Gastronomie, die Hotellerie und so weiter wird sicherlich auch Gewinne einfahren, aber andere Bereiche werden auch nicht davon profitieren.

    Meurer: Dazu zählt offenbar der Einzelhandel, der sich von der Fußballweltmeisterschaft doch etwas mehr versprochen hat. Wie schätzen Sie das Ergebnis für den Einzelhandel ein?

    Schramma: : Das ist sehr, sehr unterschiedlich. Wenn es nicht gerade um den Bereich von Souvenirs und kleinen gifts handelt, die man als Andenken mitnimmt, oder für den direkten täglichen Konsum eben, dann ist das schwierig. Ich denke aber auf der anderen Seite wer denn glaubt, dass ein englischer Fan hier hinkommt und kauft einen Kühlschrank und nimmt den mit nach London, der hat wohl von vornherein ein bisschen falsch kalkuliert.

    Meurer: Wenn man mal ein bisschen zurückblickt vor die WM, was würden Sie aus heutiger Sicht vielleicht anders machen bei der Vorbereitung?

    Schramma: : Ich denke wir haben uns bisher nicht so viel Kritik anzulasten. Wir haben vor allen Dingen eines richtig gemacht: rechtzeitig uns mit einem neuen Stadion aufgestellt. Da bin ich nicht ganz unwesentlich beteiligt. Das war mein Ziel, sich hiermit in den Wettbewerb einzubringen. Die Infrastrukturmaßnahmen übrigens, die Sie eben erwähnten, die sicherlich insgesamt in die dreistellige Millionenzahl hineingehen, sind ja Maßnahmen, die der Stadt und den Bürgern nachhaltig erhalten bleiben, wenn ich an die Straßenbahnlinien, den Ausbau der Straßen, der Parkplätze und so weiter denke. Das Stadion wird ja danach auch genutzt und der Ost-West-Verkehr ist durch die Anbindung über die Linie 1 an der Aachener Straße wesentlich verbessert worden. Das sind alles Maßnahmen, die werden den Leuten ja auch nach diesen vier Wochen erhalten bleiben. Das rechtfertigt auch eine so hohe Investition.

    Meurer: Der Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma heute Morgen im Deutschlandfunk zu den Folgen für die Städte und für die Stadt Köln durch die Fußballweltmeisterschaft. Herr Schramma: , besten Dank und viel Spaß heute Abend beim Spiel.

    Schramma: : Danke schön Herr Meurer!

    Meurer: Auf Wiederhören!