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"Es ist die Ausnahme und nicht die Regel"

NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer sieht den Einsatz der internationalen Schutztruppe ISAF in Afghanistan nicht als gefährdet an. Das Fehlverhalten der Bundeswehr-Soldaten, die bei einer Leichenschändung fotografiert wurden, sei inakzeptabel, sagte de Hoop Scheffer. Er glaube jedoch nicht, dass die Arbeit der Truppen in Afghanistan erschwert werde.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Große Sorge also bei der Bundesregierung. Der Ruf nicht nur der Bundeswehr wird beschädigt dadurch, sondern auch der der ISAF-Soldaten in Afghanistan insgesamt. Ist diese Befürchtung berechtigt? Das habe ich vor der Sendung NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer gefragt.

    Jaap de Hoop Scheffer: Ich fange an zu sagen, dass ich ganz einverstanden bin mit dem, was die Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel darüber gesagt hat. Sie hat gesagt, es ist unakzeptabel und ich bin damit natürlich ganz einverstanden. Es ist natürlich nicht gut für das Image der Bundeswehr und auch nicht gut für das Image der NATO, kein Missverständnis darüber. Aber ich füge hinzu, es ist die Ausnahme und nicht die Regel.

    Klein: In welcher Weise erschweren solche Vorfälle die ohnehin nicht ganz einfache Arbeit der NATO-Truppe dort unten noch zusätzlich?

    Hoop Scheffer: Also ich glaube nicht, dass man sagen kann, dass das sehr erschwert, weil es keine Regeln, aber eine Ausnahme ist. Ich bin sehr frequent in Afghanistan. Ich glaube, dass die NATO-Truppen und bestimmt auch die deutschen Bundeswehrtruppen, die im Norden Afghanistans tätig sind und da sehr viel gute Arbeit machen, dass sie in den Köpfen und in den Herzen der Leute dort und auch im Großen und Ganzen in Afghanistan sehr hoch geschätzt werden, gute Arbeit machen. Also ich glaube nicht, dass so eine unakzeptables Inszidenz die NATO-Arbeit in Afghanistan so beeinflussen wird.

    Klein: Herr Generalsekretär, das sind natürlich nicht die einzigen Probleme, die aus Afghanistan von der ISAF-Truppe vom Einsatz dort gemeldet werden. Die NATO-Soldaten sind in einer Art Bodenkrieg inzwischen verwickelt gegen Teile der radikal-islamischen Taliban, seit sie im unruhigen Süden das Kommando übernommen hat. Wie zufrieden sind Sie mit dem im Augenblick, was dort geschieht?

    Hoop Scheffer: Also ich bin zufrieden mit dem, was die NATO bisher macht und gemacht hat. Es hat, da haben Sie recht, es hat Militärkämpfe dort gegeben, das ist auch notwendig, denn die NATO ist dort auch im Süden um die Bedingungen zu schaffen, um "nation building"-Entwicklung möglich zu machen. Wir sehen auch und ich habe auch selber, auch im Süden, sehr viele Wiederaufbauprojekte gesehen. Sie haben recht, wenn Sie sagen, dass die Taliban, Warlords, Druglords und andere, dass sie versuchen es uns, für die NATO sehr schwer zu machen. Die NATO hat es sehr gut gemacht, aber es ist eine Frage der Militärbedingungen um Wiederaufbau möglich zu machen und das ist im Süden jetzt ein wenig mehr kompliziert, als in anderen Teilen Afghanistans. Aber in andern Teilen, auch im Norden, wo die Deutschen sind, gibt es "improviced explosive devices", gibt es Selbstmordattentate und Anschläge. Sie können natürlich militärisch nie gewinnen. Also sie versuchen es mit dem Töten der Lehrer in Schulen, mit der Vernichtung der Schulen, mit Töten der Alten und so weiter. Die NATO ist im Stande und wird im Stande sein, die Bedingungen zu schaffen um Wiederaufbau möglich zu machen. Davon bin ich ganz überzeugt.

    Klein: Was muss sich an den Bedingungen die dafür verantwortlich sind, die Sie genannt haben, verändern aus Sicht der NATO. Welche Strategie müssen Sie überdenken?

    Hoop Scheffer: Also wir haben natürlich eine Strategie. Ich kann hinzufügen, dass die Antwort in Afghanistan letztendlich natürlich nie eine Militärantwort sein kann. Die Antwort in Afghanistan heißt Zivilentwicklung, heißt "nation building", heißt Entwicklung und die NATO ist dort, um die Bedingungen möglich zu machen, dass das stattfinden kann. Wir brauchen große und meiner Meinung nach bessere Koordination in der internationalen Gemeinschaft. Es ist nicht nur eine Frage für die NATO, Afghanistan, es ist auch eine Frage für die VN, für die UNO, für die Europäische Union. Das sind natürlich mehr die Zivilakteure als die NATO. Koordination ist hier das Stichwort für mich. Koordination erstens mit der afghanischen Regierung. Sie haben eine demokratisch gewählte Regierung, Präsident, Regierung, Parlament, "provincial councils" und die internationale Gemeinschaft soll, ich glaube, mit mehr Ambitionen, als das jetzt geschieht die Verantwortung nehmen mit der afghanischen Regierung für die internationale Koordination.

    Klein: Was meinen Sie genau damit, wie soll die Koordination künftig besser ablaufen?

    Hoop Scheffer: Also ich glaube, dass das im politischen Bereich es wichtig ist, dass Afghanistan nicht nur Prominenz hat im Radarbild der NATO, aber auch auf dem Radarbild der EU und der VN. Ich glaube auf dem Boden in Kabul und Afghanistan hat man jetzt eine stärkere Form der Koordination gefunden. Ich glaube, das ist jetzt auch notwendig auf der politischen Ebene und das ist auch ein Thema, das ich mit der Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel besprochen habe hier in Berlin und ich hatte den Eindruck, sie ist mit mir einverstanden hier. Und ich glaube, dass auch während der deutschen Präsidentschaft der Europäischen Union, dies ein wichtiges Thema sein kann, die Beziehungen zwischen NATO und Europäische Union und dann, aus meiner Verantwortlichkeit bin ich natürlich auch beschäftigt mit einer stärkeren Partnerschaft zwischen NATO und VN und allen wichtigen Akteure in Afghanistan.

    Klein: Mehr militärischer Beistand ist auch etwas, was immer wieder gefordert wird, auch vom Befehlshaber dort vor Ort. Mit wie viel mehr Beistand auf dieser Ebene rechnen Sie denn in der nächsten Zeit?

    Hoop Scheffer: Ich glaube, dass man sagen muss, man kann es immer besser machen mit mehr Truppen. Aber wenn sie sich jetzt den Truppenaufbau in Afghanistan anschauen, dann haben wir die Truppen, um den Job zu machen. Aber, was wir noch brauchen, das ist hauptsächlich im Süden und auch in der Region Kabul, das sind Hubschrauber und festflügelige Flugzeuge. Also wir sind noch nicht ganz da, aber man kann auch nicht sagen, dass wir nicht die Truppen haben um zu tun, was die NATO in Afghanistan zu tun hat.

    Klein: Wo bekommen Sie denn die Unterstützung her, von der Sie gerade gesprochen haben, aus welchen Staaten?

    Hoop Scheffer: Im Süden sehen wir, dass die Kanadier ihre Präsenz verstärken. Wir sehen, dass unsere polnischen Freunde, die Rumänen sind da, die Dänen sind da, die Holländer, die Briten. Es gibt viele, die mitmachen und ich muss nicht unsere Partner vergessen, wir sind 37 in Total jetzt. Ich sage, wir sind noch nicht ganz da. Ich habe schon noch einige Wünsche als Generalsekretär und der Supreme Allied Commander General Jones hat auch noch einige Wünsche, aber wir sind auf dem richtigen Weg.

    Klein: Wie weit reicht Ihr Verständnis dafür, wenn die andere Regierung ihre Unterstützung für Truppen im Süden ablehnt?

    Hoop Scheffer: Also ich habe natürlich das Thema auch mit Verteidigungsminister Jung angesprochen und Deutschland hilft schon aus mit Transport, mit Flugzeuge und ich bin ganz davon überzeugt, dass wenn es einen unvorhergesehenen Notfall geben würde im Norden, dass dann die Holländer, die Briten, die Kanadier, die Dänen, die Amerikaner zur Hilfe Deutschlands kommen würden und ich bin auch ganz davon überzeugt, dass wenn es einen wirklichen Notfall in Afghanistan geben würde, nicht nur im Süden, aber auch im Westen oder im Osten, dass ich dann auch Verteidigungsminister Jung anrufen kann und sagen, Minister Jung, was kann Deutschland machen. Davon bin ich ganz überzeugt.