Jasper Barenberg: Wir haben heute Morgen schon darüber berichtet: Eine einzige Unterschrift fehlt noch, damit der EU-Reformvertrag von Lissabon in Kraft treten kann. Zu leisten hat sie Tschechiens Präsident Vaclav Klaus. Der hat sich lange dagegen gesträubt und erst kürzlich seine Bereitschaft erkennen lassen, am Ende doch zu unterschreiben – gegen Zugeständnisse, versteht sich. Bleibt noch die Klage einiger Senatoren gegen das Reformwerk. Darüber verhandelt ab heute das Verfassungsgericht in Tschechien. Über den beharrlichen Widerstand seines Präsidenten habe ich vor der Sendung mit dem sozialdemokratischen EU-Abgeordneten Libor Roucek gesprochen und den Vizepräsidenten des EU-Parlamentes auch gefragt, ob die Reform der Europäischen Union am Urteil der 50 Verfassungsrichter in Tschechien am Ende scheitern könnte?
Libor Roucek: Meiner Meinung nach droht das nicht, weil wir haben schon ein Urteil und schon vor ein paar Monaten hat das Verfassungsgericht festgestellt, dass die Vereinbarung zwischen dem Lissaboner Vertrag und der tschechischen Verfassung kein Problem ist. Meiner Meinung nach erwarte ich eine ähnliche Entscheidung.
Barenberg: Rechnen Sie denn auch mit einer schnellen Entscheidung? Es gibt ja Beobachter, die vermuten, dass das Gericht sehr schnell entscheiden wird?
Roucek: Ich glaube auch, dass das Gericht schnell entscheiden wird. Die Frage ist, ob schon heute. Aber wenn nicht heute, dann meiner Meinung nach innerhalb von einigen Tagen.
Barenberg: Präsident Vaclav Klaus ist ein erklärter Gegner des Vertrages und dies nicht erst seit gestern. Er unterstützt auch die Klage der 17 Senatoren, über die heute verhandelt wird. Zuletzt hat er allerdings ein ums andere Mal signalisiert, seine Unterschrift unter den EU-Reformvertrag zu setzen. Hat er seinen Kurs des Widerstands endgültig aufgegeben?
Roucek: Das ist eine gute und sehr wichtige Frage. Die Antwort kennt außer Herrn Klaus niemand. Aber meiner Meinung nach ist er kein Selbstmörder. Das heißt meiner Meinung nach, er ist sich der Tatsache bewusst, dass jetzt alles von ihm abhängt, wenn er nicht unterzeichnet, wenn er nicht unterschreibt. Die tschechische Republik ist eine parlamentarische Demokratie, es ist kein autoritärer Staat oder Königreich ohne Verfassung. In der parlamentarischen Demokratie haben beide Kammern mit einer klaren, verfassungskonformen Mehrheit ja gesagt. Es ist die Pflicht des Präsidenten, zu unterschreiben.
Barenberg: Wer steht hinter Vaclav Klaus und den kritischen Stimmen zu dem EU-Reformvertrag?
Roucek: Wie Sie schon angedeutet haben, ein paar Senatoren, 95 Prozent der Senatoren der bürgerlich-demokratischen Partei. Die Mehrheit der tschechischen Bevölkerung – das konnte man nicht nur im Parlament sehen, sondern auch nach den Meinungsumfragen – steht hinter Europa, steht hinter dem Lissaboner Vertrag und will auch gleiche Rechte wie die Deutschen, Österreich oder die Slowaken haben, also den Lissaboner Vertrag und auch die Charta der Grundrechte.
Barenberg: Nun hat, Herr Roucek, Präsident Klaus in letzter Minute eine weitere Hürde aufgebaut. Er will erreichen, dass die Grundrechte-Charta der EU als Teil des Lissabon-Vertrages für Tschechien ausgesetzt wird. Hintergrund ist die Befürchtung, die nach dem Zweiten Weltkrieg vertriebenen Sudetendeutschen könnten Rückgabeansprüche stellen. Teilen Sie in irgendeiner Form diese Sorge?
Roucek: Das ist besonders peinlich nicht nur für mich, sondern meiner Meinung nach für die Mehrheit der Tschechen. 65 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, nach der Vertreibung, wiederum mit so einem solchen Thema zu kommen, das ist schon peinlich, und besonders, wenn das aus den Lippen des Präsidenten kommt, weil der Lissaboner Vertrag und auch die Charta keine Rückwirkung hat. Der Lissaboner Vertrag beschäftigt sich nicht mit Eigentumsfragen. Meiner Meinung nach gibt es überhaupt keine Gefahr. Es ist meiner Meinung nach nur eine Täuschungszone, weil Vaclav Klaus nicht die europäische Integration mag, sodass er auch nicht die Charta mag.
Barenberg: Dass die Charta keinen Einfluss hat auf die sogenannten Benes-Dekrete, die ja Grundlage für die Sorgen auch des Präsidenten sind, das ist auch Meinung aller Juristen. Herr Roucek, auf der anderen Seite haben im Umfragen zuletzt zwei von drei Tschechen gesagt, dass sie die Position des Präsidenten teilen. Macht Ihnen das Sorge?
Roucek: Es gibt Umfragen und Umfragen. Es gibt Umfragen, die sagen, 60 Prozent der Tschechen sagen, der Klaus sollte sofort unterschreiben. Dann gab es zwei, drei Tage nach den Äußerungen von Präsident Klaus eine Umfrage – das stimmt -, wo 60 Prozent der Tschechen gesagt haben, dass sie die Ansichten des Präsidenten teilen. Meiner Meinung nach ist es aber wie in Deutschland. Wenn Sie auf der Straße fragen, wer kennt die Benes-Dekrete, die Mehrheit der Bevölkerung, die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurde, weiß zu wenig über die Vertreibung und auch über die Benes-Dekrete. So ist es auch in Tschechien, weil die Tschechen in den letzten 10, 15, 20 Jahren positive Erfahrungen mit den Deutschen, auch mit den Sudetendeutschen gemacht haben, die in die alte Heimat reisen. Sie sammeln Geld für die Gräber, für die Reparaturen von Kirchen und so weiter. Meiner Meinung nach ist die Erfahrung meistens positiv. Wie gesagt: Wenn es eine öffentliche Diskussion gäbe, wenn es nach der Diskussion zu einer Meinungsumfrage käme, dann bin ich überzeugt, dass das Resultat anders ausschauen würde.
Barenberg: Nun hat Vaclav Klaus, der Präsident, einen Kompromissvorschlag der schwedischen Ratspräsidentschaft nicht nur zur Kenntnis genommen, er hat ihn auch begrüßt. Sieht es also Ihrer Meinung nach danach aus, dass es auf dem EU-Gipfel diese Woche am Donnerstag und Freitag in Brüssel zu einer Einigung in dieser Frage kommen wird?
Roucek: Ich hoffe, dass es zu einer Einigung kommt, weil Europa, Deutschland, Tschechien brauchen den Lissaboner Vertrag. Nur die Frage ist, wie man es juristisch machen sollte. Die Frage ist, was wir mit der Charta tun. Der Herr Klaus wirbt dafür, dass die Charta in gleicher Weise wie in Großbritannien oder Polen für Tschechien nicht gilt.
Barenberg: Sie haben eine andere Vorstellung?
Roucek: Meiner Meinung nach wollen die Tschechen nicht, weniger Rechte zu haben als die Deutschen oder die Slowaken zum Beispiel. Die parlamentarische Demokratie hat nicht nur Ja gesagt zu dem Lissaboner Vertrag, sondern auch zu der Charta. Das muss man noch besonders in Tschechien verdeutlichen.
Barenberg: Herr Roucek, zum Schluss die Frage: Hat Präsident Klaus mit seiner Politik dem Ansehen Tschechiens in der Union bereits jetzt schon Schaden zugefügt?
Roucek: Sicherlich. Tschechien hatte eine wunderbare Gelegenheit, in diesem Jahr, 20 Jahre nach der Wende, bei der tschechischen Präsidentschaft sich als ein erfolgreiches, auch wirtschaftlich erfolgreiches Land zu präsentieren. Diese Gelegenheit wurde verpasst und mit der Ratifizierung hat Tschechien leider viel Schaden erlitten. Das ist klar.
Barenberg: Die Einschätzung von Libor Roucek, Sozialdemokrat aus Tschechien und Vizepräsident des Europaparlaments.
Libor Roucek: Meiner Meinung nach droht das nicht, weil wir haben schon ein Urteil und schon vor ein paar Monaten hat das Verfassungsgericht festgestellt, dass die Vereinbarung zwischen dem Lissaboner Vertrag und der tschechischen Verfassung kein Problem ist. Meiner Meinung nach erwarte ich eine ähnliche Entscheidung.
Barenberg: Rechnen Sie denn auch mit einer schnellen Entscheidung? Es gibt ja Beobachter, die vermuten, dass das Gericht sehr schnell entscheiden wird?
Roucek: Ich glaube auch, dass das Gericht schnell entscheiden wird. Die Frage ist, ob schon heute. Aber wenn nicht heute, dann meiner Meinung nach innerhalb von einigen Tagen.
Barenberg: Präsident Vaclav Klaus ist ein erklärter Gegner des Vertrages und dies nicht erst seit gestern. Er unterstützt auch die Klage der 17 Senatoren, über die heute verhandelt wird. Zuletzt hat er allerdings ein ums andere Mal signalisiert, seine Unterschrift unter den EU-Reformvertrag zu setzen. Hat er seinen Kurs des Widerstands endgültig aufgegeben?
Roucek: Das ist eine gute und sehr wichtige Frage. Die Antwort kennt außer Herrn Klaus niemand. Aber meiner Meinung nach ist er kein Selbstmörder. Das heißt meiner Meinung nach, er ist sich der Tatsache bewusst, dass jetzt alles von ihm abhängt, wenn er nicht unterzeichnet, wenn er nicht unterschreibt. Die tschechische Republik ist eine parlamentarische Demokratie, es ist kein autoritärer Staat oder Königreich ohne Verfassung. In der parlamentarischen Demokratie haben beide Kammern mit einer klaren, verfassungskonformen Mehrheit ja gesagt. Es ist die Pflicht des Präsidenten, zu unterschreiben.
Barenberg: Wer steht hinter Vaclav Klaus und den kritischen Stimmen zu dem EU-Reformvertrag?
Roucek: Wie Sie schon angedeutet haben, ein paar Senatoren, 95 Prozent der Senatoren der bürgerlich-demokratischen Partei. Die Mehrheit der tschechischen Bevölkerung – das konnte man nicht nur im Parlament sehen, sondern auch nach den Meinungsumfragen – steht hinter Europa, steht hinter dem Lissaboner Vertrag und will auch gleiche Rechte wie die Deutschen, Österreich oder die Slowaken haben, also den Lissaboner Vertrag und auch die Charta der Grundrechte.
Barenberg: Nun hat, Herr Roucek, Präsident Klaus in letzter Minute eine weitere Hürde aufgebaut. Er will erreichen, dass die Grundrechte-Charta der EU als Teil des Lissabon-Vertrages für Tschechien ausgesetzt wird. Hintergrund ist die Befürchtung, die nach dem Zweiten Weltkrieg vertriebenen Sudetendeutschen könnten Rückgabeansprüche stellen. Teilen Sie in irgendeiner Form diese Sorge?
Roucek: Das ist besonders peinlich nicht nur für mich, sondern meiner Meinung nach für die Mehrheit der Tschechen. 65 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, nach der Vertreibung, wiederum mit so einem solchen Thema zu kommen, das ist schon peinlich, und besonders, wenn das aus den Lippen des Präsidenten kommt, weil der Lissaboner Vertrag und auch die Charta keine Rückwirkung hat. Der Lissaboner Vertrag beschäftigt sich nicht mit Eigentumsfragen. Meiner Meinung nach gibt es überhaupt keine Gefahr. Es ist meiner Meinung nach nur eine Täuschungszone, weil Vaclav Klaus nicht die europäische Integration mag, sodass er auch nicht die Charta mag.
Barenberg: Dass die Charta keinen Einfluss hat auf die sogenannten Benes-Dekrete, die ja Grundlage für die Sorgen auch des Präsidenten sind, das ist auch Meinung aller Juristen. Herr Roucek, auf der anderen Seite haben im Umfragen zuletzt zwei von drei Tschechen gesagt, dass sie die Position des Präsidenten teilen. Macht Ihnen das Sorge?
Roucek: Es gibt Umfragen und Umfragen. Es gibt Umfragen, die sagen, 60 Prozent der Tschechen sagen, der Klaus sollte sofort unterschreiben. Dann gab es zwei, drei Tage nach den Äußerungen von Präsident Klaus eine Umfrage – das stimmt -, wo 60 Prozent der Tschechen gesagt haben, dass sie die Ansichten des Präsidenten teilen. Meiner Meinung nach ist es aber wie in Deutschland. Wenn Sie auf der Straße fragen, wer kennt die Benes-Dekrete, die Mehrheit der Bevölkerung, die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurde, weiß zu wenig über die Vertreibung und auch über die Benes-Dekrete. So ist es auch in Tschechien, weil die Tschechen in den letzten 10, 15, 20 Jahren positive Erfahrungen mit den Deutschen, auch mit den Sudetendeutschen gemacht haben, die in die alte Heimat reisen. Sie sammeln Geld für die Gräber, für die Reparaturen von Kirchen und so weiter. Meiner Meinung nach ist die Erfahrung meistens positiv. Wie gesagt: Wenn es eine öffentliche Diskussion gäbe, wenn es nach der Diskussion zu einer Meinungsumfrage käme, dann bin ich überzeugt, dass das Resultat anders ausschauen würde.
Barenberg: Nun hat Vaclav Klaus, der Präsident, einen Kompromissvorschlag der schwedischen Ratspräsidentschaft nicht nur zur Kenntnis genommen, er hat ihn auch begrüßt. Sieht es also Ihrer Meinung nach danach aus, dass es auf dem EU-Gipfel diese Woche am Donnerstag und Freitag in Brüssel zu einer Einigung in dieser Frage kommen wird?
Roucek: Ich hoffe, dass es zu einer Einigung kommt, weil Europa, Deutschland, Tschechien brauchen den Lissaboner Vertrag. Nur die Frage ist, wie man es juristisch machen sollte. Die Frage ist, was wir mit der Charta tun. Der Herr Klaus wirbt dafür, dass die Charta in gleicher Weise wie in Großbritannien oder Polen für Tschechien nicht gilt.
Barenberg: Sie haben eine andere Vorstellung?
Roucek: Meiner Meinung nach wollen die Tschechen nicht, weniger Rechte zu haben als die Deutschen oder die Slowaken zum Beispiel. Die parlamentarische Demokratie hat nicht nur Ja gesagt zu dem Lissaboner Vertrag, sondern auch zu der Charta. Das muss man noch besonders in Tschechien verdeutlichen.
Barenberg: Herr Roucek, zum Schluss die Frage: Hat Präsident Klaus mit seiner Politik dem Ansehen Tschechiens in der Union bereits jetzt schon Schaden zugefügt?
Roucek: Sicherlich. Tschechien hatte eine wunderbare Gelegenheit, in diesem Jahr, 20 Jahre nach der Wende, bei der tschechischen Präsidentschaft sich als ein erfolgreiches, auch wirtschaftlich erfolgreiches Land zu präsentieren. Diese Gelegenheit wurde verpasst und mit der Ratifizierung hat Tschechien leider viel Schaden erlitten. Das ist klar.
Barenberg: Die Einschätzung von Libor Roucek, Sozialdemokrat aus Tschechien und Vizepräsident des Europaparlaments.