Meurer: Guten Morgen beziehungsweise guten Abend nach Chicago, Herr Wellmann.
Karl-Georg Wellmann: Guten Morgen nach Deutschland!
Meurer: Wie ist denn in Chicago eigentlich gewählt worden, wieder mit diesen berühmten Lochkarten wie damals in Florida?
Wellmann: Nein. Man kann hier elektronisch wählen, aber man kann auch auf Papier wählen. Offenbar haben die meisten Wähler, jedenfalls in den zahlreichen Wahllokalen, die wir angeguckt haben, gesagt, wir wollen auf Papier wählen, wir trauen den Maschinen nicht. Aber wir haben, um das gleich zu sagen, den Eindruck, dass jedenfalls technisch und formal alles in Ordnung war.
Meurer: Also auf Papier wählen. Das heißt, man macht sein Kreuzchen, oder ist es doch wieder dieses an die bestimmten Punkte ein Loch hinter einen Kandidaten setzen?
Wellmann: Nein. Man musste hier ungeheuer viele Entscheidungen treffen, also nicht nur die Senatswahlen, sondern auch auf lokaler Ebene waren viele Kandidaten zu wählen, und man musste Pfeile, die jeweils hinter dem Kandidaten waren, den man wählen wollte, vervollständigen mit einem schwarzen Stift. Das ist ein Verfahren, was verhältnismäßig einfach ist und ich glaube auch sicher ist.
Meurer: War Ihrer Ansicht nach alles in Ordnung, Herr Wellmann?
Wellmann: Unserer Ansicht nach ja, und das wird die OSZE heute Früh auch so feststellen.
Meurer: Nun sind Sie nicht nur für die OSZE unterwegs, sondern ich sagte es, Sie sind auch Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, Herr Wellmann, haben Gespräche geführt in den letzten Tagen. Ein klarer Wahlsieg der Republikaner heute Nacht, den wir erleben. Was ist Ihre Erklärung dafür, dass sich innerhalb von zwei Jahren nur der politische Wind in den USA so drehen konnte?
Wellmann: Das ganz beherrschende Thema hier ist die Ökonomie, die Wirtschaft, und wir erleben in den USA etwas, was die Leute hier völlig verstört: eine hohe Arbeitslosigkeit und eine Zukunftsangst, eine Abstiegsangst der Leute. Das was wir in Deutschland in den letzten Jahren hatten, und wir haben immer mit großer Begeisterung auf Amerika geguckt, wir haben gesagt, starkes Wachstum, keine Arbeitsplatzprobleme, das hat sich jetzt umgedreht. Wir haben ein starkes Wachstum und wir haben abnehmende Arbeitslosenzahlen. Das wird übrigens in Amerika hier sehr genau registriert, und sie sagen, wir wollen auch mit den Deutschen reden, wie die das machen, wir interessieren uns dafür. Also die Wirtschaft hat alles dominiert und die Meinungsumfragen haben gesagt, dass es eine große Verstörung bei den amerikanischen Wählern gab und gibt, dass die Situation so ist in den USA.
Meurer: Sie reden von Verstörung, andere beschreiben das sogar als Wut auf die Politik und das würde sogar schon in Richtung geistiger Bürgerkrieg gehen. Was ist Ihr Eindruck?
Wellmann: Na ja, geistiger Bürgerkrieg ist es nicht, aber es ist die Wut auf Politik insgesamt, es ist eine Politikverdrossenheit auf "die in Washington, die uns regieren und nicht auf uns hören und nicht die Arbeitsplätze schaffen, die sie schaffen sollen". Das wird hier etwas schlicht gesehen, und das ist auch der Grund für den Erfolg dieser Tea-Party-Leute, zum Teil Rechtsaußen-Leute, die mit sehr, sehr schlichten populistischen Parolen auf Stimmenfang gegangen sind, und das wird auch das große Problem der republikanischen Partei sein. Die haben sehr, sehr viel versprochen in populistischem Überschwang, sie haben versprochen, sie würden das Defizit sofort zurückfahren, sie würden Arbeitsplätze schaffen. Sie haben aber kein Wort gesagt, auch heute Abend in den vielen Interviews nicht, wie sie das machen wollen. Alle Politiker der Republikaner sind dieser Frage ausgewichen, und deshalb sagen viele Analysten, die werden in zwei Jahren, wenn Präsidentenwahlen sind, ihr Waterloo erleben, weil die Wähler dann sagen, sie haben uns etwas versprochen, was sie nicht einhalten konnten.
Meurer: Gibt es Ihrer Ansicht nach, Herr Wellmann, schon irgendwelche Anhaltspunkte, ob die amerikanische Außen- oder Sicherheitspolitik sich infolge der Wahlen verändern wird, ob Barack Obama da irgendwelche Kursänderungen vornehmen wird?
Wellmann: Das ist die Frage, die ich natürlich auch allen Gesprächspartnern in Washington und auch hier gestellt habe. Zunächst mal müssen wir feststellen, dass Außenpolitik im Wahlkampf überhaupt keine Rolle spielt. Zweitens müssen wir feststellen, dass jetzt zahlreiche neue Senatoren und Abgeordnete im Repräsentantenhaus einziehen, die außenpolitisch völlig unerfahren sind. Es ist also völlig offen, ob zum Beispiel der START-Vertrag mit Russland ratifiziert werden wird und wie die außenpolitisch reagieren. Ich glaube nicht, dass es wesentliche dramatische Änderungen in der amerikanischen Außenpolitik gibt. Das glaube ich nicht. Es wird schwieriger, und es ist auch für uns die Aufgabe, sehr viel stärker auf die Amerikaner einzugehen, zu kommunizieren, herzufahren, die amerikanischen Politiker nach Deutschland zu holen, um die Zusammenarbeit zwischen Amerika und Europa zu verbessern, und übrigens haben mir alle gesagt, Deutschland sehen sie als wichtigsten Gesprächspartner in Europa an, und darauf sollten wir sehr intensiv eingehen.
Meurer: Nun ist der Krieg in Afghanistan auch in den USA unpopulär. Wird Barack Obama die US-Truppen aus Afghanistan schneller zurückziehen als das erwartet wird?
Wellmann: Das ist eher zweifelhaft, weil die Republikaner sagen, keinen schnellen Abzug. Es wird hier sehr intensiv diskutiert, ob Obama Konzessionen machen muss im Rüstungsbereich. Zum Beispiel müssten eigentlich die strategischen Atomwaffen, die Atomraketen modernisiert werden für sehr viel Geld. Das könnte eine Konzession sein, die er den Republikanern machen muss. Aber wie gesagt, das ist alles offen. Wenn die Republikaner sagen, wir wollen das große Staatsdefizit zurückfahren, dann müsste man eigentlich auch an die Verteidigungsausgaben gehen, was politisch schwer vorstellbar ist. Also wir sind alle gespannt. Zu befürchten ist allerdings, jedenfalls in der nächsten Zeit, eine gewisse politische Paralysierung, Lähmung zwischen Präsidenten und dem Kongress.
Meurer: Karl-Georg Wellmann, CDU-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, derzeit als Wahlbeobachter der OSZE in Chicago im Einsatz. Herr Wellmann, schönen Dank und auf Wiederhören.
Wellmann: Danke Ihnen! Auf Wiederhören!
Karl-Georg Wellmann: Guten Morgen nach Deutschland!
Meurer: Wie ist denn in Chicago eigentlich gewählt worden, wieder mit diesen berühmten Lochkarten wie damals in Florida?
Wellmann: Nein. Man kann hier elektronisch wählen, aber man kann auch auf Papier wählen. Offenbar haben die meisten Wähler, jedenfalls in den zahlreichen Wahllokalen, die wir angeguckt haben, gesagt, wir wollen auf Papier wählen, wir trauen den Maschinen nicht. Aber wir haben, um das gleich zu sagen, den Eindruck, dass jedenfalls technisch und formal alles in Ordnung war.
Meurer: Also auf Papier wählen. Das heißt, man macht sein Kreuzchen, oder ist es doch wieder dieses an die bestimmten Punkte ein Loch hinter einen Kandidaten setzen?
Wellmann: Nein. Man musste hier ungeheuer viele Entscheidungen treffen, also nicht nur die Senatswahlen, sondern auch auf lokaler Ebene waren viele Kandidaten zu wählen, und man musste Pfeile, die jeweils hinter dem Kandidaten waren, den man wählen wollte, vervollständigen mit einem schwarzen Stift. Das ist ein Verfahren, was verhältnismäßig einfach ist und ich glaube auch sicher ist.
Meurer: War Ihrer Ansicht nach alles in Ordnung, Herr Wellmann?
Wellmann: Unserer Ansicht nach ja, und das wird die OSZE heute Früh auch so feststellen.
Meurer: Nun sind Sie nicht nur für die OSZE unterwegs, sondern ich sagte es, Sie sind auch Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, Herr Wellmann, haben Gespräche geführt in den letzten Tagen. Ein klarer Wahlsieg der Republikaner heute Nacht, den wir erleben. Was ist Ihre Erklärung dafür, dass sich innerhalb von zwei Jahren nur der politische Wind in den USA so drehen konnte?
Wellmann: Das ganz beherrschende Thema hier ist die Ökonomie, die Wirtschaft, und wir erleben in den USA etwas, was die Leute hier völlig verstört: eine hohe Arbeitslosigkeit und eine Zukunftsangst, eine Abstiegsangst der Leute. Das was wir in Deutschland in den letzten Jahren hatten, und wir haben immer mit großer Begeisterung auf Amerika geguckt, wir haben gesagt, starkes Wachstum, keine Arbeitsplatzprobleme, das hat sich jetzt umgedreht. Wir haben ein starkes Wachstum und wir haben abnehmende Arbeitslosenzahlen. Das wird übrigens in Amerika hier sehr genau registriert, und sie sagen, wir wollen auch mit den Deutschen reden, wie die das machen, wir interessieren uns dafür. Also die Wirtschaft hat alles dominiert und die Meinungsumfragen haben gesagt, dass es eine große Verstörung bei den amerikanischen Wählern gab und gibt, dass die Situation so ist in den USA.
Meurer: Sie reden von Verstörung, andere beschreiben das sogar als Wut auf die Politik und das würde sogar schon in Richtung geistiger Bürgerkrieg gehen. Was ist Ihr Eindruck?
Wellmann: Na ja, geistiger Bürgerkrieg ist es nicht, aber es ist die Wut auf Politik insgesamt, es ist eine Politikverdrossenheit auf "die in Washington, die uns regieren und nicht auf uns hören und nicht die Arbeitsplätze schaffen, die sie schaffen sollen". Das wird hier etwas schlicht gesehen, und das ist auch der Grund für den Erfolg dieser Tea-Party-Leute, zum Teil Rechtsaußen-Leute, die mit sehr, sehr schlichten populistischen Parolen auf Stimmenfang gegangen sind, und das wird auch das große Problem der republikanischen Partei sein. Die haben sehr, sehr viel versprochen in populistischem Überschwang, sie haben versprochen, sie würden das Defizit sofort zurückfahren, sie würden Arbeitsplätze schaffen. Sie haben aber kein Wort gesagt, auch heute Abend in den vielen Interviews nicht, wie sie das machen wollen. Alle Politiker der Republikaner sind dieser Frage ausgewichen, und deshalb sagen viele Analysten, die werden in zwei Jahren, wenn Präsidentenwahlen sind, ihr Waterloo erleben, weil die Wähler dann sagen, sie haben uns etwas versprochen, was sie nicht einhalten konnten.
Meurer: Gibt es Ihrer Ansicht nach, Herr Wellmann, schon irgendwelche Anhaltspunkte, ob die amerikanische Außen- oder Sicherheitspolitik sich infolge der Wahlen verändern wird, ob Barack Obama da irgendwelche Kursänderungen vornehmen wird?
Wellmann: Das ist die Frage, die ich natürlich auch allen Gesprächspartnern in Washington und auch hier gestellt habe. Zunächst mal müssen wir feststellen, dass Außenpolitik im Wahlkampf überhaupt keine Rolle spielt. Zweitens müssen wir feststellen, dass jetzt zahlreiche neue Senatoren und Abgeordnete im Repräsentantenhaus einziehen, die außenpolitisch völlig unerfahren sind. Es ist also völlig offen, ob zum Beispiel der START-Vertrag mit Russland ratifiziert werden wird und wie die außenpolitisch reagieren. Ich glaube nicht, dass es wesentliche dramatische Änderungen in der amerikanischen Außenpolitik gibt. Das glaube ich nicht. Es wird schwieriger, und es ist auch für uns die Aufgabe, sehr viel stärker auf die Amerikaner einzugehen, zu kommunizieren, herzufahren, die amerikanischen Politiker nach Deutschland zu holen, um die Zusammenarbeit zwischen Amerika und Europa zu verbessern, und übrigens haben mir alle gesagt, Deutschland sehen sie als wichtigsten Gesprächspartner in Europa an, und darauf sollten wir sehr intensiv eingehen.
Meurer: Nun ist der Krieg in Afghanistan auch in den USA unpopulär. Wird Barack Obama die US-Truppen aus Afghanistan schneller zurückziehen als das erwartet wird?
Wellmann: Das ist eher zweifelhaft, weil die Republikaner sagen, keinen schnellen Abzug. Es wird hier sehr intensiv diskutiert, ob Obama Konzessionen machen muss im Rüstungsbereich. Zum Beispiel müssten eigentlich die strategischen Atomwaffen, die Atomraketen modernisiert werden für sehr viel Geld. Das könnte eine Konzession sein, die er den Republikanern machen muss. Aber wie gesagt, das ist alles offen. Wenn die Republikaner sagen, wir wollen das große Staatsdefizit zurückfahren, dann müsste man eigentlich auch an die Verteidigungsausgaben gehen, was politisch schwer vorstellbar ist. Also wir sind alle gespannt. Zu befürchten ist allerdings, jedenfalls in der nächsten Zeit, eine gewisse politische Paralysierung, Lähmung zwischen Präsidenten und dem Kongress.
Meurer: Karl-Georg Wellmann, CDU-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, derzeit als Wahlbeobachter der OSZE in Chicago im Einsatz. Herr Wellmann, schönen Dank und auf Wiederhören.
Wellmann: Danke Ihnen! Auf Wiederhören!