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"Es ist dringend nötig"

Der Chef von Transparency International, Hansjörg Elshorst, hat eine Änderung der juristischen Grundlagen bei der Bekämpfung von Korruption bei Mandatsträgern gefordert. Das vorhandene Gesetz entspreche in keiner Weise mehr dem weiterentwickelten Rechtsempfinden der Bevölkerung, sagte Elshorst.

Moderation: Jürgen Zurheide | 30.06.2007
    Jürgen Zurheide: Die Vorgänge bei Siemens haben Korruption in den Mittelpunkt gestellt, und wir wissen, Korruption, das ist nicht nur Italien, das ist mitten unter uns, und manche innerhalb der Unternehmen halten das offensichtlich sogar für normal. Gegen diese Sicht der Dinge kämpft Transparency International. Und den Chef von Transparency International ist jetzt bei mir hier im Studio, Hansjörg Elshorst. Guten Morgen.
    Hansjörg Elshorst: Guten Morgen, Herr Zurheide.
    Zurheide: Herr Elshorst, fangen wir doch vielleicht mal an mit Siemens. Da wird viel drüber geredet in diesen Tagen. Und die Frage ist: Welche strukturellen Probleme gibt es eigentlich in so einem Unternehmen? Da ist dann jetzt zum Beispiel ein Staatsanwalt von außen zu Siemens gekommen. Der hat aber offensichtlich nicht so durchschlagenden Erfolg gehabt, denn dieses Experiment setzt man nicht fort. Ist das schwierig, wenn jemand von außen in ein Unternehmen kommt, oder hat es hier eher damit zu tun, dass möglicherweise bestimmte Englischsprachkenntnisse nicht ausreichend da sind?
    Elshorst: Zunächst mal ist das ja ein ganz neues Aufgabenfeld. Der soll ja die Prävention organisieren. Der soll dafür sorgen, dass Korruption vermieden wird, den Job, den er da hatte, Compliance Officer, die Beschäftigung mit all den Tatbeständen, zu den sich das Unternehmen verpflichtet hat oder zu denen das Unternehmen durch Gesetz verpflichtet ist. Da soll er dafür sorgen, dass das auch eingehalten wird. Und es ist eigentlich eine andere Qualifikation als die eines Staatsanwalts. Und außerdem wurde gesagt, dass er in einem so großen Apparat nicht zu agieren gewöhnt ist, weil es gibt ja kaum eine Struktur, die so unabhängige Akteure hat wie sowohl die Richter als auch die Staatsanwälte. Und Apparaten muss man schon ganz anders vorgehen. Also ich kann mir schon vorstellen, dass das tatsächlich schiefgegangen ist.
    Zurheide: Es taucht aber die Frage auf: Sind die Staatsanwälte in der Bundesrepublik ausreichend international vernetzt, denn egal wo man, gerade bei Großunternehmen, hinschaut, muss man ja diese internationale Dimension immer miteinbeziehen? Oder sind das eben wirklich so zwei ganz unterschiedliche Dinge, dass man das als Staatsanwalt in der staatlichen Autorität tut und dass man es im Unternehmen präventiv tut?
    Elshorst: Also die internationale Vernetzung, die leidet selbstverständlich darunter, dass sie nicht besonders ausgestattet worden sind, trotz großem Druck für dieses große Thema Korruption im Ausland. Und deswegen haben sehr viele keine Erfahrung damit, Korruption im Ausland zu verfolgen und dann eben auch in der Breite von Ausland, wie das eine Firma wie Siemens macht. Und die Strafverfolgung in Deutschland ist natürlich schon ein anderes Thema, als wenn ich in einer Firma, die in 130 Ländern arbeitet, das so organisieren muss, dass sichergestellt ist, dass auch in den Ländern das umgesetzt wird, was zu Hause entschieden worden ist. Also insofern sind es schon ganz unterschiedliche Aufgaben.
    Zurheide: Wenn wir jetzt mal vom Fall Siemens ausgehen und uns fragen, welche Unternehmen sind denn international so aufgestellt, dass sie möglicherweise als Vorbild dienen können, um bestimmte Dinge besser zu machen – General Electric wird da immer mal genannt als ein Unternehmen, das sich besonders frühzeitig und intensiv um diese Probleme der Korruption gekümmert habe. Ist das wirklich so, ist das für Sie ein Beispiel, und was könnten wir davon lernen?
    Elshorst: Also, als wir mal im Rahmen des Siemens-Skandals gesagt haben, wenn Firmen wie General Electric und Siemens zusammen sich anstrengen würden und noch zwei andere dazunehmen würden, dann gäbe es keine Korruption mehr, weil die sich den Markt aufteilen. Da haben die uns mit einer Strafanzeige gedroht wegen Verleumdung, dass wir sie in einem Atemzug mit Siemens genannt haben. Also sie müssen schon ein ziemliches Selbstbewusstsein haben, was ihre Fähigkeit angeht, das zu vermeiden. In dem Italien-Skandal, der gerade entschieden worden ist in Mannheim, ist allerdings General Electric auch mit drin gewesen als Wettbewerber. Und, na ja, wie weit sie in den Korruptionsskandal selbst eingeteilt werden, weiß ich nicht. Wichtig ist, dass Amerika ja seit 1977 das Verbot von Auslandskorruption hat und dass inzwischen über 76 Prozent in den letzten Regelungen der Firmen anerkannte Verfahren haben, um Korruption zu vermeiden. Auf der anderen Seite in unserem Bribe Payers Index stehen die Amerikaner schlechter da als die Deutschen. Also es ist nicht so einfach zu sagen. Ich kann zu General Electric eigentlich nur wiederholen, dass sie immer wieder genannt werden. Ich kann’s aber nicht persönlich beurteilen.
    Zurheide: Fragen wir doch mal grundsätzlich, welche Qualitäten muss jemand, müssen Menschen haben, die sich in Unternehmen um Korruption bemühen im Sinne der Vorbeugung? Inzwischen lernen wir ja auch, dass zum Beispiel Staatsanwälte oder frühere Staatsanwälte von Unternehmen direkt auch als Berater gekauft werden. Herr Schaupensteiner fällt da immer wieder auf, der Frankfurter. Ist das ein Erfolg versprechender Weg, oder gibt’s hier nicht auch eine Gefahr, dass schleichend irgendwann möglicherweise die, die mal als Korruptionsbekämpfer angefangen haben, dann zu einem Netzwerk von Beratern gehören, wo man auch nicht mehr ganz sicher sein kann?
    Elshorst: Also wir sind traurig, dass Schaupensteiner nicht mehr Staatsanwalt ist, weil er hervorragender Staatsanwalt war. Er wird, weil er ein wirklich guter Mann ist, auch diese Herausforderung bei der Deutschen Bahn leisten. Aber im Prinzip gilt natürlich, was ich vorher gesagt habe. Es ist ein anderer Job, und der ist im Wesentlichen eine Kombination von Kompetenz in der Beurteilung von Finanzströmen, in der Beurteilung von Personalmaßnahmen. Sie müssen Fortbildung und Führungskräfte, deren Training nachvollziehen innerhalb von sagen wir mal Beurteilungssystemen kombinieren mit einer Analyse der Beziehungen, wo die Risiken im Einzelnen besonders groß sind. Die berühmten Beraterverträge sind ein Beispiel. Da gibt es jede Menge andere Sachen. Also es ist schon eine eigene Kompetenz, die man natürlich lernen kann, aber die ein Staatsanwalt erst lernen müsste, als die, einen Fall aufzufächern und aufzubröseln, wie das ein Staatsanwalt tun muss. Im Übrigen, wir haben furchtbar wenig erfahrene Staatsanwälte in den Bereichen, insofern hoffe ich nicht, dass Ihre Vision, dass die jetzt alle zu Unternehmen gehen, Platz greift.
    Zurheide: Ein anderer Punkt: Korruption bei Mandatsträgern. Da haben wir genau das Problem, dass juristische Grundlagen fehlen, um das wirklich auch hieb- und stichfest zu bekämpfen. Hoffen Sie denn und setzen Sie darauf, dass die Bundesregierung da endlich was tut?
    Elshorst: Also die Bundesregierung ist da ausnahmsweise nicht dran, weil der Gesetzgeber ja gleichzeitig der Betroffene ist, das Parlament. Und das Parlament hat sich vorbehalten, diesen Gesetzentwurf selbst zu machen, sodass das Bundesjustizministerium, wenn man es fragt, sagt, wir dürfen gar nicht mehr. Wir hören aus dem Parlament, dass das allmählich in Gang kommt …
    Zurheide: Sie wünschen das?
    Elshorst: Ja, selbstverständlich, es ist dringend nötig. Wir wünschen es nicht nur, sondern der Bundesgerichtshof hat gerade noch mal sehr deutlich gesagt, dass es hier eine Regelungslücke gibt, dass das vorhandene Gesetz in keiner Weise mehr dem weiterentwickelten Rechtsempfinden der Bevölkerung entspricht und dass hier eine Lücke von Regelungen klafft, die durchaus jeden Tag zum Skandal werden kann.
    Zurheide: Das heißt, das, was wir jetzt unter dem Stichwort Lustreisen zum Beispiel sehen, das wird es irgendwann dann möglicherweise wirklich nicht mehr geben?
    Elshorst: Das hat noch andere Aspekte, weil da ja auch Amtsträger involviert sind. Aber ich glaube, das wird es heute schon nicht mehr geben als neuen Tatbestand, weil wenn die Leute nicht verstehen würden, dass sich die Atmosphäre verändert hat, dass man das nicht mehr duldet. Und selbst wenn es noch nicht verboten ist, dann gehören sie nicht auf den Job, auf dem sie sind.
    Zurheide: Das war Hansjörg Elshorst, der Chef von Transparency International. Dankeschön für das Gespräch.