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"Es ist ein bisschen komplexer auf der Länderebene"

Nach der Einigung im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes hat der Innenminister von Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, den Abschluss begrüßt. Es sei ein Schritt in die richtige Richtung. Gleichwohl sei im Gegensatz zu den Kommunen für die Länder nicht allein über die Arbeitszeit zu reden. Bei den Ländern spielten die Themen Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld eine wichtige Rolle.

Moderation: Burkhard Birke |
    Burkhard Birke: Auf kommunaler Ebene hat man sich geeinigt. Eine halbe Stunde längere Arbeitszeit in der Woche, nämlich 39 Stunden ohne Lohnausgleich. So sieht das Ergebnis für die Beschäftigten der Kommunen in Baden-Württemberg aus und über dieses Ergebnis läuft zurzeit gerade eine Urabstimmung. Ärzte und Landesbedienstete setzen allerdings in Deutschland ihre Streiks fort. Wie geht es weiter nach rund zwei Monaten Streiks? Diese Frage wollen wir jetzt in den "Informationen am Morgen" mit Ralf Stegner von der SPD, dem Innenminister Schleswig-Holsteins und dem Stellvertretenden Vorsitzenden der Tarifgemeinschaft der Länder erörtern. Einen schönen guten Morgen Herr Stegner!

    Ralf Stegner: Guten Morgen Herr Birke!

    Birke: Herr Stegner, ein Schritt in die richtige Richtung, aber nicht ausreichend. Das ist die Einschätzung des Verhandlungsführers der Länder, des niedersächsischen Finanzministers Hartmut Möllring, zur Einigung auf kommunaler Ebene in Baden-Württemberg. Teilen Sie ausnahmsweise seine Meinung?

    Stegner: Ich teile die Auffassung, dass es ein Schritt in die richtige Richtung ist, dass man sich endlich verständigt hat jetzt in allen kommunalen Bereichen, zuletzt jetzt auch in Baden-Württemberg, und man kann sich auch fragen, ob es wirklich lohnenswert gewesen ist, wochenlang zu streiken, was dieses Ergebnis dann betrifft. Ich glaube schon, dass es ein Schritt in die richtige Richtung ist. Nicht ausreichend würde ich insofern sagen, als wir natürlich auf der Länderseite nicht nur über die Arbeitszeit zu reden haben wie bei den Kommunen, sondern wir reden ja auch über das Thema Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld und über die Übertragung des Tarifvertrages im öffentlichen Dienst, den die Gewerkschaften mit Kommunen und Bund geschlossen haben, auf die Länder und zwar so, dass die Länder sich das leisten können. Das heißt wir brauchen dort Veränderungen bei den Klinikern, bei den Lehrern, bei der Wissenschaft, so dass wir das bezahlen können. Das heißt es ist ein bisschen komplexer auf der Länderebene, aber immerhin finde ich es ist ein ermutigender Schritt und der sollte uns auffordern, jetzt unsere Aufgaben auch zu erledigen.

    Birke: Werden Sie als Arbeitgeber denn nun ein gemeinsames Angebot vorlegen und wenn wann?

    Stegner: Das ist meine Hoffnung, dass wir dieses tun, denn das Ergebnis erzielt man ja wirklich nur, wenn man sich am Ende auf einen Kompromiss verständigt. Ich teile natürlich die Forderungen, die die Tarifgemeinschaft hat. Die teilen wir alle. Da bin ich mit Herrn Möllring völlig einig. Wir hatten Unterschiede in der Frage wie kann man das erreichen. Ich glaube am Ende muss es einen Kompromiss geben und ich spreche mich auch dafür aus, dass wir die Verhandlungen mit den Gewerkschaften rasch nach Ostern fortführen, denn die Bevölkerung hat glaube ich wenig Verständnis dafür, wenn wir Monate brauchen, um uns dann zu verständigen. Jetzt muss das alles endlich auch mal ein Ende haben.

    Birke: Vor Ostern wird also nichts laufen mit einem Angebot von der Arbeitgeberseite?

    Stegner: Das sind ja nur noch wenige Tage. Man muss sich verständigen, man muss einen Termin finden. Der muss so rasch wie möglich passieren. Ich glaube unmittelbar nach Ostern wäre ein richtiger Termin.

    Birke: Sie haben ja eben ein bisschen kritisiert, dass sich die Streiks in die Länge gezogen haben, aber das lag doch auch genau daran, dass die Arbeitgeber kein Angebot vorgelegt haben.

    Stegner: Das hatte unterschiedliche Gründe. Ich glaube auf beiden Seiten hat man teilweise die Leute ein bisschen zu stark auf die Bäume getrieben und dann ist es immer schwer, da wieder runterzukommen. Die Gewerkschaften haben aus meiner Sicht den Fehler gemacht zu übersehen, dass sie in Teilen auch gar nicht die Kampfkraft haben. Sie haben ihren Leuten Dinge versprochen, die sie nicht halten können. Sie treffen ja im Grunde die Länder kaum, außer bei den Uniklinikern. Sie treffen aber die Bürger und am Ende muss man dann den Mitgliedern erklären, warum so wenig rausgekommen ist. Aber ich habe natürlich auch in der Tat kritisiert, dass auf der Arbeitgeberseite der eine oder andere der Auffassung gewesen ist, vielleicht geht es ja ohne Kompromiss, vielleicht schaffen wir es, uns zu 100 Prozent durchzusetzen. Aber Kapitulationen gibt es eben nun mal nur nach verlorenen Kriegen und nicht im Zusammenhang mit Verhandlungen. Mein Interesse ist jetzt nicht, Öl ins Feuer zu gießen oder zurückzugucken, sondern jetzt dafür zu sorgen, dass man eine Einigung erzielt. Das geht nur am Verhandlungstisch. Ich glaube die Chancen dafür sind jetzt besser geworden, denn inzwischen sind alle kommunalen Konflikte gelöst. Ich glaube die Bevölkerung hat, um das mal salopp zu sagen, die Nase voll davon. Die möchten, dass wir jetzt unsere Pflicht tun und uns einigen.

    Birke: Das heißt Sie wären als Arbeitgeber durchaus bereit, sich von dem Ziel 40-Stunden-Woche um jeden Preis zu verabschieden?

    Stegner: Ich habe immer die Ziele der Tarifgemeinschaft geteilt, die wir aufgestellt haben. Ich war aber nie der Auffassung, dass man Ziele zu 100 Prozent erreichen kann. Dem widerspricht übrigens alle Lebenserfahrung. Ich kenne keine Verhandlung, wo 100 Prozent rausgekommen sind für eine Seite, sondern es ist immer ein Kompromiss und welcher das ist, das muss sich im Kontext dieser drei Themen bewegen. Wenn man bei der Arbeitszeit ein bisschen weniger weit kommt, dann muss man bei den Sonderzuwendungen weiter kommen oder beim Tarifvertrag. Da wir zum Beispiel beim Tarifvertrag ja schon relativ weit beieinander gewesen sind – und das sind die Teile, die wirklich mit Geld zu tun haben, und wir müssen ja auf die Kassen der Länder gucken; das muss ja der Hauptpunkt sein, nicht ideologische Fragen -, bin ich optimistisch, dass man das erreichen kann. Das Ergebnis wird nach meiner Einschätzung nicht sein, dass man die Maximalforderung bei der Arbeitszeit durchsetzen kann, aber wie gesagt in der Kombination mit den anderen Themen meine ich ist es möglich, einen vertretbaren Abschluss zu erzielen. Vertretbar ist ein Abschluss dann, wenn er die Kassen der Länder entlastet und zugleich für die Arbeitnehmer zumutbar ist.

    Birke: Herr Stegner, Spekulation ist natürlich auch der Journalisten Brot. Lassen Sie uns ein bisschen spekulieren. 39 Stunden wie in Baden-Württemberg auf kommunaler Ebene ist nicht genug. Wie wäre es denn mit 39,5 Stunden und dann eben entsprechenden doch Zugeständnissen der Gewerkschaften beim Weihnachtsgeld?

    Stegner: Das klingt verlockend, sich auf so etwas einzulassen, aber da ich nun wirklich zum Erfolg beitragen will und wirklich weiß, der Erfolg kann nicht in Interviews erreicht werden, sondern nur am Verhandlungstisch, möchte ich das nicht bewerten, sondern sagen wir müssen uns Mühe geben in all den Feldern. Wir müssen professionell verhandeln und wir müssen der Bevölkerung zeigen, dass dies auch möglich ist. Tarifautonomie, Flächentarifvertrag, das hat eine gute Geschichte in der Bundesrepublik. Das sollten wir nicht kaputt machen. Ich würde es kaputt machen, wenn ich jetzt darüber spekuliere. Das will ich nicht tun.

    Birke: Wie wichtig ist denn der Verzicht auf die Meistbegünstigtenklausel für eine Einigung, denn nach dieser Klausel darf ja der Bund bis 2007 einen günstigeren Abschluss der Länder für seine Beschäftigten übernehmen?

    Stegner: Ich muss Ihnen ehrlich sagen, diese Meistbegünstigungsklausel ist eigentlich, wenn man das sehr direkt ausdrückt, eine Frechheit. Das was Bund und Kommunen mit den Gewerkschaften dort gemacht haben bedeutet eine Einschränkung der Tarifautonomie für die Länder, die völlig unakzeptabel ist. Das habe ich sowohl dem Verhandlungsführer der Kommunen als auch Herrn Schäuble vor Wochen schon gesagt, dass ich meine man müsste uns da helfen, denn es wäre viel leichter uns zu verständigen, wenn das nicht da wäre. Aber es ist natürlich ein bisschen vergossene Milch, von der wir für die Zukunft lernen sollten. Ich hoffe, dass zumindest die Auslegung dieser Meistbegünstigungsklausel dann nicht auch noch orthodox erfolgt. Das heißt ja auf gut Deutsch gesagt: Wenn die Länder etwas mit den Gewerkschaften verhandeln, dann können die anderen, die gar nicht verhandelt haben, das automatisch einstreichen. Das finde ich ist kein fairer Stil. Das hat mit Tarifautonomie nichts zu tun. Insofern ist meine Hoffnung, dass die Kommunen und auch der Bund sich jedenfalls nicht päpstlicher verhalten als der Papst, wenn es dann darum geht wie geht man damit um, wenn wir ein Verhandlungsergebnis erzielen.

    Birke: Ralf Stegner war das von der SPD, Innenminister Schleswig-Holsteins und Stellvertretender Vorsitzender der Tarifgemeinschaft der Länder, hier in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. Vielen Dank und auf Wiederhören!

    Stegner: Danke Ihnen!