Bettina Klein: Und mitgehört hat am Telefon der Astrophysiker Thomas Kraupe. Er ist Direktor des Hamburger Planetariums. Ich grüße Sie, Herr Kraupe!
Thomas Kraupe: Guten Morgen!
Klein: Was ist für Sie als Astrophysiker astronomisch gesehen so interessant an so einer langen, vergleichsweise langen Sonnenfinsternis, wie sie sich heute Morgen ereignet hat?
Kraupe: Na ja, man kann bestimmte Phänomene genauer beobachten, die selbst mit Satellitentechnik derzeit schwierig sind, und zwar die innere Korona, da kann man noch Beobachtungen machen vom Erdboden aus im Schattenkegel diese lange Zeit. Ansonsten ist natürlich wissenschaftlich die Ausbeute von Sonnenfinsternissen nicht mehr so wichtig wie früher, denn man kann heute künstlich Sonnenfinsternisse herbeiführen quasi durch Blenden in Satelliten eingebaut, in den Stereosatelliten der NASA oder auch in den Satelliten Soho und quasi rund um die Uhr eine Sonnenfinsternis erleben, damit meine ich den äußeren Bereich der Sonne studieren. Also Sonnenfinsternisse sind aus astrophysikalischer Sicht natürlich nicht mehr wichtig für Astronomen, waren es aber in der Vergangenheit zur Analyse der Sonne, der äußeren Korona.
Klein: Was war der praktische Ertrag aus solchen Beobachtungen?
Kraupe: Na ja, man hat überhaupt gesehen, dass die Sonne viel größer ist, als man sie mit bloßem Auge sieht. Die Sonne hat überhaupt ...
Klein: Jetzt hat uns leider die Leitung verlassen, wir suchen noch einmal, den Astrophysiker Thomas Kraupe zu erreichen und bitten um ein paar Sekunden Geduld. Wir haben gerade gehört, wir können heutzutage Sonnenfinsternisse künstlich erzeugen, aber die Telefonleitungen nach Norddeutschland brechen mitunter ab. Am Telefon war und ist nun wieder Thomas Kraupe, der Direktor des Hamburger Planetariums. Herr Kraupe, ich hoffe, Sie hören mich. Ich würde gerne noch mal fragen, dass es in früheren Jahrhunderten so spannend war, wenn plötzlich am hellen Tage sich der Himmel verfinstert hat, das kann man sich vorstellen: Woher kommt die Faszination für so ein Ereignis, das ja naturwissenschaftlich bereits beschrieben und durchschaut ist heutzutage?
Kraupe: Ja, es ist ein magischer Moment. Wer es erlebt hat, der kann es nachvollziehen. Also man ist sozusagen wie mit einer Linie verbunden mit dem Mond, mit der Sonne, es ist wie ein Zeigefinger, der auf einen weist - du da unten, so kommt es einem vor - also selbst wenn man nicht religiös ist, plötzlich gebannt geradezu, die Zeit scheint stillzustehen in diesem Moment. Denn in den Minuten davor ist es rasant ein Wechsel des Lichts, und plötzlich ist man in dieser Zone und sieht sozusagen dieses riesige Auge fast am Himmel, diese dunkle Pupille des Mondes und außen herum diese leuchtende Gasschicht der Korona, also diese Flammenzungen sozusagen rund um die Sonne. Und das ist schon etwas, was einen innerlich erschüttert und man fühlt sich verbunden eigentlich mit all den Generationen von Menschen, die das schon vorher erlebt haben und dadurch eigentlich aufmerksam wurden auf die Verbindungen, die wir mit dem Kosmos haben. Es ist sozusagen ein Moment, der uns wachrüttelt für die Verbindungen des Menschen mit dem Kosmos, dass wir von dort draußen, dass Raum, Zeit, Materie hier auf ganz erstaunliche Weise miteinander verbunden sind.
Klein: Ein beeindruckender Moment, den wir in diesem Jahr heute Morgen in Deutschland leider nicht sehen konnten. In anderen Teilen der Welt wird ein solcher magischer Moment mit negativen Erwartungen assoziiert, wenn man das hört aus Indien die Empfehlungen, nicht mit dem Messer in der Hand hinauszugehen oder kein Kind zu entbinden. Weshalb scheint Sonnenfinsternis doch immer noch so negativ besetzt zu sein?
Kraupe: Na ja, das ist natürlich schon ein dramatischer Moment, wenn die Sonne plötzlich am helllichten Tage verschwindet. Da ist die Angst natürlich groß, alle möglichen Riten wurden veranstaltet, um den bösen Drachen oder das Böse zu verjagen. In manchen Kulturen war das so, und das ist auch verständlich, einfach weil die Sonne einfach unsere wesentliche Energiequelle ist und einfach das Leben ohne Sonne nicht möglich ist. Und wenn das plötzlich unerwartet verschwindet am helllichten Tage, dann ist das schon etwas, was durchaus bei manchen Menschen Ängste hervorruft.
Klein: Gibt es denn tatsächlich eine Wirkung dieses Geschehens am Himmel auf der Erde oder für die Erde oder schließen Sie das aus?
Kraupe: Na ja, es gibt natürlich einen Temperaturwechsel und verschiedene meteorologische Erscheinungen, ein leichter Wind vielleicht wurde registriert, und es gibt natürlich den Einfluss aufs Tierreich, dass die Vögel zu singen anfangen, so als wär es die Abenddämmerung und dann plötzlich vielleicht auch sogar aufhören und alles still wird, also es gibt die interessantesten Phänomene. Und ich glaube, im Zoo in Schanghai wurde gerade das auch während der Finsternis untersucht, soviel ich weiß.
Klein: In Deutschland war die Sonnenfinsternis heute nicht zu sehen, hier herrschte noch Nacht. Gibt es Unterschiede in der Begeisterung oder in der Aufnahme eines solchen Ereignisses weltweit, können Sie da etwas sagen?
Kraupe: Ja, das ist sicherlich kulturell bedingt und auch vom Interesse her bedingt, aber in Europa - ich glaube, viele erinnern sich -, 1999 war das natürlich ein Großereignis, das in den Medien natürlich auch sehr gut vorbereitet wurde und viele erwarteten das und bereiteten sich vor. Also da gibt es schon Unterschiede in den Ländern. Aber das wird man noch sicher analysieren müssen, was da in China genau passiert ist, Dirk Lorenzen erwähnte das ja, dass dort vielleicht nicht so sehr vielleicht die Begeisterung da war, soweit er es erlebt hat. Aber ich denke schon, dass das in einer Kultur, in der Astronomie jetzt sehr, sehr stark vorhanden ist, in der Bildungsarbeit geleistet wird in Planetarien, in Sternwarten, in den Schulen, dass da auch die Vorfreude da ist und die Menschen natürlich sich drauf vorbereiten und begeistert sind und nicht ängstlich sind.
Klein: Thomas Kraupe, der Direktor des Hamburger Planetariums, zur heutigen längsten Sonnenfinsternis dieses Jahrhunderts. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Kraupe!
Thomas Kraupe: Guten Morgen!
Klein: Was ist für Sie als Astrophysiker astronomisch gesehen so interessant an so einer langen, vergleichsweise langen Sonnenfinsternis, wie sie sich heute Morgen ereignet hat?
Kraupe: Na ja, man kann bestimmte Phänomene genauer beobachten, die selbst mit Satellitentechnik derzeit schwierig sind, und zwar die innere Korona, da kann man noch Beobachtungen machen vom Erdboden aus im Schattenkegel diese lange Zeit. Ansonsten ist natürlich wissenschaftlich die Ausbeute von Sonnenfinsternissen nicht mehr so wichtig wie früher, denn man kann heute künstlich Sonnenfinsternisse herbeiführen quasi durch Blenden in Satelliten eingebaut, in den Stereosatelliten der NASA oder auch in den Satelliten Soho und quasi rund um die Uhr eine Sonnenfinsternis erleben, damit meine ich den äußeren Bereich der Sonne studieren. Also Sonnenfinsternisse sind aus astrophysikalischer Sicht natürlich nicht mehr wichtig für Astronomen, waren es aber in der Vergangenheit zur Analyse der Sonne, der äußeren Korona.
Klein: Was war der praktische Ertrag aus solchen Beobachtungen?
Kraupe: Na ja, man hat überhaupt gesehen, dass die Sonne viel größer ist, als man sie mit bloßem Auge sieht. Die Sonne hat überhaupt ...
Klein: Jetzt hat uns leider die Leitung verlassen, wir suchen noch einmal, den Astrophysiker Thomas Kraupe zu erreichen und bitten um ein paar Sekunden Geduld. Wir haben gerade gehört, wir können heutzutage Sonnenfinsternisse künstlich erzeugen, aber die Telefonleitungen nach Norddeutschland brechen mitunter ab. Am Telefon war und ist nun wieder Thomas Kraupe, der Direktor des Hamburger Planetariums. Herr Kraupe, ich hoffe, Sie hören mich. Ich würde gerne noch mal fragen, dass es in früheren Jahrhunderten so spannend war, wenn plötzlich am hellen Tage sich der Himmel verfinstert hat, das kann man sich vorstellen: Woher kommt die Faszination für so ein Ereignis, das ja naturwissenschaftlich bereits beschrieben und durchschaut ist heutzutage?
Kraupe: Ja, es ist ein magischer Moment. Wer es erlebt hat, der kann es nachvollziehen. Also man ist sozusagen wie mit einer Linie verbunden mit dem Mond, mit der Sonne, es ist wie ein Zeigefinger, der auf einen weist - du da unten, so kommt es einem vor - also selbst wenn man nicht religiös ist, plötzlich gebannt geradezu, die Zeit scheint stillzustehen in diesem Moment. Denn in den Minuten davor ist es rasant ein Wechsel des Lichts, und plötzlich ist man in dieser Zone und sieht sozusagen dieses riesige Auge fast am Himmel, diese dunkle Pupille des Mondes und außen herum diese leuchtende Gasschicht der Korona, also diese Flammenzungen sozusagen rund um die Sonne. Und das ist schon etwas, was einen innerlich erschüttert und man fühlt sich verbunden eigentlich mit all den Generationen von Menschen, die das schon vorher erlebt haben und dadurch eigentlich aufmerksam wurden auf die Verbindungen, die wir mit dem Kosmos haben. Es ist sozusagen ein Moment, der uns wachrüttelt für die Verbindungen des Menschen mit dem Kosmos, dass wir von dort draußen, dass Raum, Zeit, Materie hier auf ganz erstaunliche Weise miteinander verbunden sind.
Klein: Ein beeindruckender Moment, den wir in diesem Jahr heute Morgen in Deutschland leider nicht sehen konnten. In anderen Teilen der Welt wird ein solcher magischer Moment mit negativen Erwartungen assoziiert, wenn man das hört aus Indien die Empfehlungen, nicht mit dem Messer in der Hand hinauszugehen oder kein Kind zu entbinden. Weshalb scheint Sonnenfinsternis doch immer noch so negativ besetzt zu sein?
Kraupe: Na ja, das ist natürlich schon ein dramatischer Moment, wenn die Sonne plötzlich am helllichten Tage verschwindet. Da ist die Angst natürlich groß, alle möglichen Riten wurden veranstaltet, um den bösen Drachen oder das Böse zu verjagen. In manchen Kulturen war das so, und das ist auch verständlich, einfach weil die Sonne einfach unsere wesentliche Energiequelle ist und einfach das Leben ohne Sonne nicht möglich ist. Und wenn das plötzlich unerwartet verschwindet am helllichten Tage, dann ist das schon etwas, was durchaus bei manchen Menschen Ängste hervorruft.
Klein: Gibt es denn tatsächlich eine Wirkung dieses Geschehens am Himmel auf der Erde oder für die Erde oder schließen Sie das aus?
Kraupe: Na ja, es gibt natürlich einen Temperaturwechsel und verschiedene meteorologische Erscheinungen, ein leichter Wind vielleicht wurde registriert, und es gibt natürlich den Einfluss aufs Tierreich, dass die Vögel zu singen anfangen, so als wär es die Abenddämmerung und dann plötzlich vielleicht auch sogar aufhören und alles still wird, also es gibt die interessantesten Phänomene. Und ich glaube, im Zoo in Schanghai wurde gerade das auch während der Finsternis untersucht, soviel ich weiß.
Klein: In Deutschland war die Sonnenfinsternis heute nicht zu sehen, hier herrschte noch Nacht. Gibt es Unterschiede in der Begeisterung oder in der Aufnahme eines solchen Ereignisses weltweit, können Sie da etwas sagen?
Kraupe: Ja, das ist sicherlich kulturell bedingt und auch vom Interesse her bedingt, aber in Europa - ich glaube, viele erinnern sich -, 1999 war das natürlich ein Großereignis, das in den Medien natürlich auch sehr gut vorbereitet wurde und viele erwarteten das und bereiteten sich vor. Also da gibt es schon Unterschiede in den Ländern. Aber das wird man noch sicher analysieren müssen, was da in China genau passiert ist, Dirk Lorenzen erwähnte das ja, dass dort vielleicht nicht so sehr vielleicht die Begeisterung da war, soweit er es erlebt hat. Aber ich denke schon, dass das in einer Kultur, in der Astronomie jetzt sehr, sehr stark vorhanden ist, in der Bildungsarbeit geleistet wird in Planetarien, in Sternwarten, in den Schulen, dass da auch die Vorfreude da ist und die Menschen natürlich sich drauf vorbereiten und begeistert sind und nicht ängstlich sind.
Klein: Thomas Kraupe, der Direktor des Hamburger Planetariums, zur heutigen längsten Sonnenfinsternis dieses Jahrhunderts. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Kraupe!