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"Es ist eine Erleichterung"

Laut Alois Glück bietet der Rücktritt von Bischof Mixa der katholischen Kirche die Chance auf einen Neuanfang. Mixas Entschluss sei "letztlich eine unausweichliche Konsequenz" gewesen, insbesondere weil seine Art des Umgangs mit den Vorwürfen die Krise immer größer gemacht habe.

Alois Glück im Gespräch mit Sandra Schulz | 22.04.2010
    Sandra Schulz: Es war ein ungewöhnlicher Schritt, der gestern schon aufhorchen ließ: die Anregung des Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz Zollitsch an die Adresse des umstrittenen Augsburger Bischofs Mixa, seine Amtsgeschäfte wenigstens für eine Zeit ruhen zu lassen. Nach tagelangen Diskussionen um Misshandlungen von Heimkindern, um Erziehung per Prügelstrafe und ungeklärte Zahlungen einer Waisenhausstiftung, nach dem Eingeständnis, die eine oder andere Watschen könne er nicht ausschließen, und schließlich seiner Bitte um Verzeihung, hat Walter Mixa jetzt nach Medieninformationen seinen Rücktritt angeboten. Was bedeutet dieser Schritt? Das wollen wir in den kommenden Minuten besprechen. Telefonisch bin ich verbunden mit dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, mit Alois Glück. Guten Morgen!

    Alois Glück: Guten Morgen!

    Schulz: Herr Glück, wie bewerten Sie die neue Entwicklung?

    Glück: Es war letztlich eine unausweichliche Konsequenz. Die ganze Sache hat eskaliert in der Diözese selbst, hat die katholische Kirche aber auch in Deutschland belastet, und von daher gesehen war es letztlich eine unausweichliche Konsequenz und es ist eine Erleichterung, es ist vielleicht auch ein Stück persönliche Tragödie, denn Bischof Mixa hat sich nicht zuletzt durch seine Reaktionen in diese Situation gebracht.

    Schulz: Was heißt denn sein Rücktritt jetzt für die Aufklärung der Vorwürfe, die gegen ihn ja im Raum stehen, die Sie ja auch immer wieder angemahnt haben?

    Glück: Ich gehe davon aus, dass diese Aufklärung betrieben wird. Das ist ja auch ganz wichtig. Das ist sowohl im Interesse natürlich jetzt der Diözese, das ist im Interesse der Kirche und es wird auch sicher erfolgen, da ja die Stiftung einen unabhängigen Ermittler eingesetzt hat, mit dem ja auch die ganzen Dinge transparenter geworden sind. Dadurch kam etwa dieser Aspekt auch der Finanzierung verschiedener Sachverhalte. Das wird erfolgen und das muss auch erfolgen, das muss auch aus der Sicht der Kirche erfolgen, weil sonst kommt es irgendwann oder in nicht allzu ferner Zeit zu irgendeiner Mythenbildung, zu einer Legendenbildung, und das wäre fatal.

    Schulz: Sie haben in der vergangenen Woche ja noch gewarnt, ein Rücktritt wäre grundfalsch. Welche Gefahr sehen Sie jetzt?

    Glück: Nein. Ich habe nicht gesagt, dass er zurücktritt. Aber die Forderungen nach Rücktritt, weil es zunächst mir um die Klärung geht, und das Thema Klärung ist auch jetzt weiter notwendig, weil eben sonst genau das passieren könnte, was ich vorher gerade beschrieben habe. Jetzt geht es darum, natürlich in der Diözese die Situation zu beruhigen und dann Erklärungen zuzuführen. Dazu gehört dann selbstverständlich eben auch noch mal die Klärung der Sachverhalte, die da waren in Schrobenhausen.

    Schulz: Gegenüber der Zeitung "Die Welt" haben Sie gesagt, die Kirche stehe an einem Scheideweg. In welche Richtung weist jetzt die Entscheidung aus Augsburg?

    Glück: Wir stehen insofern an einem Scheideweg, weil von der Verarbeitung und der Aufarbeitung der jetzigen Krise viel abhängen wird, wie es weitergeht. Im Prinzip sind zwei Reaktionsmuster ja denkbar und auch in der Mentalität irgendwo da: Rückzug in eine Wagenburgmentalität, in die böse Welt, die uns gewissermaßen bedroht, Abkapselung, oder eben wirklich Erneuerung, Aufarbeitung, warum konnte sich in der Kirche so etwas entwickeln. Das ist die Frage, vor der wir stehen. Das ist alles zu tun, dass eben über die Krise letztlich auch ein Stück neuer Aufbruch gelingt. So war es öfters in der Kirchengeschichte, dass aus der Krise heraus auch sehr viel Neues und Positives wächst. Aber es wird in jedem Fall eine sehr schwierige und anstrengende Wegstrecke werden und die Dinge werden nicht von heute auf morgen einfach geregelt sein.

    Schulz: Ist der Rücktritt denn auch ein Signal nach Berlin, wo der Runde Tisch ja morgen seine Arbeit aufnimmt?

    Glück: Nein, das hat jetzt damit gar nichts zu tun. Der Runde Tisch hat auch andere Aufgaben. Da geht es ja auch nicht nur jetzt um kirchliche Themen und die Entwicklung in der katholischen Kirche. Wir haben es hier mit einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen zu tun, wo weiter das praktiziert wird, was in der Kirche, denke ich, jetzt Gott sei Dank Vergangenheit ist, nämlich wegschauen und wegdrängen und verdrängen. Insofern müssen wir als Gesellschaft auch dort sensibler werden, aufmerksam in den Spiegel schauen. Das Problem ist nicht nur das Problem einiger weniger, wie in der Kirche oder an einzelnen Schulen.

    Schulz: Alois Glück, haben Sie in den vergangenen Tagen denn auch an den schnellen Rücktritt von Margot Käßmann gedacht?

    Glück: Ich habe jetzt nicht daran gedacht, aber natürlich zeigt der Rücktritt von Frau Käßmann, dass es auch anders geht und dann damit die moralische Qualität oder Autorität letztlich erhalten bleibt. Es war eben auch bei Bischof Mixa so, dass unabhängig von dem, was noch zu klären ist, was tatsächlich war, insbesondere die Art des Umgangs mit den Vorwürfen die Krise immer größer gemacht hat und er selbst dabei immer mehr unter Druck gekommen ist, unglaubwürdiger geworden ist und das Unglaubwürdige dann mit der Zeit die ganze Kirche immer mehr belastet hat.

    Schulz: Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, heute in den "Informationen am Morgen". Danke schön.

    Glück: Danke auch!