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"Es ist eine Frage der Gerechtigkeit"

Eine CD mit brisanten Daten über deutsche Geldanlagen in der Schweiz hat für heftige Diskussionen gesorgt. Darf die Bundesrepublik 2,5 Millionen Euro für die Informationen bezahlen? Niedersachsens Finanzminister Hartmut Möllring hofft darauf. Dennoch müsse erst geprüft werden, ob eine Verwertung der Daten rechtmäßig sei.

Hartmut Möllring im Gespräch mit Friedbert Meurer | 01.02.2010
    Friedbert Meurer: Die Schweiz ist sauer auf Berlin und droht mit Gegenmaßnahmen, sollte das Bundesfinanzministerium die viel besprochene CD kaufen. Am Telefon ist Hartmut Möllring, Finanzminister in Niedersachsen, von der CDU. Guten Morgen, Herr Möllring.

    Hartmut Möllring: Guten Morgen!

    Meurer: Haben Sie Skrupel, die CD mit den 1.500 geschätzten Bankdaten zu kaufen?

    Möllring: Zunächst muss das Bundesfinanzministerium natürlich prüfen – darauf ist ja hingewiesen worden -, ob die Daten dann auch verwertbar sind. Ich kenne natürlich nicht die Umstände, wie derjenige, der sie anbietet, die Daten, da herangekommen ist. Sicherlich wäre das alles kein Problem, wenn wir untereinander die Bankdaten austauschen würden und nicht sagen, bei uns werden keine Steuern bezahlt und deshalb schützen wir den Bürger des anderen Staates vor der Steuerzahlung. Da könnte die Schweiz uns sehr entgegenkommen, dann bräuchten wir solche Hilfsmittel wie möglicherweise widerrechtlich erlangte CDs nicht in Anspruch zu nehmen.

    Meurer: Auf gut Deutsch: Sie sagen, die CD kann man kaufen?

    Möllring: Ja und nein. Bei der Liechtenstein-CD haben wir uns als Niedersachsen an dem Kauf nicht beteiligt, aber andererseits: wenn wir Daten bekommen, müssen wir denen natürlich nachgehen. Da ist man natürlich in einem Zielkonflikt, denn es ist doch selbstverständlich: wenn uns jemand sagt, da hinterzieht jemand Steuern, dann müssen wir dem nachgehen. Häufig kriegen wir diese Hinweise ja aus Mitarbeiterkreisen, nach Eheproblemen, wenn die betrogene Ehefrau uns mitteilt, dass der Ehemann doch noch mehr Geld hat, als er uns immer angegeben hat, und dem müssen wir natürlich auch nachgehen.

    Meurer: Was könnte denn einer Verwertung im Wege stehen, Herr Möllring?

    Möllring: Das ist eben das Prozessrecht. Wenn Daten, Beweise widerrechtlich erlangt worden sind, könnte das unter gegebenen, unter einigen Gesichtspunkten vielleicht einem Verwertungsverbot unterliegen. Das prüft im Moment das Bundesfinanzministerium und das müssen wir jetzt abwarten.

    Meurer: Dann will ich mal so sagen, Herr Möllring: Sie hoffen, dass man die CD verwerten kann?

    Möllring: Ja, selbstverständlich. Es ist ja eine Frage der Gerechtigkeit. Es kann ja nicht sein, dass diejenigen, die brav und ordentlich ihre Steuern zahlen, schlechter gestellt werden als die, die im Ausland Geld hinterlegen, was ja ganz normal ist – ist ja auch zulässig -, und es dann nicht erklären und keine Steuern zahlen. Für Gerechtigkeit ist es erforderlich, dass jeder seiner Steuerpflicht nachkommt.

    Meurer: Wieso hat Niedersachsen damals eigentlich nicht sich beteiligt an dem Ankauf der CD aus Liechtenstein?

    Möllring: Das hat vielerlei Gründe gehabt. Das liegt auch daran, dass das Land, das diese CD hat, größere Steuerzuflüsse hat als andere. Damals die Entscheidung haben wir getroffen, uns nicht an dem Kauf zu beteiligen, aber selbstverständlich werden wir natürlich alle Daten auswerten, die uns zur Verfügung gestellt werden. Das wäre ja auch gar nicht zulässig zu sagen, wir verfolgen solche Steuerhinterzieher nicht.

    Meurer: Nun sagen ja selbst Parteifreunde von Ihnen wie selbst der Fraktionschef Volker Kauder, man soll die Finger davon lassen. Da sind Sie etwas anderer Meinung?

    Möllring: Das kann man nicht generell sagen. Wenn ich eine Information bekomme, dass jemand seiner Steuerpflicht nicht nachkommt und Steuern hinterzieht, muss ich den Fall prüfen. Ich muss allerdings auch immer prüfen, ob diese Hinweise verwertbar sind. Ich kann das nicht nach Gusto machen, und deshalb müssen die Behörden dem nachgehen, aber jeder Einzelfall liegt leider anders.

    Meurer: Ein Gegenargument lautet, stiftet die Bundesregierung, wenn sie kauft, zu künftigen Steuertaten an, animiert sie Leute, sich auf ominösen Wegen solche Daten zu besorgen?

    Möllring: Das ist das Problem, das völlig richtig angesprochen worden ist. Wir haben dann immer wieder irgendwelche Trittbrettfahrer, die sagen, komm, ich bin bereit, in die Schweiz zu gehen oder nach Liechtenstein oder andernorts, und besorge euch Daten, wenn ihr mir versprecht, das und das zu bezahlen. Das hatten wir nach der Liechtenstein-CD, dass Leute sich angeboten haben, und das kann natürlich überhaupt nicht sein, dass der Staat jemanden anstiftet oder ein Versprechen macht, wenn er in Zukunft eine Straftat begeht, um an Daten zu kommen, an denen der Staat auch interessiert ist. Deshalb muss das ganz genau geprüft werden und das ist ja jetzt im Bundesfinanzministerium auch der Fall.

    Meurer: Ich spreche mit Hartmut Möllring, Finanzminister in Niedersachsen. Sie haben eben gehört, wie sauer man in der Schweiz ist. Wie bewerten Sie die Empörung dort?

    Möllring: Ach ja, die Schweiz könnte ja ein ganz normales Doppelbesteuerungsabkommen machen, dann wäre die ganze Sache durchsichtig, wie wir das ja mit vielen, vielen anderen Staaten haben, und dann würde die Schweiz auch nicht im Verdacht stehen, Steuerhinterzieher zu begünstigen. Wir sind schließlich Nachbarn und im nachbarschaftlichen Verhältnis sollte man doch darauf achten, dass jeder Staat zu seinem Recht kommt und man nicht einfach sagt, bei uns ist das Bankgeheimnis so hoch anzusetzen, dass Leute, die bei uns Geld anlegen, in ihrem Heimatstaat Steuern hinterziehen können.

    Meurer: Wie schwer wiegt für Sie die Drohung der Schweiz, das Doppelbesteuerungsabkommen, an dem verhandelt wird, auf Eis zu legen?

    Möllring: Wir haben es ja noch nicht.

    Meurer: Dann die Verhandlungen aufzuhalten.

    Möllring: Ich bin der Meinung, die Schweiz sollte jetzt zum Ende kommen, die Verhandlungen nicht abbrechen, sondern zu Ende bringen, ein vernünftiges Doppelbesteuerungsabkommen machen, wie wir es mit vielen, vielen, vielen Ländern haben, und dann wäre dieses Problem schon wieder aus der Welt.

    Meurer: Was wäre denn der entscheidende Fortschritt für den deutschen Fiskus bei dem Doppelbesteuerungsabkommen?

    Möllring: Na ja, dass wir Zugriff hätten auf die Daten auch in der Schweiz und es eben nicht möglich wäre, dass Menschen in die Schweiz gehen mit ihrem Geld, um hier Steuern zu hinterziehen.

    Meurer: Über welche Summen reden wir, die in der Schweiz von Deutschen angelegt werden? Haben Sie da eine Schätzung?

    Möllring: Nein, das kann keiner seriös schätzen. Es gibt immer wieder Zahlen, aber da das keiner beweisen kann, kann jeder jede Zahl sagen und man kann sie glauben oder nicht glauben, das kann Ihnen überhaupt keiner sagen.

    Meurer: Aber der Vorteil des Doppelbesteuerungsabkommens wäre, dass nicht nur bei Verdacht gehandelt wird, sondern insgesamt sofort Einkünfte, die in der Schweiz angelegt werden, den deutschen Steuerbehörden gemeldet werden?

    Möllring: Ja. Dann hätten wir beide die Übersicht, die Schweiz und wir, und dann könnte man ja vernünftig darüber reden. Aber die Schweiz verweigert sich ja im Moment und nun müssen wir abwarten, ob die Verhandlungen zum Erfolg führen.

    Meurer: Der niedersächsische Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk zur Frage, ob das Bundesfinanzministerium die CD mit den Steuerdaten, mit den Bankdaten aus der Schweiz kaufen soll. Danke, Herr Möllring, und auf Wiederhören.

    Möllring: Ja. Auf Wiederhören!