Engels: Nichts wird mehr so sein wie es wahr. Das ist ein Satz, der nach den Anschlägen in den USA von allen Seiten zu hören ist. Am Telefon ist nun der Bonner Politikwissenschaftler Christian Hacke. Er ist USA-Fachmann und Sicherheitsexperte. Guten Morgen Herr Hacke!
Hacke: Guten Morgen.
Engels: Langsam werden Details über die perfide Perfektion dieses Terroranschlags bekannt: zum einen diese genaue zeitliche Abstimmung, zum zweiten Details, dass es beispielsweise den Terroristen offenbar gelang, ein Flugdatenübermittler auszuschalten und somit die Maschine für die Radarschirme unsichtbar zu machen. Nach Angaben von Experten können das nur Fachleute. Wer ist zu solchen Anschlägen in der Lage?
Hacke: Das ist die große Frage, Frau Engels, und das, was uns in dieser Fassungslosigkeit beschäftigt. Das ist die Hauptfrage, die auch unser Bundespräsident eben deutlich gemacht hat: wie kann so etwas entstehen und wie wird es weiter gehen. Wie es entstehen kann? - Es ist eine Mischung aus höchster Primitivität und höchster Perfektion. Das ist glaube ich, was wir in dieser Form noch nicht erlebt haben. Wir haben vorhin von Ihren Korrespondenten aus New York gehört, dass wohl der Fall so war, dass die Terroristen mit Messern die Piloten umgebracht haben. Das meine ich als primitiven verbrecherischen Ausdruck. Und gleichzeitig diese hoch komplexe Organisation und Logistik dieses gesamten Unternehmens. Das stellt alle Regierungen, alle Fachleute vor die Frage: wie konnte das entwickelt werden.
Engels: Es gibt Meldungen, wonach die Piloten mit Messern in Schach gehalten wurden. Genauere Hintergründe sind noch nicht bekannt. Man kann nur spekulieren. Als möglichen Drahtzieher nennen die US-Geheimdienste immer wieder den Terroristen bin Laden, schon aufgrund dieser perfiden Organisation der Tat. Dem würde man es am ehesten zutrauen. Sehen Sie das auch so?
Hacke: Ich bin kein Fachmann, und keiner kann das jetzt übersehen. Alles ist Spekulation. Unsere Informationen sind fragmentarisch. Wir sind selbst auch noch gar nicht richtig in der Lage, diese Dinge einzuschätzen. Das ist selbstverständlich. Man sollte aber vielleicht auch andere Spuren genauso verfolgen. Das wird sicherlich auch getan werden. Der erste Eindruck und vielleicht auch der endgültige wird so sein, denn das Attentat und der Bombenanschlag auf das World Trade Center 1993 war ja vermutlich auch von bin Laden. Hier ist vielleicht auch nicht auszuschließen, dass verschiedene kriminelle terroristische Organisationen unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlicher Prägung, vielleicht auch unterschiedlicher Zielsetzung sich für Unternehmen wie diese zusammentun, um nachher wieder zu zerfallen, indem sie ihre Spuren verwischen. Hier ist wirklich alles möglich. Es wird wahrscheinlich einen politischen - obwohl der Ausdruck hier fehl ist -, einen ideologischen, einen fanatischen Hintergrund haben, aber es kann auch ökonomische Hintergründe haben. Es können auch große Verbrecherkartelle, die weltweit operieren, hier mit verbunden sein. Das ist diese hohe Komplexität der Planung, die viele Fachleute zweifeln lässt, ob das so ein Mann wie bin Laden alleine mit seinen Leuten organisieren konnte.
Engels: Schauen wir auf die politische Führung in den USA. Rechnen Sie mit Gegenschlägen seitens der USA?
Hacke: Wir können nur davon ausgehen, wie die Vereinigten Staaten bisher gehandelt haben, und unter Präsident Clinton ist es zu Gegenschlägen gekommen. Sie wissen, das war in Afrika und anderswo. Ich vermute, sowie die Vereinigten Staaten, sowie die Regierung erkennen kann, dass sie den Terroristen oder die Organisation ausmacht, dass sie dann zurückschlagen wird. Die größere Gefahr auch der Eskalation wird dann entstehen, wenn die Amerikaner klar sehen, dass nicht nur eine nichtstaatliche Organisation dabei war, sondern dieses ganze Unternehmen auch von einem Staat gedeckt wurde. Dann wird es klarer, gegen wen sich die Amerikaner dann auch kriegerisch verhalten werden in der Reaktion, denn das ist eine Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten und zurecht, wie unser Bundeskanzler gesagt hat, nicht nur an die zivilisierte, sondern an die gesamte Welt, an die gesamte Menschheit.
Engels: Rechnen Sie damit, dass sich das außenpolitische Verständnis der USA ändern wird, möglicherweise hin zu einer stärkeren Abschottung, einer Absage an den Multilateralismus?
Hacke: Es mag sein, dass es Kräfte im Kongress geben wird, die so etwas fordern, aber ich glaube, dass die anderen Kräfte genauso stark werden und vielleicht noch stärker, die fordern, dass die Vereinigten Staaten jetzt die einzelnen Wurzeln, die politischen Ursachen von Terrorismus genauer erforschen. Das wird natürlich den nahen Osten wieder ins Zentrum der Überlegungen stellen. Das ist für mich relativ deutlich, dass die Diskussion wieder beginnen muss, obwohl wir auch sehen müssen, dass jeder Staat, jede Organisation im nahen Osten - und die haben ja sehr unterschiedliche Auffassungen und Zielsetzungen, wie wir wissen - diesen furchtbaren Vorgang unterschiedlich interpretiert. Für die Israelis ist es jetzt ein Zeichen von Solidarität, den Terrorismus gemeinsam mit den USA zu bekämpfen. Dann ist dieser furchtbare Anschlag für die Palästinenserführer der Anlas, dass die Amerikaner sich wieder stärker für sie engagieren. Die ägyptische Führung macht ebenso klar, dass die Amerikaner jetzt gefordert sind. Ich denke, dass das mit zu den wichtigsten Signalen gehört, dass die Vereinigten Staaten vielleicht nach drei Monaten starker Vernachlässigung seit der Präsidentschaft George Bush der Region im nahen Osten nun stärker sich wieder dort um den Friedensprozess wird kümmern müssen. Wir haben alle in Erinnerung, wie Präsident Clinton wirklich bis an die Grenze der Machbarkeit versuchte, dort zu einem Vertrag zu kommen, und dass seitdem die Amerikaner nicht mehr in dieser Form sich engagiert haben und sich die Dinge dort im Zuge des abseits Stehens sehr dramatisch eskaliert haben.
Engels: Der Bonner Politikwissenschaftler Christian Hacke. - Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Link: Interview als RealAudio
Hacke: Guten Morgen.
Engels: Langsam werden Details über die perfide Perfektion dieses Terroranschlags bekannt: zum einen diese genaue zeitliche Abstimmung, zum zweiten Details, dass es beispielsweise den Terroristen offenbar gelang, ein Flugdatenübermittler auszuschalten und somit die Maschine für die Radarschirme unsichtbar zu machen. Nach Angaben von Experten können das nur Fachleute. Wer ist zu solchen Anschlägen in der Lage?
Hacke: Das ist die große Frage, Frau Engels, und das, was uns in dieser Fassungslosigkeit beschäftigt. Das ist die Hauptfrage, die auch unser Bundespräsident eben deutlich gemacht hat: wie kann so etwas entstehen und wie wird es weiter gehen. Wie es entstehen kann? - Es ist eine Mischung aus höchster Primitivität und höchster Perfektion. Das ist glaube ich, was wir in dieser Form noch nicht erlebt haben. Wir haben vorhin von Ihren Korrespondenten aus New York gehört, dass wohl der Fall so war, dass die Terroristen mit Messern die Piloten umgebracht haben. Das meine ich als primitiven verbrecherischen Ausdruck. Und gleichzeitig diese hoch komplexe Organisation und Logistik dieses gesamten Unternehmens. Das stellt alle Regierungen, alle Fachleute vor die Frage: wie konnte das entwickelt werden.
Engels: Es gibt Meldungen, wonach die Piloten mit Messern in Schach gehalten wurden. Genauere Hintergründe sind noch nicht bekannt. Man kann nur spekulieren. Als möglichen Drahtzieher nennen die US-Geheimdienste immer wieder den Terroristen bin Laden, schon aufgrund dieser perfiden Organisation der Tat. Dem würde man es am ehesten zutrauen. Sehen Sie das auch so?
Hacke: Ich bin kein Fachmann, und keiner kann das jetzt übersehen. Alles ist Spekulation. Unsere Informationen sind fragmentarisch. Wir sind selbst auch noch gar nicht richtig in der Lage, diese Dinge einzuschätzen. Das ist selbstverständlich. Man sollte aber vielleicht auch andere Spuren genauso verfolgen. Das wird sicherlich auch getan werden. Der erste Eindruck und vielleicht auch der endgültige wird so sein, denn das Attentat und der Bombenanschlag auf das World Trade Center 1993 war ja vermutlich auch von bin Laden. Hier ist vielleicht auch nicht auszuschließen, dass verschiedene kriminelle terroristische Organisationen unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlicher Prägung, vielleicht auch unterschiedlicher Zielsetzung sich für Unternehmen wie diese zusammentun, um nachher wieder zu zerfallen, indem sie ihre Spuren verwischen. Hier ist wirklich alles möglich. Es wird wahrscheinlich einen politischen - obwohl der Ausdruck hier fehl ist -, einen ideologischen, einen fanatischen Hintergrund haben, aber es kann auch ökonomische Hintergründe haben. Es können auch große Verbrecherkartelle, die weltweit operieren, hier mit verbunden sein. Das ist diese hohe Komplexität der Planung, die viele Fachleute zweifeln lässt, ob das so ein Mann wie bin Laden alleine mit seinen Leuten organisieren konnte.
Engels: Schauen wir auf die politische Führung in den USA. Rechnen Sie mit Gegenschlägen seitens der USA?
Hacke: Wir können nur davon ausgehen, wie die Vereinigten Staaten bisher gehandelt haben, und unter Präsident Clinton ist es zu Gegenschlägen gekommen. Sie wissen, das war in Afrika und anderswo. Ich vermute, sowie die Vereinigten Staaten, sowie die Regierung erkennen kann, dass sie den Terroristen oder die Organisation ausmacht, dass sie dann zurückschlagen wird. Die größere Gefahr auch der Eskalation wird dann entstehen, wenn die Amerikaner klar sehen, dass nicht nur eine nichtstaatliche Organisation dabei war, sondern dieses ganze Unternehmen auch von einem Staat gedeckt wurde. Dann wird es klarer, gegen wen sich die Amerikaner dann auch kriegerisch verhalten werden in der Reaktion, denn das ist eine Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten und zurecht, wie unser Bundeskanzler gesagt hat, nicht nur an die zivilisierte, sondern an die gesamte Welt, an die gesamte Menschheit.
Engels: Rechnen Sie damit, dass sich das außenpolitische Verständnis der USA ändern wird, möglicherweise hin zu einer stärkeren Abschottung, einer Absage an den Multilateralismus?
Hacke: Es mag sein, dass es Kräfte im Kongress geben wird, die so etwas fordern, aber ich glaube, dass die anderen Kräfte genauso stark werden und vielleicht noch stärker, die fordern, dass die Vereinigten Staaten jetzt die einzelnen Wurzeln, die politischen Ursachen von Terrorismus genauer erforschen. Das wird natürlich den nahen Osten wieder ins Zentrum der Überlegungen stellen. Das ist für mich relativ deutlich, dass die Diskussion wieder beginnen muss, obwohl wir auch sehen müssen, dass jeder Staat, jede Organisation im nahen Osten - und die haben ja sehr unterschiedliche Auffassungen und Zielsetzungen, wie wir wissen - diesen furchtbaren Vorgang unterschiedlich interpretiert. Für die Israelis ist es jetzt ein Zeichen von Solidarität, den Terrorismus gemeinsam mit den USA zu bekämpfen. Dann ist dieser furchtbare Anschlag für die Palästinenserführer der Anlas, dass die Amerikaner sich wieder stärker für sie engagieren. Die ägyptische Führung macht ebenso klar, dass die Amerikaner jetzt gefordert sind. Ich denke, dass das mit zu den wichtigsten Signalen gehört, dass die Vereinigten Staaten vielleicht nach drei Monaten starker Vernachlässigung seit der Präsidentschaft George Bush der Region im nahen Osten nun stärker sich wieder dort um den Friedensprozess wird kümmern müssen. Wir haben alle in Erinnerung, wie Präsident Clinton wirklich bis an die Grenze der Machbarkeit versuchte, dort zu einem Vertrag zu kommen, und dass seitdem die Amerikaner nicht mehr in dieser Form sich engagiert haben und sich die Dinge dort im Zuge des abseits Stehens sehr dramatisch eskaliert haben.
Engels: Der Bonner Politikwissenschaftler Christian Hacke. - Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Link: Interview als RealAudio