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"Es ist erstaunlich ruhig"

Die griechischen Pakektbomben sollen vermutlich als Protest gegen die EU und deren Maßnahmen zum Schuldenabbau in Griechenland verstanden werden. Die Mehrzahl der Griechen scheint sich jedoch in die Notwendigkeit des Sparprogramms gefügt zu haben, berichtet Journalist Gerd Höhler.

Gerd Höhler im Gespräch mit Christian Bremkamp |
    Christian Bremkamp: Zugehört hat Gerd Höhler, langjähriger ARD-Korrespondent für Griechenland und wohnhaft in Athen. Schönen guten Tag, Herr Höhler.

    Gerd Höhler: Guten Tag.

    Bremkamp: Die Ermittlungen laufen, hierzulande und auch in Griechenland. Was wissen Sie? Wer steckt hinter diesen Paketbomben?

    Höhler: Zwei junge Männer sind ja bereits am Montag festgenommen worden, unmittelbar nachdem sie bei einem Kurierdienst eines dieser Bombenpakete aufgegeben hatten. Bei ihnen hat man zwei weitere Umschläge mit Sprengsätzen gefunden, zwei Pistolen, eine Perücke und eine schusssichere Weste, und einer der beiden ist kein Unbekannter. Er stand seit langem auf der Fahndungsliste der griechischen Polizei und soll Mitglied einer linksextremen Terrorgruppe sein, nämlich der Organisation "Verschwörung der Feuerzellen". Das ist eine Organisation, die seit etwa drei Jahren in Griechenland eine ganze Anzahl von Brandanschlägen und Sprengstoffattentaten verübt hat. Insofern gibt es schon einige Erkenntnisse über die möglichen Urheber dieser Serie von Brandbomben und Explosions-Brandbriefen.

    Bremkamp: Eine Gruppierung, die also wirklich sehr gewaltbereit ist?

    Höhler: Nicht so gewaltbereit wie manche andere Gruppen. Menschenleben haben diese Terroristen bisher nicht auf dem Gewissen. Es gibt andere Gruppen in Griechenland, die sehr viel brutaler vorgehen, beispielsweise die "Sekte der Revolutionäre". Das ist eine Gruppe, die der Polizei besonders viel Kopfzerbrechen bereitet. Auf ihr Konto gehen Morde an einem Journalisten und an einem Polizisten. Diese linksextreme Gruppe gibt vor, sie kämpfe gegen die Verelendung der Volksmassen.

    Bremkamp: Griechenland ist in den letzten Monaten mehr und mehr aus den Schlagzeilen verschwunden, hierzulande zumindest. Wie stellt sich denn die Lage im Moment dort dar, Stichwort Sparprogramm und Bürgerproteste?

    Höhler: Dieses Sparprogramm, das ist ein sehr langer, sehr mühsamer Weg, der wird sicherlich auch in den nächsten ein, zwei Jahren nicht zu Ende sein, nicht zu bewältigen sein. Es ist ein Programm, das mindestens bis 2013 läuft. In dieser Zeit müssen die Griechen die Vorgabe der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds erfüllen und das Haushaltsdefizit unter die Grenze von drei Prozent drücken. Diejenigen, die in Griechenland mit einem heißen Herbst, also mit Massenprotesten gegen die Sparpolitik gerechnet hatten, die sehen sich getäuscht. Es ist erstaunlich ruhig, muss man sagen, erstaunlich deswegen, weil dieses Sparprogramm ja für alle Griechen mit erheblichen Belastungen, mit erheblichen Opfern verbunden ist, sei es in Form von gekürzten Renten, von eingefrorenen Gehältern, oder massiv erhöhten Steuern. Also alle bekommen das zu spüren. Aber die große Mehrzahl scheint, sich in die Notwendigkeit dieses Sparprogramms gefügt zu haben.

    Bremkamp: Gefügt oder auch verstanden?

    Höhler: Gefügt sicherlich, weil es auch nicht viele andere Möglichkeiten gibt, denn Griechenland ist ja aktuell abhängig von den Hilfskrediten der Europäischen Union und des IWF, und die gibt es eben nur, wenn die Sparauflagen erfüllt werden. Dass die Politik unpopulär ist, das ist ganz sicherlich so und das wird sich sicherlich auch nicht nur in den Umfragen immer wieder zeigen, sondern auch bei den Kommunalwahlen, die am Sonntag in Griechenland stattfinden.

    Bremkamp: Stichwort Kommunalwahlen, Regionalwahlen dann eine Woche später. Rechnen Sie da mit Ausschreitungen oder ähnlichen Aktionen wie jetzt mit diesen Paketbomben?

    Höhler: Es gibt bisher keinen Hinweis darauf, dass diese Paketbomben im Zusammenhang mit den Wahlen am nächsten Sonntag stehen, aber es ist doch eine politische Polarisierung in Griechenland festzustellen und deswegen ist die Polizei auch in einer gewissen Unruhe. Es gibt Alarmbereitschaft, man muss also damit rechnen, dass vielleicht extreme Gruppen versuchen könnten, als Trittbrettfahrer dieser politischen Polarisierung ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Der griechische Ministerpräsident Papandreou wird sicherlich am Sonntagabend sehr genau die Wahlergebnisse studieren. Er muss damit rechnen, dass die Wähler natürlich versuchen werden, ihm einen Denkzettel für seine unpopuläre Sparpolitik am Sonntag zu verpassen.

    Bremkamp: Aber Sie würden schon die Einschätzung teilen, dass diese Paketbomben als Signal, als Protest gegen die Europäische Union und ihre Maßnahmen im Zusammenhang mit den Schulden von Griechenland zu verstehen sind?

    Höhler: Das kann man aus den Adressaten schließen, an die diese Pakete gingen. Es waren ja neben Angela Merkel auch der französische Präsident Nicolas Sarkozy auf der Liste der Empfänger, der Europäische Gerichtshof in Brüssel, die Europol-Zentrale war auf der Liste der Empfänger und die Botschaften Deutschlands und einiger anderer Länder in Athen. Das deutet darauf hin, dass es einen Zusammenhang geben könnte.

    Bremkamp: Gerd Höhler, langjähriger ARD-Korrespondent für Griechenland, live aus Athen. Herzlichen Dank!