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"Es ist immer gut, wenn man die Menschen überraschen kann"

Erst wollte er das Ministerium abschaffen, nun sitzt er ihm selbst vor: Der ehemalige FDP-Generalsekretär Dirk Niebel verteidigt das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) - und begründet dies damit, dass Auswärtiges Amt und BMZ dank FDP-Führung nun mit einer Sprache sprechen.

Dirk Niebel im Gespräch mit Gerwald Herter | 04.01.2010
    Gerwald Herter: Er wollte das Entwicklungshilfeministerium einst im Auswärtigen Amt aufgehen lassen. Der frühere FDP-Generalsekretär Dirk Niebel wurde dann aber ausgerechnet dort Minister, also im Entwicklungshilfeministerium. Eine echte Überraschung, die da am Ende der Koalitionsverhandlungen stand, und ein kleinerer Schock für so manchen Beamten in Niebels Ministerium. In dieser Woche reist der Minister nach Afrika. Ost-Kongo, Ruanda und Mosambik stehen auf dem Besuchsprogramm. Wir sind nun mit ihm verbunden. Guten Morgen, Herr Niebel.

    Dirk Niebel: Guten Morgen, Herr Herter.

    Herter: Um eines gleich am Anfang klarzustellen: bevor Sie ausgerechnet Entwicklungshilfeminister wurden, haben Sie sicher niemals verlangt, dieses Ministerium abzuschaffen. Ist das richtig?

    Niebel: Erstens bin ich Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, so heißt das Ressort, was ein Unterschied ist zu einem Weltsozialamt, wie manche dieses Haus in der Vergangenheit betrachtet haben. Zum anderen hat die FDP gewollt, das Ministerium in das Auswärtige Amt zu integrieren, weil in den vergangenen Jahren eine Neben-Außenpolitik betrieben wurde, und wir waren der Ansicht, dass es sinnvoll ist, wenn die deutsche Außenwahrnehmung in der Welt einheitlich und kohärent dargestellt werden kann. Das ist durch die Einheitlichkeit der Parteibesetzung der FDP im Auswärtigen Amt, im BMZ, aber auch im Wirtschaftsministerium und im Gesundheitsministerium jetzt auch möglich.

    Herter: Damit hat sich also alles geändert. Aber entscheidet über den Fortbestand eines Ministeriums jetzt also eine Partei- und Koalitionspolitik?

    Niebel: Nein! Wir haben im Koalitionsvertrag eine klare Aufgabenstellung für diese Legislaturperiode, die Strukturen der Durchführungsorganisation, aber auch die des Ministeriums so zu verändern, dass in Zukunft die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ein integraler Bestandteil der deutschen Außenpolitik ist, nicht in deren Auftrag, aber eingebettet in diese Politik agiert, und dass mit möglichst hoher Effizienz zielgenau das Geld der deutschen Steuerzahler für Entwicklungszusammenarbeit auch eingesetzt werden kann.

    Herter: Aber räumen Sie zumindest ein, dass der eine oder andere Beobachter, so wie ich, den Wechsel in Ihrer Einstellung diesem Ministerium gegenüber als eine dynamische Wende bewerten könnte?

    Niebel: Nun, es ist immer gut, wenn man die Menschen überraschen kann.

    Herter: Was wäre denn so falsch daran, dieses Ministerium abzuschaffen?

    Niebel: Wissen Sie, wenn wir eine einheitliche Darstellung der deutschen Außenpolitik hinkriegen - und das ist sehr wahrscheinlich jetzt mit der neuen Besetzung durch Herrn Dr. Westerwelle und mich in den beiden Häusern -, dann sind zwei Ressorts effizienter, weil das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung andere Möglichkeiten hat als die offizielle Diplomatie. Überall dort, wo der offizielle Diplomat des Auswärtigen Amtes an seine Grenzen stößt, weil bestimmte Gründe dagegen sprechen, in einem Land aktiv zu sein, überall dort können wir durch politische Stiftungen, Nichtregierungsorganisationen mit unseren finanziellen Mitteln immer noch etwas erreichen, was man in einem einheitlichen Ressort nicht kann. Das ist ein Vorteil, den wir durch zwei Häuser nutzen können. Der wirkt allerdings nur dann, wenn diese Häuser in die gleiche Richtung arbeiten.

    Herter: Arbeiten Ihre Mitarbeiter sozusagen "under cover" im Ausland? Das hört sich so ein bisschen nach Geheimdienst an.

    Niebel: Nein, überhaupt nicht. Aber wir haben zum Beispiel Globalhaushalte, die wir den Kirchen zur Verfügung stellen, oder aber auch den politischen Stiftungen, die dadurch in der Lage sind, in Ländern, in denen wir offiziell Schwierigkeiten haben, wie in Myanmar oder Nord-Korea, mit ihren jeweiligen entwicklungspolitischen Aufgaben doch einen Boden zu bereiten für eine Zeit nach der Diktatur.

    Herter: Gehen wir der Sache mal auf den Grund. Welchen Sinn hat Entwicklungshilfe denn überhaupt, wenn man wie Sie als guter Liberaler auf die Kräfte des Marktes setzt?

    Niebel: Ich spreche von Entwicklungszusammenarbeit, die hat im Idealfall das Ziel, sich selbst überflüssig zu machen, indem wir unsere Entwicklungspartner so weit befähigen, dass sie auf externe Hilfe nicht mehr angewiesen sind, sondern eigenständige, gleichgewichtige Partner im Zusammenleben mit anderen Staaten werden.

    Herter: Der Etat Ihres Ministeriums wird sich um 44 Millionen Euro erhöhen. Warum ist das nötig?

    Niebel: Er wird sich sogar um 67 Millionen erhöhen im Gegensatz zum Vorjahr, aber um 44 Millionen im Gegensatz zu dem Vorschlag des letzten SPD-Finanzministers. Das liegt daran, dass die Bundesrepublik erstens internationale Verpflichtungen eingegangen ist, und zum anderen liegt das daran, dass neue Aufgaben dazukommen wie zum Beispiel verstärktes Engagement beim Klimaschutz.

    Herter: Parteifreunde, ein Parteifreund zumindest, der hessische FDP-Vorsitzende Jörg-Uwe Hahn, sieht das anders als Sie. Er fordert, den Etat Ihres Ministeriums zu kürzen. Ist das eine einzelne unbedeutende Stimme in Ihrer Partei?

    Niebel: Ich kann darauf in zweierlei Hinsicht antworten: einmal formal, einmal inhaltlich. Formal ist der Koalitionsvertrag, der festschreibt, dass die Entwicklungsmittel bis zum Jahr 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens aufwachsen, einstimmig vom FDP-Bundesparteitag beschlossen worden. Ich ahne, der hessische FDP-Landesvorsitzende hat dort mitgestimmt. Inhaltlich haben wir im Jahre 2009 schon im Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ungefähr eine Milliarde Euro für Klimaschutzmaßnahmen vorgesehen gehabt. Wenn wir jetzt alle der Ansicht sind, dass wir dieses Engagement insbesondere auch für die Entwicklungsländer verstärken müssen, dann ist es natürlich sinnvoll, diese Verstärkung da durchzuführen, wo die notwendigen Instrumentarien schon vorhanden sind, und das ist in meinem Ministerium.

    Herter: Es gibt immerhin also unterschiedliche Stimmen in Ihrer Partei, trotz der Beschlüsse. Herr Niebel, sind Sie mit dem Erscheinungsbild der FDP gerade in Sachen Finanzpolitik dieser Tage zufrieden, Steuern runter, Finanzierung später?

    Niebel: Ausdrücklich, denn wir halten uns an die Agenda des Koalitionsvertrages. Sowohl in der Entwicklungszusammenarbeit, als auch in der Finanzpolitik sind wir ja so leicht durchschaubar. Wir haben einen Vertrag geschlossen, der einzuhalten ist, und da steht drin, dass wir nach dem ersten Schritt der Steuerentlastung, die zum 1. Januar diesen Jahres in Kraft getreten ist, weitere Schritte folgen lassen, insbesondere eine echte Steuerstrukturreform mit einem Stufentarif im Jahre 2011. Darauf haben wir uns geeinigt mit den Koalitionspartnern. Die mussten einige Sachen akzeptieren, die ihnen nicht gefallen haben; wir mussten Dinge akzeptieren, die uns nicht gefallen haben. Das ganze ist ein Gesamtkunstwerk und das kann man nicht wieder aufdröseln.

    Herter: Das aber unter Haushaltsvorbehalt steht?

    Niebel: Die Steuerstrukturreform steht nicht unter Haushaltsvorbehalt. Der Haushaltsvorbehalt gilt hier nur insofern, als dass das Jahr nicht fixiert worden ist und die Anzahl der Stufen des Stufentarifs nicht festgeschrieben worden sind. Alles andere ist vereinbart und wir halten uns an diese Vereinbarung und ich halte eine Menge davon, dass auch unsere Vertragspartner sich daran halten.

    Herter: Auf welchen neuen Feldern hat sich die FDP denn bisher profilieren können seit dem Antritt der Regierung?

    Niebel: Zum Beispiel in dem Politikfeld, für das ich Verantwortung trage, denn wir können deutlich machen, dass Entwicklungszusammenarbeit weit mehr ist als das Verteilen von Nothilfe, die natürlich nach Katastrophen zwingend notwendig ist, sondern dass es darum geht, Hilfe zur Selbsthilfe insofern zu leisten, als dass unsere Entwicklungspartner auch wirklich Partner werden können, um dadurch auch zusätzliche Chancen für die deutsche Wirtschaft zu eröffnen.

    Herter: Noch ganz kurz, Herr Niebel. Was erwarten Sie vom Dreikönigstreffen in dieser Woche?

    Niebel: Unser Dreikönigs-Parteitag wird wie immer der Auftakt des politischen Jahres sein. Er wird zeigen, dass die FDP mit neuem Schwung in dieses Jahr hineingeht und dass wir nach wie vor eine außerordentlich geschlossene Partei sind, und das ist das große Erfolgskonzept unserer letzten Jahre gewesen. Wir werden weiter erfolgreich bleiben.

    Herter: Der Minister für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit, Dirk Niebel (FDP), im Deutschlandfunk. Herr Niebel, danke für das Gespräch.

    Niebel: Gerne, Herr Herter.