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"Es ist sicherlich ernst gemeint"

Hans Joachim Schellnhuber, Klimaberater der Bundesregierung, betrachtet die Vorschläge der USA zum Klimaschutz als gute Ausgangsposition für weitere Verhandlungen. "Das Eis schmilzt jetzt auch in der Klimadiplomatie", sagte Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Wie Bundeskanzlerin Angel Merkel hält allerdings auch Schellnhuber eine Verständigung auf Ebene der Vereinten Nationen für entscheidend.

Moderation: Jochen Spengler | 04.06.2007
    Jochen Spengler: Am Telefon begrüße ich den Klimaberater der Bundesregierung und Leiter des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung. Einen schönen guten Morgen, Herr Professor Hans Joachim Schellnhuber!

    Hans Joachim Schellnhuber: Ja, guten Morgen.

    Spengler: Herr Professor Schellnhuber, US-Präsident Bush hat also diese Gegenoffensive eingeleitet. Er hat vorgeschlagen, dass sich die 15 schlimmsten Klimasünder bis zum kommenden Jahr auf Klimaziele einigen. Ist das ernst gemeint?

    Schellnhuber: Es ist sicherlich ernst gemeint, sonst wäre das nicht mit im Grunde genommen sehr großem Aufwand in Washington an die Öffentlichkeit gebracht worden. Ich denke, es ist ein wichtiger Schritt, allerdings ein Schritt schräg nach vorne, wenn man die Interpretation sorgfältig durchführt. Er geht noch nicht genau in die Richtung, wie ihn Deutschland, Europa, die Bundeskanzlerin gerne haben wollte, aber es ist eine gute Ausgangsposition, um endlich ein Klimaschutzpaket auf den Tisch zu legen, das dem Klima wirklich hilft.

    Spengler: Befürchten Sie denn nicht wie Bundesumweltminister Gabriel, dass das eigentlich nur dazu dient, Zeit zu gewinnen?

    Schellnhuber: Nein, das denke ich nicht. Die amerikanische Position war bis vor kurzem relativ verfestigt. Im Grunde genommen könnte die Regierung im Weißen Haus einfach auf stur schalten. Es gibt keine Möglichkeit, dass Europa hier die Blockade in irgendeiner Weise von sich aus aufbrechen würde. Es ist ganz sicherlich so, dass der innere Druck, aber auch der äußere Druck dazu geführt hat, dass man in den USA klar erkannt hat, man steht vor der Verantwortung für diesen Planeten, man ist der größte Klimasünder weltweit, man muss sich bewegen. Übrigens sehen Sie ähnliche Zeichen auch in anderen Ländern. Also das Eis schmilzt jetzt auch in der Klimadiplomatie. Australien hat gerade angekündigt, eine Emissionshandel durchführen zu wollen. Vielleicht sollte ich auch Folgendes noch sagen, weil oft über die Erfolgsaussichten und was kann Heiligendamm überhaupt bringen, spekuliert wird, gerade in den Medien: Man muss sehen, welche Messlatte aufliegt. Wenn selbst die konservative Regierung in Washington einen substanziellen Schritt nach vorne machen würde hier im Klimabereich, dann ist das eben mehr, als wenn zum Beispiel Al Gore jetzt gerade Präsident wäre. Also man sollte diese Sachen, die man erreicht hat, nicht kleinreden.

    Spengler: Die USA tun sich ja traditionell schwer damit, sich von der UN etwas sagen zu lassen. Nun betonen alle Europäer, dass die Klimaschutzpolitik gerade unter der Führung der Vereinten Nationen stehen müsse. Ich möchte Sie fragen: Nützt es denn nicht mehr, wenn die 15 schlimmsten Klimasünder, so wie Amerika das will, die Dinge in die Hand nehmen, statt das alles der UNO zu überlassen?

    Schellnhuber: Na ja, zwei Dinge: Zunächst einmal sind, wenn von 15 Staaten gesprochen wird, wahrscheinlich ist Australien und Südkorea noch gemeint, 13 dieser Länder sitzen ja schon am Tisch in Heiligendamm. Insofern, wenn die Initiative ernst gemeint wäre, ich denke, das ist sie, dann kann man in Heiligendamm ja schon die Probe aufs Exempel machen, man kann sich ja weitgehend schon verständigen auf einen Prozess. Aber warum legt gerade Deutschland so viel Wert auf den Prozess der Vereinten Nationen? Nun, wir spötteln ja gelegentlich über die alte Tante UNO und sind nicht so ganz sicher, ob da wirklich viel kraftvolle Politik gemacht wird. Aber wenn wir genau überlegen, wenn es wirklich um die großen Dinge geht wie Krieg und Frieden, Leben und Tod, Flüchtlinge, Hunger, Seuchenbekämpfung und dergleichen, dann finden alle wichtigen Prozesse wirklich im Rahmen der Vereinten Nationen statt. Und das Klimathema ist nun mal genau ein Thema, das in diese Kategorie gehört. Es ist viel zu wichtig, als dass man es außerhalb der Vereinten Nationen abhandeln könnte.

    Spengler: Also für Sie ist der Kyoto-Fahrplan erfolgreich bislang?

    Schellnhuber: Ach Kyoto, wissen Sie, alles fixiert sich auf Kyoto. Kyoto war ein relativ schwaches Abkommen mit vielen Fehlern, das dem Klima relativ wenig dienen würde, selbst wenn es komplett umgesetzt würde. Es war einfach nur ein kleines Warmlaufen für ein multilaterales, internationales Abkommen, das tatsächlich dem Klima dient. Was klar ist, und ich glaube, da verweigert sich niemand mehr, ist, dass wir nach 2012 ja ein kraftvolles Klimaschutzregime brauchen. Das ist in dieser Deutlichkeit eben von den amerikanischen Politikern angesprochen worden. Übrigens, was ganz untergegangen ist, zum ersten Mal hat Präsident Bush in den Mund genommen das Wort "wir brauchen ein globales Ziel, eine globale Orientierung, langfristig", ein Wort, das quasi fast wie eine obszöne Vokabel vorher in der Bush-Administration behandelt worden ist. Also da ist tatsächlich Bewegung.

    Spengler: Herr Professor Schellnhuber, globales Ziel: Wie wichtig ist denn, dass dieses Ziel maximal plus zwei Grad bis zum Jahr 2050 in den Dokumenten in Heiligendamm auftaucht?

    Schellnhuber: Zunächst mal bin ich froh, dass Sie es noch mal ansprechen, weil ich muss korrigieren: Das Ziel, das europäische Klimaschutzziel, ist die globale Erwärmung generell auf zwei Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau, also seit 1750, seit Beginn der industriellen Revolution zu begrenzen. Bis 2050 um zwei Grad zu begrenzen, das wäre relativ einfach. Das heißt, für immer gewissermaßen, wir wollen auf keinen Fall diese Linie überschreiten. Und das ist deswegen wichtig, weil es die Summe der wissenschaftlichen Einsichten einfach widerspiegelt. Wenn wir jenseits dieses Bereichs operieren, dann in einem Gelände, wo wir schwere, unbeherrschbare und negative Auswirkungen auf Natur und Gesellschaft nicht mehr ausschließen können.

    Nun, wenn das in dem Schlussdokument stehen würde als eine Einigung der G8-Länder, dann wäre das fast zu schön, um wahr zu sein. Das würde nämlich bedeuten, dass wir in der Tat genau den Rahmen für die internationale Klimapolitik hätten, den die Wissenschaft einfordert. So schnell gehen politische Prozesse in der Regel nicht, aber es lohnt sich, für dieses Ziel zu kämpfen. Im Übrigen, eine Reduktion der Emissionen global um 50 Prozent bis 2050 würde in etwa dem selben Ziel entsprechen, und da ist es möglich, dass wir in der Formulierung wirklich ein Stück weiterkommen?

    Spengler: Was, wenn es nicht auftaucht im Dokument?

    Schellnhuber: Dann müsste zumindest eine Formulierung entstehen, wiederum hypothetische Fragen, ich glaube, Tony Blair hat ja gestern auch gesagt, er hat gelernt, dass Premierminister nie auf hypothetische Fragen antworten in dem Sinn, aber ich tue es jetzt dennoch.

    Spengler: Sie sind ja auch nicht der britische Premierminister.

    Schellnhuber: Ganz genau. Was in Heiligendamm auf keinen Fall passieren darf, dass gewisse rote Linien überschritten werden in diesem Sinne, es darf keine Blockade geben im Schlussdokument, die ausschließt, dass eben dieses extrem wichtige, alles überragende Ziel - Begrenzung der globalen Erwärmung -, dass das in irgendeiner Weise kompromittiert wird. Möglicherweise müssen wir eben noch eine Warteschleife drehen, vielleicht muss man noch ein, zwei Jahre abwarten, aber dann wird dieses Ziel erscheinen in der internationalen Gemeinschaft.

    Spengler: Professor Hans Joachim Schellnhuber, wir müssen zum Ende kommen. Ich danke Ihnen herzlich. Das war ein Gespräch mit Professor Schellnhuber, dem Leiter des Instituts für Klimaforschung.