Christian Schütte: Keine repräsentative Umfrage, aber sie zeigt, die Menschen wünschen Aufklärung und Gerechtigkeit. Und es sind einige Fragezeichen geblieben im Parteispendenskandal, nicht nur was die Rolle Schreibers betrifft, obwohl es damals einen Untersuchungsausschuss gegeben hat. Und an diesem Untersuchungsausschuss als Sachverständiger beteiligt war der Parteienrechtler Martin Morlok vom Institut für Parteienrecht an der Uni Düsseldorf. Schönen guten Morgen, Herr Morlok!
Martin Morlok: Guten Morgen, Herr Schütte!
Schütte: Wir haben es gehört, die Menschen auf der Straße wollen, dass Licht in die noch dunklen Ecken kommt. Welchen Eindruck haben Sie, will die Politik das auch?
Morlok: Ja, die Politik, da benützen Sie natürlich einen Gesamtbegriff, tatsächlich ist das natürlich von Partei zu Partei unterschieden. Diejenigen, die damals betroffen waren, also die CDU und die CSU, die werden keinen gesteigerten Wert darauf legen, dass man an diese alten Leichen im Keller erinnert wird, mögliche Koalitionspartner auch weniger, wohingegen die politisch andere Seite natürlich eher mit Begeisterung ein neues Wahlkampfthema versuchen wird zu installieren.
Schütte: Kann denn Schreibers Rückkehr der CDU tatsächlich noch einmal schaden?
Morlok: Es hängt natürlich ganz stark davon ab, ob Herr Schreiber etwas sagen wird und was er sagen wird, beziehungsweise ob er Politiker der CDU belasten wird. Wenn es um Helmut Kohl geht, das ist wohl in der Tat Vergangenheit, wenn es aber um aktuelle Politiker geht, dann könnte das durchaus noch eine spannende Sache werden.
Schütte: Zum Beispiel Wolfgang Schäuble.
Morlok: In der Tat, ja.
Schütte: Jetzt ist Schreiber in Deutschland. Was ist Ihr Eindruck, hat man die Schlüsselfigur, um seit jeher unbeantwortete Fragen jetzt aufzuklären?
Morlok: Tja, die Frage ist natürlich deswegen schwer zu beantworten, weil es ja offensichtlich da ein Netzwerk gab von Zusammenhängen, das wir nur zum Teil durchschauen. Wir haben Schreiber, der Prozess gegen Pfahls ist schon zu Ende gekommen, da haben wir sicher ein Stück dieses Netzwerks in der Hand. Ob's noch andere Unbekannte gab, das kann ich natürlich nicht sagen. Aber interessant könnte schon sein, ob das, was Pfahls sagte, was das Gericht auch akzeptiert hat, übereinstimmt mit dem, was Schreiber gegebenenfalls aussagen wird.
Schütte: Herr Morlok, inwiefern könnte die SPD Kapital schlagen aus Schreibers Rückkehr?
Morlok: Nun, das war ja seinerzeit eine Sache, die die CDU und die CSU schwer belastet hat, und wenn nun diese alten Affären wieder in die Öffentlichkeit gebracht werden, wenn daran wieder erinnert wird, so ist das tendenziell natürlich für die SPD eher günstig, unabhängig jetzt von aktuellen Personen, also wie Innenminister Schäuble. Wenn es personalisiert werden kann, wird das natürlich umso interessanter sein. Ich meine, das ist jetzt keine Auseinandersetzung um eine politische Zukunftsgestaltung, die politische Zielsetzung, aber zur Politik gehört ja auch die notwendige Glaubwürdigkeit. In der Demokratie ermächtigen wir ja andere, über uns zu herrschen. Und das tun wir ja nur dann, wenn wir den anderen vertrauen, wenn wir sie für glaubwürdig halten, auch wenn wir sie für ehrlich halten.
Schütte: Warum reagiert denn der SPD-Chef Müntefering, was ist Ihre Meinung dazu, so zurückhaltend zunächst?
Morlok: Das kann ich da jetzt nicht sagen, vielleicht einfach auch deswegen, weil er vorsichtig ist, nicht zuerst ins große Horn stoßen will und hinterher kommt nichts mehr nach. Das ist ja dann auch immer sehr peinlich. Also ich glaube schon, dass von Seiten der SPD sehr genau beobachtet werden wird, was da jetzt geschieht, um dann gegebenenfalls auf die Pauke zu schlagen. Aber es ist wohl ganz klug, jetzt nicht im Vorhinein große Ankündigungen zu machen, die man dann nicht halten kann.
Schütte: Wie das damals war, als zum Beispiel Herr Schreiber auf Schweizer Parkplätzen Geldkoffer verteilt haben soll, das können Sie uns vermutlich auch nicht beantworten, Herr Morlok, aber was wir Ihr Eindruck damals, nach eineinhalb Jahren Untersuchungsausschuss, geprägt von parteipolitischen Auseinandersetzungen - waren Sie am Ende schlauer?
Morlok: Man wusste in der Tat einiges mehr, und vor allen Dingen hatte man eine solide Informationsbasis. Es ist ja ein gängiger Vorwurf gegen Untersuchungsausschüsse, sie würden doch nur das herausbringen, was man vorher in der Presse schon lesen konnte. Das stimmt erstens nicht ganz, und zum Zweiten - bei aller Wertschätzung für den "Spiegel" und andere Organe -, wenn ein Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages etwas feststellt, dann hat es eine andere Qualität, dann ist das sozusagen auch für die Geschichtsbücher festgehalten.
Schütte: Sie wurden damals als Gutachter einbestellt, um die Parteienfinanzierung mit auf den Prüfstand zu stellen. Nun war ja in der Öffentlichkeit die moralische Empörung groß, wenn man auf den entsprechenden Paragrafen im damaligen Parteiengesetz schaut. Inwieweit haben Schreiber, Kiep, Kohl und Co. tatsächlich eindeutig verwerflich gehandelt im juristischen Sinne?
Morlok: Also Sie haben zu Recht angefügt, im juristischen Sinn. Das Parteiengesetz schreibt vor, dass man Spenden, wenn sie eine bestimmte Größenordnung - damals 20.000 Mark, heute 10.000 Euro - überschreiten, veröffentlichen muss. Das ist nicht nur eine Regel des Parteiengesetzes, sondern das steht sogar im Grundgesetz, dass Parteien über ihre Einkünfte, über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben müssen. Der Hintergrund ist völlig klar: Man kann sich mit Geld Einfluss erkaufen. Und in der Demokratie soll eben der Einfluss nicht aus dem Geldbeutel kommen, sondern aus der Wahlurne. Und insofern ist eine Parteispende größeren Umfanges, die nicht publik gemacht wurde, schon ein demokratisch sehr problematischer Vorgang.
Schütte: Hatte denn der Untersuchungsausschuss damals das Recht, Einblick in die Spenden zu nehmen?
Morlok: Ja, das war auch eine gewisse Rechtsfrage damals: Darf man Parteien durch einen staatlichen Untersuchungsausschuss überprüfen? Untersuchungsausschüsse sollen ja Dinge im staatlichen Bereich aufklären und nicht, ob der Morlok seine Frau schlägt. Das geht die Öffentlichkeit nichts an, gegebenenfalls den Staatsanwalt. Nein, weil es eben so demokratieerheblich ist, woher Parteien Geld bekommen haben, wenn massiv Rechtsvorschriften verletzt werden, darf ein Untersuchungsausschuss auch die Parteifinanzen überprüfen. Das ist mittlerweile eigentlich ausgestanden.
Schütte: Nun ist im Anschluss das Parteiengesetz geändert worden. Was ist für Sie der wichtigste Punkt, den der Untersuchungsausschuss und die ganze Debatte letztendlich für die Parteienfinanzierung gebracht hat?
Morlok: Also das Wichtigste ist, dass mittlerweile das Verschleiern von Spenden strafbar geworden ist. Die inhaltlichen Klarstellungen sind gar nicht so entscheidend, aber mittlerweile darf der Staatsanwalt untersuchen. Und das bedeutet eben, dass man Durchsuchungen machen kann, dass man Leute vereidigen kann. Das ist das Wichtigste. Das Zweite, was damit zusammenhängt, ist, dass man gesagt hat, das ist ein ernst zu nehmender Straftatbestand, das ist nicht eine Lappalie. Die Betroffenen haben sich ja meistens damit herausgeredet, sie hätten sich nicht persönlich bereichert. Das ist gar nicht der Vorwurf, sondern es ist, dass man Einflusskanäle vor der demokratischen Öffentlichkeit versteckt hat. Und die strafrechtliche Ahndung macht sozusagen symbolisch klar, das ist eine wichtige Regel, die muss man auf alle Fälle einhalten.
Schütte: Martin Morlok vom Institut für Parteienrecht an der Uni Düsseldorf, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Martin Morlok: Guten Morgen, Herr Schütte!
Schütte: Wir haben es gehört, die Menschen auf der Straße wollen, dass Licht in die noch dunklen Ecken kommt. Welchen Eindruck haben Sie, will die Politik das auch?
Morlok: Ja, die Politik, da benützen Sie natürlich einen Gesamtbegriff, tatsächlich ist das natürlich von Partei zu Partei unterschieden. Diejenigen, die damals betroffen waren, also die CDU und die CSU, die werden keinen gesteigerten Wert darauf legen, dass man an diese alten Leichen im Keller erinnert wird, mögliche Koalitionspartner auch weniger, wohingegen die politisch andere Seite natürlich eher mit Begeisterung ein neues Wahlkampfthema versuchen wird zu installieren.
Schütte: Kann denn Schreibers Rückkehr der CDU tatsächlich noch einmal schaden?
Morlok: Es hängt natürlich ganz stark davon ab, ob Herr Schreiber etwas sagen wird und was er sagen wird, beziehungsweise ob er Politiker der CDU belasten wird. Wenn es um Helmut Kohl geht, das ist wohl in der Tat Vergangenheit, wenn es aber um aktuelle Politiker geht, dann könnte das durchaus noch eine spannende Sache werden.
Schütte: Zum Beispiel Wolfgang Schäuble.
Morlok: In der Tat, ja.
Schütte: Jetzt ist Schreiber in Deutschland. Was ist Ihr Eindruck, hat man die Schlüsselfigur, um seit jeher unbeantwortete Fragen jetzt aufzuklären?
Morlok: Tja, die Frage ist natürlich deswegen schwer zu beantworten, weil es ja offensichtlich da ein Netzwerk gab von Zusammenhängen, das wir nur zum Teil durchschauen. Wir haben Schreiber, der Prozess gegen Pfahls ist schon zu Ende gekommen, da haben wir sicher ein Stück dieses Netzwerks in der Hand. Ob's noch andere Unbekannte gab, das kann ich natürlich nicht sagen. Aber interessant könnte schon sein, ob das, was Pfahls sagte, was das Gericht auch akzeptiert hat, übereinstimmt mit dem, was Schreiber gegebenenfalls aussagen wird.
Schütte: Herr Morlok, inwiefern könnte die SPD Kapital schlagen aus Schreibers Rückkehr?
Morlok: Nun, das war ja seinerzeit eine Sache, die die CDU und die CSU schwer belastet hat, und wenn nun diese alten Affären wieder in die Öffentlichkeit gebracht werden, wenn daran wieder erinnert wird, so ist das tendenziell natürlich für die SPD eher günstig, unabhängig jetzt von aktuellen Personen, also wie Innenminister Schäuble. Wenn es personalisiert werden kann, wird das natürlich umso interessanter sein. Ich meine, das ist jetzt keine Auseinandersetzung um eine politische Zukunftsgestaltung, die politische Zielsetzung, aber zur Politik gehört ja auch die notwendige Glaubwürdigkeit. In der Demokratie ermächtigen wir ja andere, über uns zu herrschen. Und das tun wir ja nur dann, wenn wir den anderen vertrauen, wenn wir sie für glaubwürdig halten, auch wenn wir sie für ehrlich halten.
Schütte: Warum reagiert denn der SPD-Chef Müntefering, was ist Ihre Meinung dazu, so zurückhaltend zunächst?
Morlok: Das kann ich da jetzt nicht sagen, vielleicht einfach auch deswegen, weil er vorsichtig ist, nicht zuerst ins große Horn stoßen will und hinterher kommt nichts mehr nach. Das ist ja dann auch immer sehr peinlich. Also ich glaube schon, dass von Seiten der SPD sehr genau beobachtet werden wird, was da jetzt geschieht, um dann gegebenenfalls auf die Pauke zu schlagen. Aber es ist wohl ganz klug, jetzt nicht im Vorhinein große Ankündigungen zu machen, die man dann nicht halten kann.
Schütte: Wie das damals war, als zum Beispiel Herr Schreiber auf Schweizer Parkplätzen Geldkoffer verteilt haben soll, das können Sie uns vermutlich auch nicht beantworten, Herr Morlok, aber was wir Ihr Eindruck damals, nach eineinhalb Jahren Untersuchungsausschuss, geprägt von parteipolitischen Auseinandersetzungen - waren Sie am Ende schlauer?
Morlok: Man wusste in der Tat einiges mehr, und vor allen Dingen hatte man eine solide Informationsbasis. Es ist ja ein gängiger Vorwurf gegen Untersuchungsausschüsse, sie würden doch nur das herausbringen, was man vorher in der Presse schon lesen konnte. Das stimmt erstens nicht ganz, und zum Zweiten - bei aller Wertschätzung für den "Spiegel" und andere Organe -, wenn ein Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages etwas feststellt, dann hat es eine andere Qualität, dann ist das sozusagen auch für die Geschichtsbücher festgehalten.
Schütte: Sie wurden damals als Gutachter einbestellt, um die Parteienfinanzierung mit auf den Prüfstand zu stellen. Nun war ja in der Öffentlichkeit die moralische Empörung groß, wenn man auf den entsprechenden Paragrafen im damaligen Parteiengesetz schaut. Inwieweit haben Schreiber, Kiep, Kohl und Co. tatsächlich eindeutig verwerflich gehandelt im juristischen Sinne?
Morlok: Also Sie haben zu Recht angefügt, im juristischen Sinn. Das Parteiengesetz schreibt vor, dass man Spenden, wenn sie eine bestimmte Größenordnung - damals 20.000 Mark, heute 10.000 Euro - überschreiten, veröffentlichen muss. Das ist nicht nur eine Regel des Parteiengesetzes, sondern das steht sogar im Grundgesetz, dass Parteien über ihre Einkünfte, über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben müssen. Der Hintergrund ist völlig klar: Man kann sich mit Geld Einfluss erkaufen. Und in der Demokratie soll eben der Einfluss nicht aus dem Geldbeutel kommen, sondern aus der Wahlurne. Und insofern ist eine Parteispende größeren Umfanges, die nicht publik gemacht wurde, schon ein demokratisch sehr problematischer Vorgang.
Schütte: Hatte denn der Untersuchungsausschuss damals das Recht, Einblick in die Spenden zu nehmen?
Morlok: Ja, das war auch eine gewisse Rechtsfrage damals: Darf man Parteien durch einen staatlichen Untersuchungsausschuss überprüfen? Untersuchungsausschüsse sollen ja Dinge im staatlichen Bereich aufklären und nicht, ob der Morlok seine Frau schlägt. Das geht die Öffentlichkeit nichts an, gegebenenfalls den Staatsanwalt. Nein, weil es eben so demokratieerheblich ist, woher Parteien Geld bekommen haben, wenn massiv Rechtsvorschriften verletzt werden, darf ein Untersuchungsausschuss auch die Parteifinanzen überprüfen. Das ist mittlerweile eigentlich ausgestanden.
Schütte: Nun ist im Anschluss das Parteiengesetz geändert worden. Was ist für Sie der wichtigste Punkt, den der Untersuchungsausschuss und die ganze Debatte letztendlich für die Parteienfinanzierung gebracht hat?
Morlok: Also das Wichtigste ist, dass mittlerweile das Verschleiern von Spenden strafbar geworden ist. Die inhaltlichen Klarstellungen sind gar nicht so entscheidend, aber mittlerweile darf der Staatsanwalt untersuchen. Und das bedeutet eben, dass man Durchsuchungen machen kann, dass man Leute vereidigen kann. Das ist das Wichtigste. Das Zweite, was damit zusammenhängt, ist, dass man gesagt hat, das ist ein ernst zu nehmender Straftatbestand, das ist nicht eine Lappalie. Die Betroffenen haben sich ja meistens damit herausgeredet, sie hätten sich nicht persönlich bereichert. Das ist gar nicht der Vorwurf, sondern es ist, dass man Einflusskanäle vor der demokratischen Öffentlichkeit versteckt hat. Und die strafrechtliche Ahndung macht sozusagen symbolisch klar, das ist eine wichtige Regel, die muss man auf alle Fälle einhalten.
Schütte: Martin Morlok vom Institut für Parteienrecht an der Uni Düsseldorf, ich danke Ihnen für das Gespräch!
