Friedbert Meurer: In München jagt in diesen Tagen eine Krisensitzung die nächste. Die bayerische Landesbank braucht 6,4 Milliarden Euro frisches Kapital. Das meiste wird aus dem Rettungspaket des Bundes kommen. Aber ist das schon das letzte Wort? Denn Bayern droht Ungemach. Wie wird die Schlussrechnung aussehen? Kommt da noch mehr an Verlusten durch die BayernLB? - Heute Nachmittag kommt der Landtag also zu einer Sondersitzung zusammen und in München begrüße ich am Telefon Sepp Daxenberger. Er ist Fraktionschef der Grünen im bayerischen Landtag. Guten Morgen, Herr Daxenberger.
Sepp Daxenberger: Guten Morgen!
Meurer: Wie düster ist die Lage in Bayern?
Daxenberger: Ja. Die Stimmung ist natürlich katastrophal. Das ist klar. Es sind dramatische Zahlen. Wir haben den Zahlen und den Beschwichtigungen, die letztendlich Erwin Huber schon seit einem Jahr immer wieder im Landtag gemacht hat, dass alles nicht so schlimm ist und dass alles noch in Butter ist, nie geglaubt. Aber dass es so dramatisch kommt, das hätten wir nicht gedacht. Dass jetzt natürlich die Landesbank mit 6,4 Milliarden Euro in der Kreide steht, das sprengt alle Befürchtungen.
Meurer: Ist jetzt dank Horst Seehofer Schluss mit den Beschwichtigungen?
Daxenberger: Da bin ich mir nicht sicher. Horst Seehofer wird jetzt ja wohl der neue "Master of Desaster", indem er Ministerpräsident wird. Vor einem Jahr hat ihn die CSU noch nicht haben wollen. Da hat man (vor allen Dingen die Landtagsfraktion) massiv gegen Seehofer geschossen. Jetzt soll er der neue Heilsbringer sein. Ich erwarte mir ehrlich gesagt auch hier von Horst Seehofer nicht wirklich Neues.
Meurer: Warum nicht?
Daxenberger: Horst Seehofer ist bekannt als einer, der im Prinzip eine Fähnchenpolitik macht. Er hat immer seine politischen Meinungen und Positionen geändert, wie es gerade notwendig war. Also von einem Neuanfang kann hier nicht gesprochen werden.
Meurer: Immerhin haut er mit der Faust jetzt auf den Tisch und legt den Managern bei der BayernLB den Rücktritt nahe.
Daxenberger: Weil es nicht anders geht. Es ist ganz klar: Horst Seehofer ist politisch so klug, dass er weiß, wenn er jetzt neu anfängt, dass alle Karten auf den Tisch müssen. Das ist ja wohl klar, denn sonst fällt ihm das später auf die Füße. So kann er sozusagen noch von der Gnade sprechen, nicht dabei gewesen zu sein. Auch die FDP in den Koalitionsverhandlungen will natürlich Klarheit. Ich hoffe zumindest, dass wir sie heute Nachmittag im Landtag bekommen.
Meurer: Erwin Huber, Herr Daxenberger, ist als Finanzminister zurückgetreten. Welche Köpfe müssen noch rollen?
Daxenberger: Ich denke mal, das ist jetzt keine Frage der Köpfe. Ich weiß auch nicht, wie jeweils die Verantwortlichen bei den Landesbanken sind. Klar ist aber, dass alle, die in dem Aufsichtsrat gesessen sind, wissen haben müssen, was für Geschäftsgebaren die Landesbank machte, dass die Landesbank in Hochrisikogeschäfte eingestiegen ist, und dass alle wissen mussten (ob das nun Beckstein war, ob das Faltlhauser war, ob das Huber war), dass tatsächlich die Landesbank andere Aufgaben hat, nämlich dafür zu sorgen, dass die Wirtschaft in Bayern funktioniert, dass die Wirtschaft in Bayern klappt, und nicht, dass man faule Immobilien in Amerika kauft.
Meurer: Nun hängen ja viele Landesbanken sozusagen halb am Abgrund. Was unterscheidet denn da die BayernLB überhaupt von anderen Landesbanken?
Daxenberger: Hier kann man möglicherweise sagen, dass das, was die CSU ja immer als Werbeslogan ausgibt, "Bayern ist vorne", leider auch hier im negativen Sinne gilt. Die Landesbank ist wohl offensichtlich am brutalsten, am intensivsten in die ganzen Risikogeschäfte eingestiegen, so dass wir tatsächlich in Bayern ausgerechnet auch noch das erste Land sind, was diesen Schutzschirm, den die Bundesregierung aufgestellt hat, kriegen muss, obwohl Erwin Huber letzte Woche noch dagegen war, dass Bayern hier mitzahlt.
Meurer: Herr Daxenberger, es wird ja auf Ihren Wunsch, den Wunsch der Grünen hin eine parlamentarische Kontrollkommission für die BayernLB geschaffen. Wie soll diese Kommission arbeiten und beschaffen sein?
Daxenberger: Es ist so, dass wir der Meinung waren, dass es etwas Ähnliches gibt, was auf Bundesebene auch geschaffen wird. Ob das nun eine Kommission ist, ob das nun ein Unterausschuss des Haushaltsausschusses ist, ist uns sozusagen egal. Wichtig ist, dass wir, dass der Landtag, dass das Plenum kurzfristig immer auch zeitnah informiert wird, wie jetzt diese ganzen finanziellen Abwicklungen ausschauen, denn das, was bei der Landesbank geschieht, wirkt sich ja auch direkt aus auf den Haushalt des Freistaats Bayern.
Meurer: Warum soll eine Kontrollkommission effektiver sein als der Verwaltungsrat der BayernLB?
Daxenberger: Weil im Verwaltungsrat nur die Regierung sitzt, in Kontrollorganisationen aber die gesamten Parteien.
Meurer: Wie verhalten sich jetzt die Grünen? Am Montag sollte eigentlich Horst Seehofer gewählt werden. Welches Szenario schwebt Ihnen für Montag vor?
Daxenberger: Wir gehen davon aus, dass Horst Seehofer auch gewählt wird. Wir gehen davon aus, dass die FDP unbedingt in die Regierungsverantwortung will. Wenn am Montag nicht gewählt wird, bringt das auch verfassungsmäßige Probleme, denn die bayerische Verfassung lässt nur einen kurzen Zeitraum nach der Wahl, auch den Ministerpräsidenten zu wählen. Es ist klar, dass für uns Horst Seehofer kein Neuanfang ist. Horst Seehofer gehört sozusagen zur alten Garde der CSU. Deswegen wird Horst Seehofer von den Grünen sicherlich nicht mitgewählt.
Meurer: Haben Sie schon mal überlegt, ob man vielleicht mit der FDP und den anderen Fraktionen zusammen doch ein Vierer-Bündnis hinbekommt?
Daxenberger: Wir haben das immer wieder versucht. Wir haben immer wieder versucht, nach den Landtagswahlen Gespräche zu führen. Wir haben mit der SPD, mit den freien Wählern gesprochen, aber die FDP hat sich den Gesprächen verweigert.
Meurer: Gibt es für Sie eine Chance, auf Neuwahlen hinzuarbeiten?
Daxenberger: Nein. Ich denke, das ist nicht realistisch. Es gibt einen klaren Wählerauftrag und Neuwahlen machen das Desaster bei der Landesbank nicht besser.
Meurer: Horst Seehofer selbst befürchtet, dass bis zu fünf Milliarden Euro Kosten auf den Freistaat zukommen können. Nach 2010 wird ja auch dann abgerechnet. Dann greift das Rettungspaket des Bundes nicht mehr. Was wird das den bayerischen Bürgerinnen und Bürgern an Opfern abverlangen?
Daxenberger: Das ist jetzt momentan noch gar nicht abzusehen. Man stelle sich vor, es sind jetzt ja schon 700 Millionen, die sicher gezahlt werden müssen, und wir rechnen ebenfalls, dass mindestens noch mal drei Milliarden auf uns zukommen werden. Das heißt, dass wir jetzt eigentlich schon jedes Jahr eine Milliarde auf die Seite legen müssten und eine Rücklage bilden müssten, wenn denn dann die Gelder zurückgefordert werden. Das heißt im Prinzip, dass im Freistaat Bayern all das, was im Wahlkampf versprochen wurde, was gemacht werden muss (mehr Lehrer, auch mehr Polizisten, mehr Investitionen in Klimaschutz), entweder mit enormen neuen Schulden gemacht werden muss oder gar nicht stattfinden kann.
Meurer: Für welche Alternative würden Sie sich entscheiden?
Daxenberger: Da muss man von Fall zu Fall unterscheiden. Aber ich denke, man müsste gerade im Bildungsbereich zur Not auch neue Schulden machen, denn wir können jetzt die Kinder nicht dafür in Haftung nehmen, dass einige Bänker nicht funktioniert haben und dass der Aufsichtsrat der CSU nicht geklappt hat.
Meurer: Sepp Daxenberger, der Vorsitzende der Fraktion der Grünen im bayerischen Landtag, heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Schönen Dank, Herr Daxenberger, und auf Wiederhören nach München.
Daxenberger: Auf Wiederhören! Ich bedanke mich.
Sepp Daxenberger: Guten Morgen!
Meurer: Wie düster ist die Lage in Bayern?
Daxenberger: Ja. Die Stimmung ist natürlich katastrophal. Das ist klar. Es sind dramatische Zahlen. Wir haben den Zahlen und den Beschwichtigungen, die letztendlich Erwin Huber schon seit einem Jahr immer wieder im Landtag gemacht hat, dass alles nicht so schlimm ist und dass alles noch in Butter ist, nie geglaubt. Aber dass es so dramatisch kommt, das hätten wir nicht gedacht. Dass jetzt natürlich die Landesbank mit 6,4 Milliarden Euro in der Kreide steht, das sprengt alle Befürchtungen.
Meurer: Ist jetzt dank Horst Seehofer Schluss mit den Beschwichtigungen?
Daxenberger: Da bin ich mir nicht sicher. Horst Seehofer wird jetzt ja wohl der neue "Master of Desaster", indem er Ministerpräsident wird. Vor einem Jahr hat ihn die CSU noch nicht haben wollen. Da hat man (vor allen Dingen die Landtagsfraktion) massiv gegen Seehofer geschossen. Jetzt soll er der neue Heilsbringer sein. Ich erwarte mir ehrlich gesagt auch hier von Horst Seehofer nicht wirklich Neues.
Meurer: Warum nicht?
Daxenberger: Horst Seehofer ist bekannt als einer, der im Prinzip eine Fähnchenpolitik macht. Er hat immer seine politischen Meinungen und Positionen geändert, wie es gerade notwendig war. Also von einem Neuanfang kann hier nicht gesprochen werden.
Meurer: Immerhin haut er mit der Faust jetzt auf den Tisch und legt den Managern bei der BayernLB den Rücktritt nahe.
Daxenberger: Weil es nicht anders geht. Es ist ganz klar: Horst Seehofer ist politisch so klug, dass er weiß, wenn er jetzt neu anfängt, dass alle Karten auf den Tisch müssen. Das ist ja wohl klar, denn sonst fällt ihm das später auf die Füße. So kann er sozusagen noch von der Gnade sprechen, nicht dabei gewesen zu sein. Auch die FDP in den Koalitionsverhandlungen will natürlich Klarheit. Ich hoffe zumindest, dass wir sie heute Nachmittag im Landtag bekommen.
Meurer: Erwin Huber, Herr Daxenberger, ist als Finanzminister zurückgetreten. Welche Köpfe müssen noch rollen?
Daxenberger: Ich denke mal, das ist jetzt keine Frage der Köpfe. Ich weiß auch nicht, wie jeweils die Verantwortlichen bei den Landesbanken sind. Klar ist aber, dass alle, die in dem Aufsichtsrat gesessen sind, wissen haben müssen, was für Geschäftsgebaren die Landesbank machte, dass die Landesbank in Hochrisikogeschäfte eingestiegen ist, und dass alle wissen mussten (ob das nun Beckstein war, ob das Faltlhauser war, ob das Huber war), dass tatsächlich die Landesbank andere Aufgaben hat, nämlich dafür zu sorgen, dass die Wirtschaft in Bayern funktioniert, dass die Wirtschaft in Bayern klappt, und nicht, dass man faule Immobilien in Amerika kauft.
Meurer: Nun hängen ja viele Landesbanken sozusagen halb am Abgrund. Was unterscheidet denn da die BayernLB überhaupt von anderen Landesbanken?
Daxenberger: Hier kann man möglicherweise sagen, dass das, was die CSU ja immer als Werbeslogan ausgibt, "Bayern ist vorne", leider auch hier im negativen Sinne gilt. Die Landesbank ist wohl offensichtlich am brutalsten, am intensivsten in die ganzen Risikogeschäfte eingestiegen, so dass wir tatsächlich in Bayern ausgerechnet auch noch das erste Land sind, was diesen Schutzschirm, den die Bundesregierung aufgestellt hat, kriegen muss, obwohl Erwin Huber letzte Woche noch dagegen war, dass Bayern hier mitzahlt.
Meurer: Herr Daxenberger, es wird ja auf Ihren Wunsch, den Wunsch der Grünen hin eine parlamentarische Kontrollkommission für die BayernLB geschaffen. Wie soll diese Kommission arbeiten und beschaffen sein?
Daxenberger: Es ist so, dass wir der Meinung waren, dass es etwas Ähnliches gibt, was auf Bundesebene auch geschaffen wird. Ob das nun eine Kommission ist, ob das nun ein Unterausschuss des Haushaltsausschusses ist, ist uns sozusagen egal. Wichtig ist, dass wir, dass der Landtag, dass das Plenum kurzfristig immer auch zeitnah informiert wird, wie jetzt diese ganzen finanziellen Abwicklungen ausschauen, denn das, was bei der Landesbank geschieht, wirkt sich ja auch direkt aus auf den Haushalt des Freistaats Bayern.
Meurer: Warum soll eine Kontrollkommission effektiver sein als der Verwaltungsrat der BayernLB?
Daxenberger: Weil im Verwaltungsrat nur die Regierung sitzt, in Kontrollorganisationen aber die gesamten Parteien.
Meurer: Wie verhalten sich jetzt die Grünen? Am Montag sollte eigentlich Horst Seehofer gewählt werden. Welches Szenario schwebt Ihnen für Montag vor?
Daxenberger: Wir gehen davon aus, dass Horst Seehofer auch gewählt wird. Wir gehen davon aus, dass die FDP unbedingt in die Regierungsverantwortung will. Wenn am Montag nicht gewählt wird, bringt das auch verfassungsmäßige Probleme, denn die bayerische Verfassung lässt nur einen kurzen Zeitraum nach der Wahl, auch den Ministerpräsidenten zu wählen. Es ist klar, dass für uns Horst Seehofer kein Neuanfang ist. Horst Seehofer gehört sozusagen zur alten Garde der CSU. Deswegen wird Horst Seehofer von den Grünen sicherlich nicht mitgewählt.
Meurer: Haben Sie schon mal überlegt, ob man vielleicht mit der FDP und den anderen Fraktionen zusammen doch ein Vierer-Bündnis hinbekommt?
Daxenberger: Wir haben das immer wieder versucht. Wir haben immer wieder versucht, nach den Landtagswahlen Gespräche zu führen. Wir haben mit der SPD, mit den freien Wählern gesprochen, aber die FDP hat sich den Gesprächen verweigert.
Meurer: Gibt es für Sie eine Chance, auf Neuwahlen hinzuarbeiten?
Daxenberger: Nein. Ich denke, das ist nicht realistisch. Es gibt einen klaren Wählerauftrag und Neuwahlen machen das Desaster bei der Landesbank nicht besser.
Meurer: Horst Seehofer selbst befürchtet, dass bis zu fünf Milliarden Euro Kosten auf den Freistaat zukommen können. Nach 2010 wird ja auch dann abgerechnet. Dann greift das Rettungspaket des Bundes nicht mehr. Was wird das den bayerischen Bürgerinnen und Bürgern an Opfern abverlangen?
Daxenberger: Das ist jetzt momentan noch gar nicht abzusehen. Man stelle sich vor, es sind jetzt ja schon 700 Millionen, die sicher gezahlt werden müssen, und wir rechnen ebenfalls, dass mindestens noch mal drei Milliarden auf uns zukommen werden. Das heißt, dass wir jetzt eigentlich schon jedes Jahr eine Milliarde auf die Seite legen müssten und eine Rücklage bilden müssten, wenn denn dann die Gelder zurückgefordert werden. Das heißt im Prinzip, dass im Freistaat Bayern all das, was im Wahlkampf versprochen wurde, was gemacht werden muss (mehr Lehrer, auch mehr Polizisten, mehr Investitionen in Klimaschutz), entweder mit enormen neuen Schulden gemacht werden muss oder gar nicht stattfinden kann.
Meurer: Für welche Alternative würden Sie sich entscheiden?
Daxenberger: Da muss man von Fall zu Fall unterscheiden. Aber ich denke, man müsste gerade im Bildungsbereich zur Not auch neue Schulden machen, denn wir können jetzt die Kinder nicht dafür in Haftung nehmen, dass einige Bänker nicht funktioniert haben und dass der Aufsichtsrat der CSU nicht geklappt hat.
Meurer: Sepp Daxenberger, der Vorsitzende der Fraktion der Grünen im bayerischen Landtag, heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Schönen Dank, Herr Daxenberger, und auf Wiederhören nach München.
Daxenberger: Auf Wiederhören! Ich bedanke mich.