Friedbert Meurer: In sechs Wochen beginnt das neue Jahr 2009 und deswegen war gestern Schon Eile geboten. 12 Stunden lang brüteten die Mitglieder des Haushaltsausschusses über den Etat des Bundes für 2009, um letzte Anpassungen vorzunehmen. Kurz nach Mitternacht war dann die Sache unter Dach und Fach. Die Mehrheit der Abgeordneten der Großen Koalition hat sich auf einen Haushalt verständigt mit höherer Neuverschuldung. Nur ob die reicht für Konjunkturprogramme, Rettungspakete und Bürgschaften?
Die Große Koalition geht in das letzte Jahr der Legislaturperiode. Den Haushalt will sie nächste Woche im Bundestag beschließen. Reicht die Kraft noch, um trotz all der Wahlen, die jetzt bevorstehen, der heraufziehenden Wirtschaftskrise zu begegnen? - Andrea Nahles ist die stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD. Guten Tag, Frau Nahles.
Andrea Nahles: Guten Tag, Herr Meurer.
Meurer: Zunächst mal zum Haushalt. Acht Milliarden Euro mehr Schulden, wird das ausreichen nächstes Jahr?
Nahles: Wir sind in einer Situation, wo täglich neue Erkenntnisse über die reale wirtschaftliche Entwicklung uns erreichen, und ich will ganz ehrlich sagen, vor diesem Hintergrund darf es erstens keine Denkverbote geben, und es kann auch sein, dass wir tatsächlich noch mal nachlegen müssten.
Meurer: An welcher Stelle nachlegen? Was meinen Sie damit?
Nahles: Es gibt einerseits ja jetzt die nächsten Mittwoch sich konkretisierenden Vorschläge einer Bündelung von Investitionsmaßnahmen auf der europäischen Ebene. Das hatte ja Frank-Walter Steinmeier als europäische Initiative auch mit unterstützt, und das unterstütze ich auch. Ich gehe davon aus, dass das nicht direkt haushaltswirksam wird, weil doch einiges wahrscheinlich über die Europäische Investitionsbank abgewickelt werden kann. Das ist die eine Sache.
Die zweite Sache ist, wenn es massive Nachfrageeinbrüche gibt und auch weitere schlechte Nachrichten uns erreichen, ob wir nicht öffentliche Investitionen zusätzlich zu dem jetzt, wie ich finde, richtigen Maßnahmenpaket, was wir haben, anschieben müssen. Ich hatte schon vor einiger Zeit gesagt, dass es insgesamt besonders intensive Wirkung gibt und richtig erst in die Gänge kommt bei einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes.
Meurer: Das wäre dann wie viel, Frau Nahles?
Nahles: Das wären 25 Milliarden Euro, und davon sind wir momentan ja doch noch ein gutes Stück weit entfernt.
Meurer: An welche Ausgaben denken Sie denn? Was soll da geschehen mit den 25 Milliarden Euro?
Nahles: Sehen Sie, ich bin nicht darauf scharf, Ausgaben zu tätigen, sondern es geht hier um die Frage, ist es notwendig. Und vor dem Hintergrund der derzeitigen Meldungen aus den Wirtschaftsunternehmen, da haben wir noch kein abschließendes Bild zurzeit, aber das sieht ja alles auch so aus, als ob das nicht eine reine Finanzkrise ist, sondern dass sich das jetzt auch niederschlägt mit massivem Niederschlag in der Automobilbranche zurzeit, aber auch erste Chemieunternehmen und andere haben sich gemeldet. Und ich sage, es wäre zum Beispiel gut zu überlegen - das hat Regierungschef Juncker in einem gemeinsamen Interview diese Woche zusammen mit Frank-Walter Steinmeier gemacht -, ob man nicht auch europäische Investitionen bündeln könnte, auch transnationale zum Beispiel Verkehrsinfrastruktur fördert und europäische Forschungen durch Euro-Anleihen.
Meurer: Dazu sagt ja die Union, Frau Nahles, das sind Luftschlösser, die da in Europa gebaut werden sollen.
Nahles: Wieso denn? Wenn man Investitionen tätigt, indem man Euro-Anleihen ausgibt - es gibt genügend Kapital, das jetzt sichere Anlagemöglichkeiten sucht -, dann ist das ein sehr vernünftiger Weg, den man nicht von vorneherein in Bausch und Bogen verdammen sollte, zumal - das muss ich auch an die Adresse der Union und anderer Kritiker richten - zurzeit die konkreten Vorschläge der europäischen Ebene überhaupt noch nicht vorliegen. Das sollte man sich erst mal in Ruhe angucken. Und dass es Sinn macht, ein abgestimmtes Programm europaweit aufzulegen, das kann ja niemand bestreiten, dass man dort am besten zusammenarbeitet. Genauso wie man auch bei der Bankenkrise intensiv zusammengearbeitet hat, sollte man das auch bei den Arbeitsplätzen tun.
Meurer: Wir wissen nur, teilweise, wie lange das dauert auf EU-Ebene, und jetzt steht die Krise unmittelbar bevor.
Nahles: Wir haben sehr schnell gehandelt auf allen politischen Ebenen und wir können in Deutschland auch selbstbewusst sagen, wir haben in den letzten Jahren uns besser gerüstet. Wir haben eine konsequente Haushaltskonsolidierung gepackt, und das, zum Beispiel im Unterschied zu unseren französischen Nachbarn, verschafft uns jetzt auch zusätzliche Handlungsspielräume. Ich zum Beispiel befürworte weiterhin, dass wir auch in Richtung Ankurbelung der privaten Investitionen denken. Ich hatte da Klimaschecks vorgeschlagen, also sozusagen die steuerliche Vergünstigungen organisieren für Leute, die bereit sind, jetzt privates Geld in die Hand zu nehmen und zu investieren für ökologisch auf einem neueren Stand sich bewegende Güter. Ob das jetzt ein Kühlschrank ist oder ein Auto, ist eine andere Frage. Es gibt die Diskussion über die Abwrack-Prämie. Das sind konkrete Punkte, die wir öffentlich anschieben, wo aber im Wesentlich private Investitionen locker gemacht werden.
Meurer: Die Frage wird vielleicht dann sein, was ist daran sozialdemokratisch, was kann der SPD im nächsten Wahljahr nutzen. Diese Frage wird ja wahrscheinlich in der SPD schon diskutiert werden.
Nahles: Was uns auf keinen Fall nutzt, ist, dass wir jetzt parteitaktisches Klein-Klein machen. Alles was ich hier gesagt habe, ob europäische Anleihen oder ob auch Mobilisierung von privaten Investitionen, geht erst mal dahin, dass wir Arbeitsplätze sichern müssen. Das geht nur, wenn wir gegenhalten gegen den ökonomischen Abschwung, der sich jetzt abzeichnet. Das sollten wir intelligent tun, indem wir langfristig sinnvolle Sachen dann auch machen, die kurzfristig trotzdem wirksam werden. Zum Beispiel in Schulgebäude zu investieren oder in Universitäten, ist sowohl kurzfristig wirksam im Sinne einer Konjunkturbelebung, aber auch langfristig sinnvoll.
Meurer: Darf ich das dann so verstehen, dass das, was im Moment die SPD-Führung macht, zumindest die, die in der Regierung und der Fraktion Verantwortung tragen - an Kfz-Steuer denken und an anderes mehr -, dass das unter Klein-Klein zu verstehen ist und Sie den großen Befreiungsschlag eher sich wünschen?
Nahles: Nein. Ich halte das Paket, was jetzt gebündelt wurde, für sinnvoll. Handwerkerrechnungen oder auch Gebäudesanierung fördern, entsprechend degressive Abschreibungsmöglichkeiten verbessern, ich denke, das ist alles richtig. Die Kfz-Steuer ist ja jetzt auch angekündigt worden, dass man über Abwrack-Prämien und Weitergehendes nachdenkt. Das halte ich für notwendig. Da gehe ich auch klar in die Richtung dessen, was Sigmar Gabriel vorgeschlagen hat.
Ich sage aber auch, dass insgesamt das Volumen dessen, was jetzt bewegt wird, möglicherweise wenn sich die täglich neuen Erkenntnisse über die Lage weiter verdichten in den nächsten Wochen, noch nicht ausreicht und dass wir hier nicht höhere konsumtive Ausgaben in den Blick fassen sollten, sondern tatsächlich noch mehr Investitionen, die sich auch langfristig rentieren. Ich sage noch mal: Da sollte es keine Denkverbote geben.
Meurer: Will die SPD-Basis mehr als das, was im Moment von ihrer Führung geboten wird?
Nahles: Die SPD-Basis will, dass wir angemessen, aber auch entschlossen auf die Krise reagieren. Ich denke, da ist niemand momentan in der Lage zu sagen, was da noch im Einzelnen notwendig wird. Das Gefühl allerdings, dass hier noch mehr unternommen werden muss, um Arbeitsplätze zu unterstützen, das haben viele. Allerdings sage ich auch: Wir schaffen es. Wir sollten jetzt keine Panikstimmung verbreiten. Wir schaffen es deswegen, weil wir in den letzten Jahren auch gute Haushaltskonsolidierung gemacht haben, weil viele Unternehmen ihre Hausaufgaben gemacht haben, weil es eigentlich ein Polster gibt, auf dem wir aufbauen können. Aber ich glaube schon, es muss noch mehr investiert werden, um eben die Dauer und die Länge der Abschwungphase zu verkürzen.
Die Große Koalition geht in das letzte Jahr der Legislaturperiode. Den Haushalt will sie nächste Woche im Bundestag beschließen. Reicht die Kraft noch, um trotz all der Wahlen, die jetzt bevorstehen, der heraufziehenden Wirtschaftskrise zu begegnen? - Andrea Nahles ist die stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD. Guten Tag, Frau Nahles.
Andrea Nahles: Guten Tag, Herr Meurer.
Meurer: Zunächst mal zum Haushalt. Acht Milliarden Euro mehr Schulden, wird das ausreichen nächstes Jahr?
Nahles: Wir sind in einer Situation, wo täglich neue Erkenntnisse über die reale wirtschaftliche Entwicklung uns erreichen, und ich will ganz ehrlich sagen, vor diesem Hintergrund darf es erstens keine Denkverbote geben, und es kann auch sein, dass wir tatsächlich noch mal nachlegen müssten.
Meurer: An welcher Stelle nachlegen? Was meinen Sie damit?
Nahles: Es gibt einerseits ja jetzt die nächsten Mittwoch sich konkretisierenden Vorschläge einer Bündelung von Investitionsmaßnahmen auf der europäischen Ebene. Das hatte ja Frank-Walter Steinmeier als europäische Initiative auch mit unterstützt, und das unterstütze ich auch. Ich gehe davon aus, dass das nicht direkt haushaltswirksam wird, weil doch einiges wahrscheinlich über die Europäische Investitionsbank abgewickelt werden kann. Das ist die eine Sache.
Die zweite Sache ist, wenn es massive Nachfrageeinbrüche gibt und auch weitere schlechte Nachrichten uns erreichen, ob wir nicht öffentliche Investitionen zusätzlich zu dem jetzt, wie ich finde, richtigen Maßnahmenpaket, was wir haben, anschieben müssen. Ich hatte schon vor einiger Zeit gesagt, dass es insgesamt besonders intensive Wirkung gibt und richtig erst in die Gänge kommt bei einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes.
Meurer: Das wäre dann wie viel, Frau Nahles?
Nahles: Das wären 25 Milliarden Euro, und davon sind wir momentan ja doch noch ein gutes Stück weit entfernt.
Meurer: An welche Ausgaben denken Sie denn? Was soll da geschehen mit den 25 Milliarden Euro?
Nahles: Sehen Sie, ich bin nicht darauf scharf, Ausgaben zu tätigen, sondern es geht hier um die Frage, ist es notwendig. Und vor dem Hintergrund der derzeitigen Meldungen aus den Wirtschaftsunternehmen, da haben wir noch kein abschließendes Bild zurzeit, aber das sieht ja alles auch so aus, als ob das nicht eine reine Finanzkrise ist, sondern dass sich das jetzt auch niederschlägt mit massivem Niederschlag in der Automobilbranche zurzeit, aber auch erste Chemieunternehmen und andere haben sich gemeldet. Und ich sage, es wäre zum Beispiel gut zu überlegen - das hat Regierungschef Juncker in einem gemeinsamen Interview diese Woche zusammen mit Frank-Walter Steinmeier gemacht -, ob man nicht auch europäische Investitionen bündeln könnte, auch transnationale zum Beispiel Verkehrsinfrastruktur fördert und europäische Forschungen durch Euro-Anleihen.
Meurer: Dazu sagt ja die Union, Frau Nahles, das sind Luftschlösser, die da in Europa gebaut werden sollen.
Nahles: Wieso denn? Wenn man Investitionen tätigt, indem man Euro-Anleihen ausgibt - es gibt genügend Kapital, das jetzt sichere Anlagemöglichkeiten sucht -, dann ist das ein sehr vernünftiger Weg, den man nicht von vorneherein in Bausch und Bogen verdammen sollte, zumal - das muss ich auch an die Adresse der Union und anderer Kritiker richten - zurzeit die konkreten Vorschläge der europäischen Ebene überhaupt noch nicht vorliegen. Das sollte man sich erst mal in Ruhe angucken. Und dass es Sinn macht, ein abgestimmtes Programm europaweit aufzulegen, das kann ja niemand bestreiten, dass man dort am besten zusammenarbeitet. Genauso wie man auch bei der Bankenkrise intensiv zusammengearbeitet hat, sollte man das auch bei den Arbeitsplätzen tun.
Meurer: Wir wissen nur, teilweise, wie lange das dauert auf EU-Ebene, und jetzt steht die Krise unmittelbar bevor.
Nahles: Wir haben sehr schnell gehandelt auf allen politischen Ebenen und wir können in Deutschland auch selbstbewusst sagen, wir haben in den letzten Jahren uns besser gerüstet. Wir haben eine konsequente Haushaltskonsolidierung gepackt, und das, zum Beispiel im Unterschied zu unseren französischen Nachbarn, verschafft uns jetzt auch zusätzliche Handlungsspielräume. Ich zum Beispiel befürworte weiterhin, dass wir auch in Richtung Ankurbelung der privaten Investitionen denken. Ich hatte da Klimaschecks vorgeschlagen, also sozusagen die steuerliche Vergünstigungen organisieren für Leute, die bereit sind, jetzt privates Geld in die Hand zu nehmen und zu investieren für ökologisch auf einem neueren Stand sich bewegende Güter. Ob das jetzt ein Kühlschrank ist oder ein Auto, ist eine andere Frage. Es gibt die Diskussion über die Abwrack-Prämie. Das sind konkrete Punkte, die wir öffentlich anschieben, wo aber im Wesentlich private Investitionen locker gemacht werden.
Meurer: Die Frage wird vielleicht dann sein, was ist daran sozialdemokratisch, was kann der SPD im nächsten Wahljahr nutzen. Diese Frage wird ja wahrscheinlich in der SPD schon diskutiert werden.
Nahles: Was uns auf keinen Fall nutzt, ist, dass wir jetzt parteitaktisches Klein-Klein machen. Alles was ich hier gesagt habe, ob europäische Anleihen oder ob auch Mobilisierung von privaten Investitionen, geht erst mal dahin, dass wir Arbeitsplätze sichern müssen. Das geht nur, wenn wir gegenhalten gegen den ökonomischen Abschwung, der sich jetzt abzeichnet. Das sollten wir intelligent tun, indem wir langfristig sinnvolle Sachen dann auch machen, die kurzfristig trotzdem wirksam werden. Zum Beispiel in Schulgebäude zu investieren oder in Universitäten, ist sowohl kurzfristig wirksam im Sinne einer Konjunkturbelebung, aber auch langfristig sinnvoll.
Meurer: Darf ich das dann so verstehen, dass das, was im Moment die SPD-Führung macht, zumindest die, die in der Regierung und der Fraktion Verantwortung tragen - an Kfz-Steuer denken und an anderes mehr -, dass das unter Klein-Klein zu verstehen ist und Sie den großen Befreiungsschlag eher sich wünschen?
Nahles: Nein. Ich halte das Paket, was jetzt gebündelt wurde, für sinnvoll. Handwerkerrechnungen oder auch Gebäudesanierung fördern, entsprechend degressive Abschreibungsmöglichkeiten verbessern, ich denke, das ist alles richtig. Die Kfz-Steuer ist ja jetzt auch angekündigt worden, dass man über Abwrack-Prämien und Weitergehendes nachdenkt. Das halte ich für notwendig. Da gehe ich auch klar in die Richtung dessen, was Sigmar Gabriel vorgeschlagen hat.
Ich sage aber auch, dass insgesamt das Volumen dessen, was jetzt bewegt wird, möglicherweise wenn sich die täglich neuen Erkenntnisse über die Lage weiter verdichten in den nächsten Wochen, noch nicht ausreicht und dass wir hier nicht höhere konsumtive Ausgaben in den Blick fassen sollten, sondern tatsächlich noch mehr Investitionen, die sich auch langfristig rentieren. Ich sage noch mal: Da sollte es keine Denkverbote geben.
Meurer: Will die SPD-Basis mehr als das, was im Moment von ihrer Führung geboten wird?
Nahles: Die SPD-Basis will, dass wir angemessen, aber auch entschlossen auf die Krise reagieren. Ich denke, da ist niemand momentan in der Lage zu sagen, was da noch im Einzelnen notwendig wird. Das Gefühl allerdings, dass hier noch mehr unternommen werden muss, um Arbeitsplätze zu unterstützen, das haben viele. Allerdings sage ich auch: Wir schaffen es. Wir sollten jetzt keine Panikstimmung verbreiten. Wir schaffen es deswegen, weil wir in den letzten Jahren auch gute Haushaltskonsolidierung gemacht haben, weil viele Unternehmen ihre Hausaufgaben gemacht haben, weil es eigentlich ein Polster gibt, auf dem wir aufbauen können. Aber ich glaube schon, es muss noch mehr investiert werden, um eben die Dauer und die Länge der Abschwungphase zu verkürzen.