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Es sterbe der Sport?
Wie Vereine gegen den Zeitgeist kämpfen

Sportvereine haben große Probleme. Die Mitgliederzahlen sind seit Jahren rückläufig. Die Ersatzfamilie Verein steht an vielen Orten vor dem Aus. Kein Nachwuchs, Probleme mit dem Ehrenamt. Aber einige innovative Ansätze machen Hoffnung.

Von Marina Schweizer |
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    Der Verein Rot-Gelb Harburg steht kurz vor der Schließung (Deutschlandradio / Marina Schweizer)
    "Auf dem Tennisplatz ist nur noch an zwei Tagen in der Woche was los." Manfred Klee ist Gründungsmitglied des Sportvereins Rot-Gelb Harburg. Der Verein, benannt nach den Farben der Shell AG, zu der er lange gehörte, existiert seit 66 Jahren. Manfred Klee wird der letzte Vorstand dieses Vereins sein. Ende 2018 ist Rot Gelb Harburg Geschichte. Der Verein macht wegen Überalterung und Mitgliederschwund dicht.
    Die Jugendarbeit wurde inzwischen eingestellt – zu teuer: "Das geht bei vielen Vereinen so. Nur die wirklich großen Vereine haben die Chance, durch gute und qualifizierte Jugendarbeit zu bestehen und wirklich vernünftige sportliche Angebote zu bieten." In den letzten Jahren ist die Mitgliederzahl rapide gesunken: Dieses Jahr waren es nur noch 156. Ein Verein ohne Sportler, Geld und Ehrenamtler, die nachrücken: Das ist das Todesurteil für Rot-Gelb Harburg.
    Lieber ins Fitnessstudio
    Der gesellschaftliche Wandel macht vielen Vereinen in Deutschland zu schaffen: Ganztagsschule und eine veränderte Berufswelt knabbern an den wichtigsten Ressourcen: Dem Nachwuchs und ehrenamtlichen Helfern. Wer stellt sich heute noch dreimal die Woche als Trainer in eine Halle, am Wochenende an den Grill am Fußballplatz und fährt die Jugendmannschaft mit dem Privat-PKW oder bestenfalls Vereinsbus zum Auswärtsspiel? Viele Menschen können und wollen das nicht mehr.
    Und wer Sport machen will, bezahlt für Flexibilität oft lieber das teurere Fitnessstudio. Die Ersatzfamilie Verein – wollen viele nicht mehr. Ein Sportverein, der heute überleben will, muss umdenken, empfiehlt der Sportsoziologe Hans-Jürgen Schulke: "Ein guter Verein ist ein Verein, die offen ist für alle, der ein Angebot macht, was die Menschen anspricht, ihrem Lebensalltag, ihren gesundheitlichen, sozialen Erfordernissen entspricht und ihnen immer wieder die Freiheit ermöglicht, auch neue Formen des Sporttreibens zu wählen, neue Kontakte aufzubauen, sich zu engagieren oder auch nicht zu engagieren." Nur: Dafür braucht ein Verein Geld und Ideen.
    "Sportvereine müssen in Schulen gehen"
    Mitten in Deutschlands zweitgrößter Stadt sitzt ein Verein, der den Herausforderungen trotzt: Der Eimsbütteler TV in Hamburgs Nordwesten hat knapp 14.000 Mitglieder. Im vergangenen Jahrzehnt hat der ETV fast 5000 Aktive gewonnen. Nachwuchssorgen? Gibt es nicht. Weil der ETV schon früh in die Ganztagsschulen im Umfeld gegangen ist, beschreibt der Vorsitzende Frank Fechner. "Die Verbindung von Schule und Sportverein, die muss immer enger werden. Wenn die Sportvereine in die Schulen reingehen und dort die Kinder für den Sport begeistern und sie dort binden können und die Kinder in den Wettkampfsport überführen können, dann funktioniert auch der Verein."
    Die Mitgliederzahlen geben dem ETV Recht. Der Vereinsbeitrag zählt mit 23,50 Euro monatlich für Erwachsene zwar nicht zu den günstigsten. Aber mit diesem Geld und beispielsweise mit Erlösen aus der Ganztagsbetreuung in Schulen und Extra-Gebühren aus Gesundheitskursen und dem Fitnessstudio finanziert der Verein 25 hauptamtliche Mitarbeiter in Vollzeit. Sie sollen die organisatorische Last von den Ehrenamtlern nehmen. Das Ehrenamt darf nicht überlastet werden – das ist Frank Fechners großes Credo.
    "Vereine überstehen auch diese Krise"
    Wer heutzutage überleben wolle, müsse kreativ werden: "Ich glaube, dass sich die kleinen Vereine zusammenschließen müssen zu größeren Einheiten, die eine gewisse Hauptamtlichkeit und eine gewisse kritische Masse auf die Beine stellen, mit der sie am Markt bestehen können. Ich vermisse da auch den Mut, die Zukunft gestalten zu wollen. Aber man muss sich um einige Vereine auch tatsächlich Sorgen machen." Frank Fechner appelliert da hauptsächlich an die Flexibilität vieler alteingesessener Funktionäre.
    Sportsoziologe Hans-Jürgen Schulke ist da optimistischer: Das soziale Konstrukt Verein werde auch diese Krise überstehen – genauso, wie sie die Vereine bei der Fitnesswelle in den 80er Jahren durchgestanden haben. "Dort hat es auch ein paar Jahre gedauert, bis die Vereine reagiert haben und Lösungen gefunden haben. Das zeichnet aber auch die Vereinssportbewegung aus, dass sie für neue Herausforderungen immer wieder auch Lösungen entwickelt."