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"Es war eine total zerstörte Wirtschaft"

In den neuen Ländern war und ist die Treuhand der große Buhmann: Zu unrecht, findet Klaus von Dohnanyi, ehemaliger SPD-Politiker: "Das Grundproblem kommt aus dem Schrott der wirtschaftlichen Zustände." Die Privatisierung war der einzige Weg.

Klaus von Dohnanyi im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Ihre Aufgabe war beispiellos. Am 1. März 1990 entstand die DDR-Treuhand. Zwei Dinge haben die Wirtschaft in den neuen Ländern massiv geprägt: das eine war die Einführung der D-Mark 1990 und das andere eben die Arbeit der Treuhand. Sie verkaufte Kombinate, Betriebe, Immobilien und Ländereien. In den neuen Ländern war sie dann der große Buhmann. Für die Treuhand als Beauftragter tätig war damals der SPD-Politiker Klaus von Dohnanyi. Guten Morgen, Herr Dohnanyi!

    Klaus von Dohnanyi: Guten Morgen, Herr Meurer. Ich will zwei Dinge zunächst mal korrigieren. Also ich war ja nicht Beauftragter der Treuhand, sondern ich hatte noch zu Zeiten der Modrow-Regierung die Bitte der TAKRAF aus Leipzig, dort den Aufsichtsrat zu übernehmen, und als ich dann Vorsitzender wurde, war bei mir, saß bei mir im Aufsichtsrat noch der Industrieminister der DDR. Also ich war nicht Beauftragter der Treuhand, sondern man hatte mich gebeten, die TAKRAF zu privatisieren.

    Meurer: Dann sagen wir so: Sie hatten viel zu tun mit der Treuhand, Herr von Dohnanyi?

    von Dohnanyi: Ja. Aber dann war ich hinterher natürlich der Beauftragte von der Nachfolgeorganisation der Treuhand, denen mit Zugängen zum Markt zu helfen. Also ich war sogenannter Marktbeauftragter und das habe ich auch versucht zu tun.

    Meurer: Diese Wut, die es damals in den neuen Ländern gab, haben Sie die auch zu spüren bekommen?

    von Dohnanyi: Ja und nein. In der TAKRAF eigentlich nicht. Wir sind ja auch ungewöhnlich erfolgreich gewesen. Wir haben ja 30 Prozent der Arbeitsplätze erhalten, was im Maschinenbau sonst, glaube ich, niemand erreicht hat, und wir hatten das auch noch fünf Jahre später, also noch 1999, und ich wollte dann 2004 das noch mal prüfen. Ich selber bin noch Aufsichtsratsvorsitzender von Kirow in Leipzig, wir sind heute wieder Weltmarktführer. Also so schlecht ist es nicht, aber es war natürlich sehr schwierig.

    Meurer: Dass Sie nicht Beauftragter der Treuhand waren, Herr von Dohnanyi - und darauf legen Sie ja Wert -, hat das den Grund vielleicht auch darin, dass Sie im Nachhinein sagen, da ist vieles schief gelaufen bei der Treuhand?

    von Dohnanyi: Nein. Ich würde mal folgendes sagen: Sie haben vorhin gesagt, es waren zwei wesentliche Einflüsse, die D-Mark-Einführung und die Gründung der Treuhand. Und ich würde sagen, der wichtigste Einfluss, den hat Herr Pollak eben gesagt. Es war eine total zerstörte Wirtschaft, die wir dort fanden. Es war eine Wirtschaft, die war 30 Jahre zurück hinter dem, was in den westlichen, marktwirtschaftlich organisierten Wirtschaftssystemen entwickelt war. Und da die Mauer nun von innen aufgestoßen wurde und nicht von außen, und da sich die Treuhand große Mühe gegeben hat, ich sage das mal so, diesen wirtschaftlichen Schrott, den wir vorgefunden haben, wieder zu organisieren, gab es natürlich auch viele Fehlentscheidungen.

    Meurer: Das entscheidende Motto der Treuhand war ja, erst Privatisierung, dann Sanieren, in der Reihenfolge. War das die Fehlentscheidung schlechthin?

    von Dohnanyi: Das war die einzig mögliche Entscheidung. Sie können ja nicht ein Unternehmen sanieren, in dem sie feststellen, dass sie weder einen Markt haben, weil die Produkte nicht ausreichen, oder die Märkte wie in Osteuropa, in Russland, der Sowjetunion nicht mehr zugänglich sind, und dann versuchen, sozusagen 30.000 Leute in einem Betrieb zu bewahren, für den es keinen Markt und keine Absatzmöglichkeiten gibt.

    Meurer: Man hätte dann aber länger die Kontrolle auf die Unternehmen gehabt?

    von Dohnanyi: Wie wollten sie denn das machen? Wer sollte denn das alles bezahlen? Wer sollte denn feststellen, 17.000 Unternehmen standen dort zur Debatte, wer sollte denn an welcher Stelle entscheiden, welche Produkte mit welcher Investition in welcher Zeit wo verkauft werden sollten? Ohne Privatisierung war das überhaupt nicht möglich. Sie konnten die DDR ja nicht gewissermaßen als Zentralorganisation fortsetzen, nur mit marktwirtschaftlichen Mitteln. Das sind alles sehr unsinnige Vorstellungen, die natürlich - ich verstehe das aus der Seele der Menschen, die die Menschen so äußern. Aber wer etwas von der Sache versteht, der kann einzelne Fehler feststellen. Vielleicht hätte man die Treuhand nicht beim Finanzminister ansiedeln dürfen, sondern beim Wirtschaftsminister. Das sind alles Dinge, die man diskutieren kann, aber das Grundproblem kommt aus dem Schrott der wirtschaftlichen Zustände in der DDR, die wir vorgefunden haben, als die Mauer von innen aufgestoßen wurde.

    Meurer: Bestreiten Sie, Herr von Dohnanyi, dass es ein Einzelfall war, dass Westunternehmen Ostbetriebe aufgekauft haben, um sie platt zu machen, um lästige Konkurrenten sich vom Hals zu halten?

    von Dohnanyi: Das, glaube ich, hat es aus meiner Sicht auf jeden Fall nie im Bewusstsein der Treuhand-Anstalt gegeben. Es gab es möglicherweise in einzelnen Fällen, die kann ich dann auch nicht im einzelnen beurteilen und übersehen, aber dass das eine Politik gewesen wäre, und das, was vorhin gesagt wurde, dass dort im Wesentlichen Mafia tätig gewesen sei oder so, das ist wirklich absoluter Unsinn. So wurden zum Beispiel für fast alle diese Entscheidungen ja internationale Begutachter herangezogen und es wurde ja nicht einfach an irgendeinen Westdeutschen irgendein Unternehmen übergeben. Da machen sich das die Leute zu leicht. Es ist natürlich schmerzhaft zuzugucken, wie man ein Land, was 50 Jahre lang schlecht regiert worden ist, miserabel regiert von der SED, wie man ein solches Land dann am Ende in einem sehr schwierigen Zustand wieder vorfindet.

    Meurer: Der frühere SPD-Politiker Klaus von Dohnanyi zum 20. Jahrestag der Gründung der DDR-Treuhand. Herr von Dohnanyi, besten Dank und auf Wiederhören.

    von Dohnanyi: Okay! Vielen Dank.