Bettina Klein: Die Verbindungen zwischen Porsche und Volkswagen sind legendär und jedem bekannt, der sich ein bisschen für Automobilgeschichte interessiert. Die Nazis hatten den österreichischen Ingenieur Ferdinand Porsche beauftragt, einen Volkswagen zu konstruieren. Das dauerte dann noch ein wenig. Heute hält Porsche 30 Prozent der Anteile bei Volkswagen, darf aber erst mit dem Fall des VW-Gesetzes vorgestern von den Stimmrechten in diesem Umfang Gebrauch machen und es ist nur eine Frage der Zeit, bis es die Anteile so erhöht, dass Volkswagen ein Tochterkonzern der viel kleineren, aber durchaus erfolgreichen Sportwagenfirma in Baden-Württemberg wird. Ein Thema im Gespräch mit dem Ministerpräsidenten des Landes Günther Oettinger. Guten Morgen!
Günther Oettinger: Guten Morgen!
Klein: Herr Oettinger, aus gegebenem Anlass zunächst mal ein Wort zu einem anderen Verkehrsmittel. Die Bahnstreiks heute morgen werden vermutlich zu vielen Behinderungen führen. Kurt Beck, der SPD-Vorsitzende, hat sich bereits sehr kritisch geäußert in Richtung GDL. Eigentlich hat die Politik sich ja herauszuhalten aus Tarifkonflikten, aber schließen Sie sich Kurt Becks Kritik an?
Oettinger: Ich fürchte, dass heute und morgen der Streik für die Arbeitnehmer und die Bürger im Nahverkehr und Regionalverkehr ein großes Ausmaß einnehmen wird. Das heißt es geht nicht mehr nur um einige Prozent; es geht letztendlich um die Arbeitswelt, um das Wohl der Menschen. Deswegen glaube ich auch, dass wir jetzt unsere Stimme erheben sollten und hier beide Seiten mahnen sollten, nochmals eine Einigung zu versuchen.
Klein: Unsere Stimme erheben heißt was? Die Politiker sollen ihre Stimme erheben?
Oettinger: Die beiden Streitpartner müssen an den Verhandlungstisch zurück. Es darf nicht sein, dass hier die Verhandlungen nur sehr lose geführt werden. Es kommt hinzu: Noch gehört die Bahn AG zu 100 Prozent dem Bund. Das heißt wir haben hier einen quasi Monopolbetrieb, der alles lahm legen kann. Wettbewerb gibt es nicht. Der Bürger kann nur auf das Auto umsteigen und ich fände es falsch, wenn durch den Streik jetzt die Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs für längere Zeit unterbrochen wird.
Klein: Muss die Politik sich einschalten? Darf sie es?
Oettinger: Die Politik kann die Tarifpartner nicht ersetzen, aber die Politik kann der Bahn sagen, ob sie nochmals Zugeständnisse machen soll, und umgekehrt kann sie im öffentlichen Meinungsbild verdeutlichen, dass 31 Prozent unvorstellbar sind. Meines Erachtens ist die Forderung der Zugführergewerkschaft völlig überhöht. Ich halte aber eine nochmalige gewisse Nachbesserung und eine spezielle Betrachtung der Arbeitszeiten und der Verantwortung der Zugführer für denkbar.
Klein: Können die Schlichter das noch leisten?
Oettinger: Ich hoffe ja.
Klein: Herr Oettinger, zum anderen Thema. Wann werden auf dem Werk in Wolfsburg die Buchstaben VW verschwinden? Was glauben Sie?
Oettinger: Ich glaube gar nie. VW ist eine legendäre Marke, weltbekannt, übrigens nicht nur in Deutschland, sondern stärker als alle anderen Automarken auch weltweit, in China, in Indien. Das heißt ich bin sicher, die Gruppe Porsche-VW ist klug beraten, wenn sie ihre Produkte weiter mit ganz besonderem Profil und Markenzeichen in der Welt verkauft. Da gibt es Skoda, da gibt es Seat, da gibt es natürlich Audi, da gibt es VW, da gibt es Bugatti, da gibt es vielleicht mal bald noch mehr LKW in dieser Gruppe und es gibt Porsche als Hightech-Betrieb und jede Marke hat ihre Kunden und ihre Chance. Deswegen wird diese Gruppe gemeinsame Entwicklungen ausbauen, gemeinsame Plattformen bauen, aber getrennt marschieren, wenn es um den Endkunden geht.
Klein: Aber die Entscheidungen dieser Woche bedeuten eine Stärkung des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg, nicht des Standortes Niedersachsen?
Oettinger: Meines Erachtens ist es eine Stärkung des Fahrzeugstandorts, des Standorts Deutschland insgesamt. Man sieht, wie groß die Mitbewerber werden. In diesem Jahr wird erstmals in China die Zahl der Autos, die neu zugelassen werden, größer als in Deutschland sein. Wenn man sieht, wo die Marktmacht der Japaner ist, dann müssen wir mit unseren Kompetenzen unsere Kräfte bündeln und dann werden wir mehr VW-Fahrzeuge und mehr Porsche-Fahrzeuge und mehr Audi-Fahrzeuge weltweit produzieren. Hinzu kommt natürlich und das ist richtig: VW kann von der Entwicklungskompetenz von Porsche profitieren. Und umgekehrt: Die hohen Kosten für Forschung und Entwicklung, für Hochtechnologieprodukte und Komponenten, die in Stuttgart-Zuffenhausen und in Weissach geleistet wird, ist dann eher finanzierbar, wenn es um große Stückzahlen geht. Das heißt das, was in einen Porsche eingebaut wird, kann drei Jahre später in einen VW eingebaut werden und dann hat man viel geringere Entwicklungskosten, wenn die Zahl der Fahrzeuge, wenn die Stückzahl ein Vielfaches als derzeit beträgt.
Klein: Die Ausgliederung von Arbeitsplätzen ins Ausland, das konnte Niedersachsen durch das VW-Gesetz bislang verhindern. Weshalb sollte Porsche das in Zukunft tun?
Oettinger: Es wird sicherlich einen Mix geben. Schauen Sie einmal Audi an. Audi gehört zum VW-Konzern, ist eine Tochter von VW und in Zukunft eine Enkeltochter von Porsche. Die Motoren von allen Audi-Fahrzeugen werden in Ungarn hergestellt. Einiges von dem, was im Cayenne in Leipzig eingebaut ist, stammt auch aus Osteuropa. Und indem wir einige Komponenten aus Ländern haben, die günstigere Löhne aufweisen, können wir das Fahrzeug besser kalkulieren, damit mehr Stück verkaufen und damit auch die Arbeitsplätze in Deutschland, in Baden-Württemberg, in Niedersachsen, in anderen Standorten Deutschlands steigern.
Klein: Aber VW hat de facto seine wirtschaftliche Eigenständigkeit verloren und das dürfte Auswirkungen zumindest kurz- und mittelfristig für die Arbeitnehmerschaft dort haben?
Oettinger: VW wird vermutlich ein Teil der neuen Porsche-Holding, einer Europa AG mit Sitz hier in Baden-Württemberg, aber die Eigenständigkeit bleibt, weil in Wolfsburg die großen Produktionsstätten sind, weil dort die Kompetenz für große Stückzahlen ist. Das heißt ich glaube es wird eine Win-Win-Situation entstehen und dies unter dem Dach einer Familienunternehmung. Wir haben in Baden-Württemberg mit Familienunternehmen beste Erfahrungen gemacht. Die Familien Porsche und Piëch sind verantwortungsbewusst. Die wollen Innovation, die wollen Hightech, die wollen Marktführer in Europa werden, die wollen in fünf Jahren zu Toyota aufschließen. Ich bin sicher, dass dieses dem Konzern und allen Arbeitsplätzen gut tut und vielleicht besser ist als die harte Situation an der Börse und die früher für VW mögliche Übernahmegefahr.
Klein: Die IG Metall sagt jetzt mit Blick auf das VW-Gesetz, das überarbeitet oder eben ganz abgeschafft werden muss, "behaltet das bloß bei; es müssen ja nur einige Passagen geändert werden". Zumindest möchte die Gewerkschaft, dass der Passus, wonach zwei Drittel des Aufsichtsrates zustimmen müssen, wenn Standorte ins Ausland verlegt werden, beibehalten werden sollte. Stimmen Sie zu?
Oettinger: Das wird derzeit bei Frau Zypries geprüft. Da wird die Bundesregierung im Benehmen mit den Standortländern wie Niedersachsen und Baden-Württemberg dann ihre Entscheidung vorbereiten. Aber klar ist: Mit dem Urteil sind die wichtigsten Paragraphen des VW-Gesetzes nicht haltbar. Die Stimmrechtsbeschränkung auf 20 Prozent ist weg. Wer 30 Prozent oder 40 Prozent oder 60 Prozent hat, hat auch 60 Prozent der Stimmrechte bei der Hauptversammlung, kann entsprechend in den Aufsichtsrat seine vertrauten Bewerber entsenden. Und es gibt keine staatlichen Aufsichtsräte mehr, sondern nur noch Aufsichtsräte entlang von Aktienrechten. Deswegen wird dieses Gesetz nicht mehr viel Wert sein und ich rate allen Beteiligten zu prüfen, ob nicht eine ganz normale aktienrechtliche Grundlage der bessere Weg ist, zumal ja mit über 30 Prozent Anteile bei Porsche und über 20 Prozent beim Land Niedersachsen schon jetzt jede Gefahr der Übernahme weg ist. Wenn der Ausbau der Aktien bei Porsche kommt und Porsche die Mehrheit übernimmt und konsolidiert, bin ich sicher, dass Porsche mit den Arbeitsplätzen und den Standorten in Niedersachsen oder an anderen Orten in Deutschland genauso pfleglich umgehen wird wie Porsche in Zuffenhausen, in Weissach, in Leipzig, in Europa in den letzten Jahren nachgewiesen hat, dass man mit Erfolg die Zahl der Arbeitsplätze steigert. Kein Fahrzeugunternehmen hat Umsatzertrag und Arbeitsplätze, Entwicklungsausgaben und Innovation in den letzten Jahren so gesteigert zu Gunsten der Arbeitnehmer und der Arbeitswelt wie Porsche und kein Betriebsrat ist mit der Entwicklung des Unternehmens und der Unternehmensleitung so zufrieden wie der Betriebsrat von Porsche.
Klein: Jetzt haben wir viel Reklame gemacht für diesen Autokonzern und sollten noch mal sagen, dass es auch noch viele andere Unternehmen dieser Art in Deutschland und weltweit gibt. Abschließend, Herr Oettinger, das VW-Gesetz hat natürlich auch den Hintergrund gehabt, Arbeitsplätze zu sichern. Viele Wirtschaftsexperten sagen auch gut, dass es weg ist. Es war ein Hindernis für den freien Wettbewerb. Können Sie auf der anderen Seite verstehen, dass immer mehr Menschen offenbar stärker darauf setzen, dass der Staat eben gerade Risiken abfedert? Das wird sich zum Beispiel auch auf dem SPD-Parteitag am Wochenende abbilden.
Oettinger: Der Weg zurück in die Planwirtschaft wäre falsch. Der Staat ist im Zweifel nicht der bessere Arbeitgeber und wer durch Gesetz Arbeitsplätze schützt, höhlt sie in Wahrheit oftmals aus. Ich setze auf Arbeitsplätze, die starke Produkte und Dienstleistungen herstellen. Ich setze auf Arbeitsplätze in der Forschung und Entwicklung, damit Deutschland mit Innovationen vorne bleibt. Das heißt ich setze auf eine überlegene Wirtschaft und Arbeitswelt Deutschlands in einem globalen Wettbewerb.
Klein: Günther Oettinger, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Oettinger.
Günther Oettinger: Guten Morgen!
Klein: Herr Oettinger, aus gegebenem Anlass zunächst mal ein Wort zu einem anderen Verkehrsmittel. Die Bahnstreiks heute morgen werden vermutlich zu vielen Behinderungen führen. Kurt Beck, der SPD-Vorsitzende, hat sich bereits sehr kritisch geäußert in Richtung GDL. Eigentlich hat die Politik sich ja herauszuhalten aus Tarifkonflikten, aber schließen Sie sich Kurt Becks Kritik an?
Oettinger: Ich fürchte, dass heute und morgen der Streik für die Arbeitnehmer und die Bürger im Nahverkehr und Regionalverkehr ein großes Ausmaß einnehmen wird. Das heißt es geht nicht mehr nur um einige Prozent; es geht letztendlich um die Arbeitswelt, um das Wohl der Menschen. Deswegen glaube ich auch, dass wir jetzt unsere Stimme erheben sollten und hier beide Seiten mahnen sollten, nochmals eine Einigung zu versuchen.
Klein: Unsere Stimme erheben heißt was? Die Politiker sollen ihre Stimme erheben?
Oettinger: Die beiden Streitpartner müssen an den Verhandlungstisch zurück. Es darf nicht sein, dass hier die Verhandlungen nur sehr lose geführt werden. Es kommt hinzu: Noch gehört die Bahn AG zu 100 Prozent dem Bund. Das heißt wir haben hier einen quasi Monopolbetrieb, der alles lahm legen kann. Wettbewerb gibt es nicht. Der Bürger kann nur auf das Auto umsteigen und ich fände es falsch, wenn durch den Streik jetzt die Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs für längere Zeit unterbrochen wird.
Klein: Muss die Politik sich einschalten? Darf sie es?
Oettinger: Die Politik kann die Tarifpartner nicht ersetzen, aber die Politik kann der Bahn sagen, ob sie nochmals Zugeständnisse machen soll, und umgekehrt kann sie im öffentlichen Meinungsbild verdeutlichen, dass 31 Prozent unvorstellbar sind. Meines Erachtens ist die Forderung der Zugführergewerkschaft völlig überhöht. Ich halte aber eine nochmalige gewisse Nachbesserung und eine spezielle Betrachtung der Arbeitszeiten und der Verantwortung der Zugführer für denkbar.
Klein: Können die Schlichter das noch leisten?
Oettinger: Ich hoffe ja.
Klein: Herr Oettinger, zum anderen Thema. Wann werden auf dem Werk in Wolfsburg die Buchstaben VW verschwinden? Was glauben Sie?
Oettinger: Ich glaube gar nie. VW ist eine legendäre Marke, weltbekannt, übrigens nicht nur in Deutschland, sondern stärker als alle anderen Automarken auch weltweit, in China, in Indien. Das heißt ich bin sicher, die Gruppe Porsche-VW ist klug beraten, wenn sie ihre Produkte weiter mit ganz besonderem Profil und Markenzeichen in der Welt verkauft. Da gibt es Skoda, da gibt es Seat, da gibt es natürlich Audi, da gibt es VW, da gibt es Bugatti, da gibt es vielleicht mal bald noch mehr LKW in dieser Gruppe und es gibt Porsche als Hightech-Betrieb und jede Marke hat ihre Kunden und ihre Chance. Deswegen wird diese Gruppe gemeinsame Entwicklungen ausbauen, gemeinsame Plattformen bauen, aber getrennt marschieren, wenn es um den Endkunden geht.
Klein: Aber die Entscheidungen dieser Woche bedeuten eine Stärkung des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg, nicht des Standortes Niedersachsen?
Oettinger: Meines Erachtens ist es eine Stärkung des Fahrzeugstandorts, des Standorts Deutschland insgesamt. Man sieht, wie groß die Mitbewerber werden. In diesem Jahr wird erstmals in China die Zahl der Autos, die neu zugelassen werden, größer als in Deutschland sein. Wenn man sieht, wo die Marktmacht der Japaner ist, dann müssen wir mit unseren Kompetenzen unsere Kräfte bündeln und dann werden wir mehr VW-Fahrzeuge und mehr Porsche-Fahrzeuge und mehr Audi-Fahrzeuge weltweit produzieren. Hinzu kommt natürlich und das ist richtig: VW kann von der Entwicklungskompetenz von Porsche profitieren. Und umgekehrt: Die hohen Kosten für Forschung und Entwicklung, für Hochtechnologieprodukte und Komponenten, die in Stuttgart-Zuffenhausen und in Weissach geleistet wird, ist dann eher finanzierbar, wenn es um große Stückzahlen geht. Das heißt das, was in einen Porsche eingebaut wird, kann drei Jahre später in einen VW eingebaut werden und dann hat man viel geringere Entwicklungskosten, wenn die Zahl der Fahrzeuge, wenn die Stückzahl ein Vielfaches als derzeit beträgt.
Klein: Die Ausgliederung von Arbeitsplätzen ins Ausland, das konnte Niedersachsen durch das VW-Gesetz bislang verhindern. Weshalb sollte Porsche das in Zukunft tun?
Oettinger: Es wird sicherlich einen Mix geben. Schauen Sie einmal Audi an. Audi gehört zum VW-Konzern, ist eine Tochter von VW und in Zukunft eine Enkeltochter von Porsche. Die Motoren von allen Audi-Fahrzeugen werden in Ungarn hergestellt. Einiges von dem, was im Cayenne in Leipzig eingebaut ist, stammt auch aus Osteuropa. Und indem wir einige Komponenten aus Ländern haben, die günstigere Löhne aufweisen, können wir das Fahrzeug besser kalkulieren, damit mehr Stück verkaufen und damit auch die Arbeitsplätze in Deutschland, in Baden-Württemberg, in Niedersachsen, in anderen Standorten Deutschlands steigern.
Klein: Aber VW hat de facto seine wirtschaftliche Eigenständigkeit verloren und das dürfte Auswirkungen zumindest kurz- und mittelfristig für die Arbeitnehmerschaft dort haben?
Oettinger: VW wird vermutlich ein Teil der neuen Porsche-Holding, einer Europa AG mit Sitz hier in Baden-Württemberg, aber die Eigenständigkeit bleibt, weil in Wolfsburg die großen Produktionsstätten sind, weil dort die Kompetenz für große Stückzahlen ist. Das heißt ich glaube es wird eine Win-Win-Situation entstehen und dies unter dem Dach einer Familienunternehmung. Wir haben in Baden-Württemberg mit Familienunternehmen beste Erfahrungen gemacht. Die Familien Porsche und Piëch sind verantwortungsbewusst. Die wollen Innovation, die wollen Hightech, die wollen Marktführer in Europa werden, die wollen in fünf Jahren zu Toyota aufschließen. Ich bin sicher, dass dieses dem Konzern und allen Arbeitsplätzen gut tut und vielleicht besser ist als die harte Situation an der Börse und die früher für VW mögliche Übernahmegefahr.
Klein: Die IG Metall sagt jetzt mit Blick auf das VW-Gesetz, das überarbeitet oder eben ganz abgeschafft werden muss, "behaltet das bloß bei; es müssen ja nur einige Passagen geändert werden". Zumindest möchte die Gewerkschaft, dass der Passus, wonach zwei Drittel des Aufsichtsrates zustimmen müssen, wenn Standorte ins Ausland verlegt werden, beibehalten werden sollte. Stimmen Sie zu?
Oettinger: Das wird derzeit bei Frau Zypries geprüft. Da wird die Bundesregierung im Benehmen mit den Standortländern wie Niedersachsen und Baden-Württemberg dann ihre Entscheidung vorbereiten. Aber klar ist: Mit dem Urteil sind die wichtigsten Paragraphen des VW-Gesetzes nicht haltbar. Die Stimmrechtsbeschränkung auf 20 Prozent ist weg. Wer 30 Prozent oder 40 Prozent oder 60 Prozent hat, hat auch 60 Prozent der Stimmrechte bei der Hauptversammlung, kann entsprechend in den Aufsichtsrat seine vertrauten Bewerber entsenden. Und es gibt keine staatlichen Aufsichtsräte mehr, sondern nur noch Aufsichtsräte entlang von Aktienrechten. Deswegen wird dieses Gesetz nicht mehr viel Wert sein und ich rate allen Beteiligten zu prüfen, ob nicht eine ganz normale aktienrechtliche Grundlage der bessere Weg ist, zumal ja mit über 30 Prozent Anteile bei Porsche und über 20 Prozent beim Land Niedersachsen schon jetzt jede Gefahr der Übernahme weg ist. Wenn der Ausbau der Aktien bei Porsche kommt und Porsche die Mehrheit übernimmt und konsolidiert, bin ich sicher, dass Porsche mit den Arbeitsplätzen und den Standorten in Niedersachsen oder an anderen Orten in Deutschland genauso pfleglich umgehen wird wie Porsche in Zuffenhausen, in Weissach, in Leipzig, in Europa in den letzten Jahren nachgewiesen hat, dass man mit Erfolg die Zahl der Arbeitsplätze steigert. Kein Fahrzeugunternehmen hat Umsatzertrag und Arbeitsplätze, Entwicklungsausgaben und Innovation in den letzten Jahren so gesteigert zu Gunsten der Arbeitnehmer und der Arbeitswelt wie Porsche und kein Betriebsrat ist mit der Entwicklung des Unternehmens und der Unternehmensleitung so zufrieden wie der Betriebsrat von Porsche.
Klein: Jetzt haben wir viel Reklame gemacht für diesen Autokonzern und sollten noch mal sagen, dass es auch noch viele andere Unternehmen dieser Art in Deutschland und weltweit gibt. Abschließend, Herr Oettinger, das VW-Gesetz hat natürlich auch den Hintergrund gehabt, Arbeitsplätze zu sichern. Viele Wirtschaftsexperten sagen auch gut, dass es weg ist. Es war ein Hindernis für den freien Wettbewerb. Können Sie auf der anderen Seite verstehen, dass immer mehr Menschen offenbar stärker darauf setzen, dass der Staat eben gerade Risiken abfedert? Das wird sich zum Beispiel auch auf dem SPD-Parteitag am Wochenende abbilden.
Oettinger: Der Weg zurück in die Planwirtschaft wäre falsch. Der Staat ist im Zweifel nicht der bessere Arbeitgeber und wer durch Gesetz Arbeitsplätze schützt, höhlt sie in Wahrheit oftmals aus. Ich setze auf Arbeitsplätze, die starke Produkte und Dienstleistungen herstellen. Ich setze auf Arbeitsplätze in der Forschung und Entwicklung, damit Deutschland mit Innovationen vorne bleibt. Das heißt ich setze auf eine überlegene Wirtschaft und Arbeitswelt Deutschlands in einem globalen Wettbewerb.
Klein: Günther Oettinger, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Oettinger.