Dirk-Oliver Heckmann: Zu den Zuständen in den Justizvollzugsanstalten Deutschlands. Dass ein Gefängnis kein Mädchenpensionat ist und auch Gewalt hinter den Mauern ein Thema ist, das dürfte allen klar sein. Aber welches Ausmaß das Problem angenommen hat, das wurde erst offenbar, nachdem der so genannte Foltermord in der Justizvollzugsanstalt in Siegburg im vergangenen Jahr bekannt geworden war. Mehrere Insassen quälten und peinigten ihren Mitgefangenen über Stunden hinweg, bis sie ihn zwangen, sich selbst zu strangulieren. Am kommenden Freitag fällt, wie eben schon erwähnt, in der Sache Siegburg das Urteil des Bonner Landgerichts. Heute werden die Plädoyers gehalten.
Was hat sich also getan im Jugendstrafvollzug? Dazu begrüße ich jetzt Norbert Tillmannshöfer. Er ist evangelischer Gefängnisseelsorger an der JVA Heinsberg bei Aachen und war über Jahre Vorsitzender einer entsprechenden Arbeitsgruppe innerhalb der evangelischen Konferenz für Gefängnisseelsorge. Schönen guten Morgen!
Norbert Tillmannshöfer: Schönen guten Morgen!
Heckmann: Herr Tillmannshöfer, Gewalt ist ein Thema in den Gefängnissen Deutschlands. Was berichten Ihnen die Insassen? Können Sie da ein typisches Beispiel nennen?
Tillmannshöfer: Es kann passieren, dass Übergriffe auf einzelne Gefangene vorkommen und dem Pfarrer erzählen sie es dann auch. Aber der Pfarrer hat auch Möglichkeiten zu agieren.
Heckmann: Können Sie das anhand eines Beispiels mal erklären, ohne Namen zu nennen, was da Gefangene erleben?
Tillmannshöfer: Das passiert in erster Linie ja auf Gemeinschaftszellen. Diese größeren Gemeinschaftszellen hat man mittlerweile ja abgeschafft. Man sucht sich den Schwächsten aus und der wird unter Druck gesetzt. Und dann kann es zu körperlichen Misshandlungen kommen: heißes Wasser überschütten oder Zuschlagen bis in den extremsten Formen. Das kann schon passieren, kommt bei uns in Heinsberg selten vor, aber passiert.
Heckmann: Wie oft kommt das insgesamt vor? Haben Sie etwa für Nordrhein-Westfalen einen Überblick?
Tillmannshöfer: Zahlen habe ich nicht, aber es kommt immer wieder vor, ja. Man kann davon ausgehen: Je enger die Verhältnisse und je schärfer der Vollzug, umso häufiger kann dies passieren. Besser wäre eine soziale Sicherheit. Das heißt, man beschäftigt sich intensiv mit den Gefangenen. Man arbeitet mit ihnen. Man hat eine große Freizeitgestaltung, all diese Dinge.
Heckmann: Ist das eigentlich ein Problem, das vor allem Männer betrifft, also männliche Strafgefangene, oder ist das auch ein Problem von Frauen?
Tillmannshöfer: Über viele Jahre hinaus dachte man ja, es betrifft hauptsächlich die Männer, aber es gibt auch in Bezug auf Gewalt auch eine steigende Tendenz bei Frauen. Das nimmt auch zu, aber es ist in erster Linie immer noch eine männliche Gewalt.
Heckmann: Wie ist das zu erklären, dass das Problem eben größer wird offenbar?
Tillmannshöfer: Der Mann hat halt stark zu sein. Das sind so alte Vorstellungen. Er muss männlich sein, kalt, er muss sich wehren. Cool sein ist angesagt, nur keine Gefühle zeigen. Wenn bei mir ein Junge reinkommt, der weint in meinem Büro, dann sage ich immer, ich empfinde dich jetzt als stark. Aber das wird normalerweise so nicht gesehen und sie laufen in der Anstalt alle mit Masken herum. Die können sie bei mir dann wohl ablegen.
Heckmann: Es wurde ja, nachdem der Foltermord in Siegburg bekannt geworden ist, das Thema auch wirklich breit diskutiert und es wurde ein Untersuchungsbericht in Auftrag gegeben, der mittlerweile auch abgegeben worden ist.
Tillmannshöfer: Wertebach-Kommission, ja.
Heckmann: Genau. – Hat sich seitdem etwas geändert in den Strafvollzugsanstalten?
Tillmannshöfer: Ja. Man hat zum Beispiel die Vierergemeinschaften oder Dreiergemeinschaften abgeschafft, also größere Belegungsanzahlen in einzelnen Zellen. Man versucht jetzt – in Heinsberg ist das sowieso der Fall -, überwiegend Einzelzellen zu haben. Was sich verändert, ist die Erhöhung der Besuchszeiten durch Verwandte, Eltern, Verlobte. Was sich ändert, ist die Erhöhung der Personalzahl. Wir haben in Heinsberg 22 Anwärter zusätzlich eingestellt. Das heißt, wenn wir personalintensiver arbeiten können, dann können wir auch mehr vorbeugen.
Heckmann: Wir haben jetzt leider nur noch wenige Sekunden Zeit. Trotzdem noch die Frage: In Nordrhein-Westfalen liegt ein Entwurf für ein Gesetz für den Jugendstrafvollzug vor. Wird der die schlimmsten Missstände beheben können?
Tillmannshöfer: Wenn die Rahmenbedingungen, die dort gesetzt werden – ich halte sie grundsätzlich für gut; es gibt zwar einige Anmerkungen -, aber wenn die umgesetzt werden, dann müsste es zu einer Verbesserung führen. Auf jeden Fall! Es wird höchste Zeit, dass man endlich ein Jugendvollzugsgesetz hat.
Heckmann: Über Gewalt in den Justizvollzugsanstalten war das Norbert Tillmannshöfer, evangelischer Gefängnisseelsorger an der JVA Heinsberg. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Tillmannshöfer: Ja, gerne geschehen, wiederhören.
Was hat sich also getan im Jugendstrafvollzug? Dazu begrüße ich jetzt Norbert Tillmannshöfer. Er ist evangelischer Gefängnisseelsorger an der JVA Heinsberg bei Aachen und war über Jahre Vorsitzender einer entsprechenden Arbeitsgruppe innerhalb der evangelischen Konferenz für Gefängnisseelsorge. Schönen guten Morgen!
Norbert Tillmannshöfer: Schönen guten Morgen!
Heckmann: Herr Tillmannshöfer, Gewalt ist ein Thema in den Gefängnissen Deutschlands. Was berichten Ihnen die Insassen? Können Sie da ein typisches Beispiel nennen?
Tillmannshöfer: Es kann passieren, dass Übergriffe auf einzelne Gefangene vorkommen und dem Pfarrer erzählen sie es dann auch. Aber der Pfarrer hat auch Möglichkeiten zu agieren.
Heckmann: Können Sie das anhand eines Beispiels mal erklären, ohne Namen zu nennen, was da Gefangene erleben?
Tillmannshöfer: Das passiert in erster Linie ja auf Gemeinschaftszellen. Diese größeren Gemeinschaftszellen hat man mittlerweile ja abgeschafft. Man sucht sich den Schwächsten aus und der wird unter Druck gesetzt. Und dann kann es zu körperlichen Misshandlungen kommen: heißes Wasser überschütten oder Zuschlagen bis in den extremsten Formen. Das kann schon passieren, kommt bei uns in Heinsberg selten vor, aber passiert.
Heckmann: Wie oft kommt das insgesamt vor? Haben Sie etwa für Nordrhein-Westfalen einen Überblick?
Tillmannshöfer: Zahlen habe ich nicht, aber es kommt immer wieder vor, ja. Man kann davon ausgehen: Je enger die Verhältnisse und je schärfer der Vollzug, umso häufiger kann dies passieren. Besser wäre eine soziale Sicherheit. Das heißt, man beschäftigt sich intensiv mit den Gefangenen. Man arbeitet mit ihnen. Man hat eine große Freizeitgestaltung, all diese Dinge.
Heckmann: Ist das eigentlich ein Problem, das vor allem Männer betrifft, also männliche Strafgefangene, oder ist das auch ein Problem von Frauen?
Tillmannshöfer: Über viele Jahre hinaus dachte man ja, es betrifft hauptsächlich die Männer, aber es gibt auch in Bezug auf Gewalt auch eine steigende Tendenz bei Frauen. Das nimmt auch zu, aber es ist in erster Linie immer noch eine männliche Gewalt.
Heckmann: Wie ist das zu erklären, dass das Problem eben größer wird offenbar?
Tillmannshöfer: Der Mann hat halt stark zu sein. Das sind so alte Vorstellungen. Er muss männlich sein, kalt, er muss sich wehren. Cool sein ist angesagt, nur keine Gefühle zeigen. Wenn bei mir ein Junge reinkommt, der weint in meinem Büro, dann sage ich immer, ich empfinde dich jetzt als stark. Aber das wird normalerweise so nicht gesehen und sie laufen in der Anstalt alle mit Masken herum. Die können sie bei mir dann wohl ablegen.
Heckmann: Es wurde ja, nachdem der Foltermord in Siegburg bekannt geworden ist, das Thema auch wirklich breit diskutiert und es wurde ein Untersuchungsbericht in Auftrag gegeben, der mittlerweile auch abgegeben worden ist.
Tillmannshöfer: Wertebach-Kommission, ja.
Heckmann: Genau. – Hat sich seitdem etwas geändert in den Strafvollzugsanstalten?
Tillmannshöfer: Ja. Man hat zum Beispiel die Vierergemeinschaften oder Dreiergemeinschaften abgeschafft, also größere Belegungsanzahlen in einzelnen Zellen. Man versucht jetzt – in Heinsberg ist das sowieso der Fall -, überwiegend Einzelzellen zu haben. Was sich verändert, ist die Erhöhung der Besuchszeiten durch Verwandte, Eltern, Verlobte. Was sich ändert, ist die Erhöhung der Personalzahl. Wir haben in Heinsberg 22 Anwärter zusätzlich eingestellt. Das heißt, wenn wir personalintensiver arbeiten können, dann können wir auch mehr vorbeugen.
Heckmann: Wir haben jetzt leider nur noch wenige Sekunden Zeit. Trotzdem noch die Frage: In Nordrhein-Westfalen liegt ein Entwurf für ein Gesetz für den Jugendstrafvollzug vor. Wird der die schlimmsten Missstände beheben können?
Tillmannshöfer: Wenn die Rahmenbedingungen, die dort gesetzt werden – ich halte sie grundsätzlich für gut; es gibt zwar einige Anmerkungen -, aber wenn die umgesetzt werden, dann müsste es zu einer Verbesserung führen. Auf jeden Fall! Es wird höchste Zeit, dass man endlich ein Jugendvollzugsgesetz hat.
Heckmann: Über Gewalt in den Justizvollzugsanstalten war das Norbert Tillmannshöfer, evangelischer Gefängnisseelsorger an der JVA Heinsberg. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Tillmannshöfer: Ja, gerne geschehen, wiederhören.