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"Es wird sich in fast allen Fällen lohnen, hier hartnäckig zu bleiben"

Der Bundesgerichtshof hat mehrere Klauseln in Verträgen zu Lebensversicherungen für rechtswidrig erklärt. Für viele Versicherungsnehmer, die ihre Verträge inzwischen gekündigt haben, bestehe damit Anspruch auf höhere Auszahlungsbeträge, sagt Rechtsanwalt Joachim Bluhm.

Joachim Bluhm im Gespräch mit Jule Reimer |
    Jule Reimer: Die Lebensversicherer wehren ab und meinen, nur wenige seien betroffen: Gestern hat der Bundesgerichtshof mehrere Klauseln in Verträgen zu Lebensversicherungen kassiert. Anders sieht das die Verbraucherzentrale Hamburg, in deren Auftrag hat der Rechtsanwalt Joachim Bluhm die Urteile erstritten. Mit ihm bin ich jetzt in Hamburg verbunden. Herr Bluhm, bitte erklären Sie uns erst einmal, was der BGH genau entschieden hat.

    Joachim Bluhm: Schönen Guten Tag, Frau Reimer. – Der Bundesgerichtshof hat mit seinem gestrigen Urteil seine vorangegangene Rechtsprechung, die ältere Verträge zum Gegenstand hat, fortentwickelt und hat entschieden, dass auch bei den kapitalbildenden Versicherungsverträgen, die zwischen 2001 und Ende 2007 abgeschlossen wurden, die Regelung zur Abschlusskostenverrechnung nach dem sogenannten Zillmer-Verfahren und zum Stornoabzug unwirksam sind. Das ist eine sehr bemerkenswerte Entscheidung, insbesondere auch, weil sie deutlich rigider begründet wurde als in der Vergangenheit, und hat zur Folge, dass sehr viele Versicherungsnehmer, die zwischen 2001 und Ende 2007 kapitalbildende Versicherungen abgeschlossen haben und diese Verträge bereits gekündigt oder prämienfrei gestellt haben, oder das noch tun wollen, Anspruch auf höhere Auszahlungsbeträge haben.

    Reimer: Das heißt, wer in diesem Zeitraum gekündigt hat, soll sich auf jeden Fall bei der Versicherung melden, oder auch andere?

    Bluhm: Das empfehle ich allen. Alle Versicherungsnehmer, die in diesem Zeitraum zwischen 2001 und 2007 kapitalbildende Verträge abgeschlossen haben und sie bereits gekündigt oder prämienfrei gestellt haben, sollten sich mit ihrem Versicherer in Verbindung setzen und den auffordern, Nachzahlungen unter Beachtung des BGH-Urteils vom 25. Juli 2012 zu leisten. Das wird kein Versicherer gerne tun, es wird sich aber in fast allen Fällen lohnen, hier hartnäckig zu bleiben.

    Reimer: Wie mache ich dann meine Ansprüche geltend? Woher weiß ich überhaupt, wie hoch meine Ansprüche sind?

    Bluhm: Die Höhe dieser Ansprüche ist nicht ganz leicht zu begründen, weil wir ja nicht wissen, wie hoch die Stornoabzüge und diese Abschlusskosten im Einzelfall sind. Man kann den Versicherer aber dazu um eine Auskunft bitten, da gibt es entsprechende Aufforderungsschreiben auf der Website der Verbraucherzentrale Hamburg, mit denen sollte man es erst mal versuchen. Das heißt, man fordert den Versicherer auf, selbst zu erklären, wie hoch denn diese, nun für rechtswidrig befundenen Abzugsbeträge sind, und wenn man die dann kennt, kann man den Versicherer auch auffordern, diese Beträge zu zahlen. Wenn der Versicherer sich sperrt, wird wohl nicht viel anderes übrig bleiben, als ein Gericht anzurufen.

    Reimer: Was sollen diejenigen tun, die in der Zukunft kündigen wollen?

    Bluhm: Für die gilt das in gleicher Weise. Da die Regelung auch die Unwirksamkeit des Stornoabzugs zum Gegenstand hat und ein Stornoabzug eigentlich immer stattfindet, wenn eine kapitalbildende Versicherung dieser Bedingungsgeneration gekündigt wird, haben auch die Anspruch auf eine Nachzahlung. Aber je älter ein Vertrag geworden ist, umso geringer sind die Auswirkungen dieses Zillmer-Verfahrens. Besonders wichtig ist die Geltendmachung von Ansprüchen, also die Anforderung eines Nachschlags bei Verträgen, die nach etwa drei bis fünf Jahren nach dem Abschluss gekündigt wurden. Da sind die Nachzahlungsvolumina am größten.

    Reimer: Der Rechtsanwalt Joachim Bluhm über die Konsequenzen des jüngsten BGH-Urteils zur Kündigung von Lebensversicherungen. Danke für das Gespräch.

    Bluhm: Bitte sehr.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

    Mehr zum Thema:
    Bundesgerichtshof zur Unwirksamkeit von Klauseln in Lebens- und Rentenversicherungsverträgen (Az. IV ZR 201/10)