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"Es wird weitere Proteste geben"

Ludwig Ladzinski, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der Deutschen Steinkohle AG, hat weitere Proteste gegen einen Ausstieg aus der Steinkohle vor 2018 angekündigt. Sich erst am Verhandlungstisch auf einen Kompromiss zu einigen, um ihn dann zwei Tage später wieder infrage zu stellen, sei "schamlos", sagte Ladzinski mit Blick auf die Forderung von NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) nach einem früheren Ende der Steinkohleförderung.

Moderation: Elke Durak |
    Elke Durak: Nordrhein-Westfalens Landesregierung will früher aus der Steinkohle aussteigen als vom Koalitionsausschuss in Berlin vereinbart worden war, nämlich schon 2014. Das kostet unnötig Arbeitsplätze, warnen nicht nur die Beschäftigten, aber auch sie. Der Vorstandschef der RAG Werner Müller schreibt heute den Bergleuten in die morgendliche Zeitungslektüre: "Ich werde nicht zulassen, dass Bergleute arbeitslos werden." - Schönen guten Tag Herr Ladzinski, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates der Deutschen Steinkohle AG.

    Ludwig Ladzinski: Guten Tag!

    Durak: Herr Ladzinski, da haben Sie einen tollen Fürsprecher. Werden Sie die RAG beim Wort nehmen?

    Ladzinski: Ja, sicher werden wir die RAG beim Wort nehmen.

    Durak: Und wie?

    Ladzinski: Bei dieser Aktion geht es nicht nur um Arbeitsplätze im Bergbau, sondern auch um Arbeitsplätze im Konzern.

    Durak: Wie können Sie das tun?

    Ladzinski: Indem wir jetzt beobachten, ob die Verhandlungspartner an den Tisch zurückkommen und dazu fordere ich sie auf. Wenn dies nicht geschieht, werden wir zu weiteren Aktionen und dann konzernweit mit noch mehr Beteiligung aufrufen.

    Durak: Das heißt es wird dann Streiks geben?

    Ladzinski: Es wird weitere Proteste geben. Ich bin aber zuversichtlich, da die Verhandlungen nicht abgebrochen, sondern unterbrochen sind, dass die Herren wieder an den Tisch der Verhandlungen zurückkommen.

    Durak: Welche Herren meinen Sie?

    Ladzinski: Die Kohlerunde mit den Ministerpräsidenten, den Vertretern des Unternehmens und der Gewerkschaft IG BCE.

    Durak: Es gibt ja im nordrhein-westfälischen Landtag auch eine andere politische Gruppierung: die Grünen. Die würden auch lieber früher aussteigen aus der deutschen Steinkohleproduktion und wieso, das hat uns der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Reiner Priggen gestern Abend hier im Deutschlandfunk erläutert. Das wollen wir uns mal kurz anhören:

    " Wenn sie doch die Leute, ohne sie in die Arbeitslosigkeit zu schicken, nicht bis 2018 auf der Zeche halten müssen, sondern den Bergbau früher beenden können, dann gibt es doch keine Notwendigkeit, das bis 2018 zu machen. Sie müssen doch auch immer sehen, dass die Zechen, die wir hier haben, in Teilen ganz katastrophale Schäden an Gebäuden und an allem anrichten und dass dafür wieder öffentliche Hand Geld in die Hand nehmen muss. Wenn Sie mal gucken, was einzelne Bergwerke an Schäden in Kommunen hinterlassen, dann muss man das doch nicht länger machen als es notwendig ist. Also die Garantie keine Arbeitslosigkeit ja, aber wenn das möglich ist vor 2018, sollte man es auch früher machen. "

    Durak: Das war Reiner Priggen von den Grünen. Herr Ladzinski, ist die Argumentation tatsächlich so von der Hand zu weisen?

    Ladzinski: Die ist ganz einfach von der Hand zu weisen, weil die Aussage: "Es geht früher wie 2018" grundweg falsch ist. Dazu gibt es sogar eine Aussage in einem Gutachten, das im Auftrag der Politik erstellt worden ist. Das sagt aus: Sozialverträglich geht nur 2018!

    Durak: Der Ministerpräsident meint, sozialverträglich geht auch 2014.

    Ladzinski: Ach wissen Sie, die Zahlen, Daten und Fakten sind lange ausgetauscht und sie sind auch von beiden Seiten akzeptiert. Ich sehe dieses als reine Verzögerungstaktik. Wenn man wieder die Entscheidung hinausschieben will, zweifelt irgendeiner eine Zahl an. Das ist das alte Spiel und das hat jetzt auch der letzte durchschaut.

    Durak: Herr Ladzinski, es wird ja auch darüber spekuliert, dass der Ministerpräsident ganz einfach pokert, taktiert politisch und in Berlin mehr Geld für das Land herausholen will, was ja letztlich auch den Bergleuten zu Gute kommen könnte. Dieser politischen Taktik können Sie gar nicht folgen?

    Ladzinski: Dieser politischen Taktik kann ich überhaupt nicht folgen, weil die Politik hier mit den Gefühlen der Mitarbeiter und deren Familien spielt. Die Politik verliert hier ein großes Stück an Glaubwürdigkeit, wenn man Montagabends sagt, wir machen 2018, und Dienstags sagt, das haben wir nicht so gemeint, wir machen 2014.

    Durak: Vielleicht gibt es ja, Herr Ladzinski, noch eine Möglichkeit zum Kompromiss für den Kompromiss. Gibt es vielleicht irgendwelche anderen Möglichkeiten, die noch nicht ausgeschöpft wurden, Arbeitsplätze abzubauen im Steinkohlebergbau, ohne den Leuten die Möglichkeit zu arbeiten zu nehmen?

    Ladzinski: Dieses ist auch rauf- und runtergeprüft worden. Wir fordern eins, dass wir die Zahl 2018 jetzt endgültig verlässlich für alle Mitarbeiter im Konzern festlegen. Das ist der Grundstein. Und dann wird in den Verhandlungen darüber geredet, wie dieses Projekt zu finanzieren ist.

    Durak: Dann müssen Sie ja eigentlich nach Berlin ziehen?

    Ladzinski: Wir werden jetzt erst mal abwarten. Nach Berlin erst mal nicht, weil die Teilnehmer aus Berlin immer noch bei 2018 sind. Von 2018 hat sich einzig und allein Herr Rüttgers aus NRW verabschiedet und deshalb sind wir auch gestern nach Düsseldorf gezogen.

    Durak: Können Sie sich das erklären, weshalb der Ministerpräsident so handelt?

    Ladzinski: Erklären kann ich mir das nicht, zumal er in der vorbereitenden Sitzung zu dem Kohlegipfel beteiligt war und an dem Abend nicht ein Wort über die Kursänderung der Landesregierung verlautbart hat.

    Durak: Spötter meinen, er gibt den Stoiber.

    Ladzinski: In so eine Diskussion will ich mich nicht einmischen. Ich fordere einfach von der Politik die Glaubwürdigkeit ein. Wenn man an einem Tisch zusammensitzt und sagt, das ist der Kompromiss, halte ich es für schamlos, diesen wieder zwei Tage später in Frage zu stellen.

    Durak: Wozu - noch einmal gefragt - sind die Bergleute letztlich in Nordrhein-Westfalen bereit?

    Ladzinski: 2018 haben die Bergleute akzeptiert und sind damit bis an die Schmerzgrenze des Verträglichen gegangen. Wenn die 2018 nicht kommt, sind die Bergleute zu noch größeren Aktionen bereit.

    Durak: Stellen Sie sich vor, Ihnen wird nicht nachgegeben.

    Ladzinski: Ja, dann werden wir Mittel und Wege finden, um unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Hier ist letztendlich auch die Kanzlerin gefordert. Sie war nämlich auch bei dem Kompromiss mit am Tisch und hat gesagt, das ist es. Die Kanzlerin ist Mitglied einer großen Partei, der auch der Ministerpräsident angehört, und dann muss man sehen, dass man in der Partei mal endlich zu einer gemeinsamen Aussage kommt.

    Durak: Das heißt auch Sie fordern wie schon die SPD auf Bundesebene, aber auch in Düsseldorf, die Bundeskanzlerin möge gegenüber Herrn Rüttgers ein Machtwort sprechen?

    Ladzinski: Jawohl!